Ob Geschmack, Schmerz oder Reaktion auf Stress – nahezu alle wichtigen Funktionen im menschlichen Körper werden von molekularen Schaltern gesteuert, den G-Protein-gekoppelten Rezeptoren (GPCRs). Forschende der Universität Basel haben nun aufgeklärt, wie ein solcher Rezeptor im Detail funktioniert. Mit einer Methode, die dem Satelliten-GPS um die Erde ähnelt, konnten sie den Bewegungen des Rezeptors folgen und ihn in Aktion beobachten. Die in «Science» publizierte Arbeit liefert wertvolle Hinweise für das Design wirksamer Medikamente.
G-Protein-gekoppelte Rezeptoren sind in der Zellmembran verankert und leiten Signale von aussen ins Innere der Zelle weiter. Aufgrund ihrer enormen Vielfalt und ihrer wichtigen Rolle im Körper sind sie Angriffspunkt vieler Medikamente – angefangen bei Schmerzmitteln über Herzmedikamente bis hin zum Diabetesmittel Semaglutid, das in Form der Abnehmspritze Ozempic Karriere gemacht hat. Etwa ein Drittel aller zugelassenen Arzneistoffe wirken über GPCRs.
Neue GPS-Kernspinresonanzspektroskopie (NMR) zeigt Rezeptorfunktion
Trotz ihrer Bedeutung war lange unklar, wie diese Rezeptoren genau funktionieren. «Wir wussten kaum etwas darüber, auf welche Art und Weise GPCRs die Informationen ihrer Bindungspartner weiterleiten», sagt Dr. Fengjie Wu, SNF Ambizione Fellow am Biozentrum. «Wir haben eine neue NMR-Methode entwickelt, mit der wir wie mit einem GPS den Bewegungen des Rezeptors folgen können.» Ein genaues Verständnis der Funktionsweise von GPCRs ist wichtig, um wirksamere Medikamente mit weniger Nebenwirkungen zu entwickeln.
Im Fokus der Arbeit, die nun in «Science» erschien, stand der β1-Adrenozeptor. Dieser GPCR spielt eine zentrale Rolle im Herz-Kreislauf-System und ist daher Angriffspunkt von Betablockern. Diese Medikamente werden unter anderem zur Behandlung von Bluthochdruck eingesetzt.
Dank ihrer innovativen GPS-NMR-Technologie konnten die Forschenden die Position von etwa hundert atomaren Einheiten innerhalb des β1-Adrenozeptors exakt lokalisieren – ähnlich wie ein Satellit die Position von Autos bestimmt. Dies ermöglichte den Forschenden, die Bewegungen des Rezeptors während seiner Aktivierung nachzuvollziehen.
Dynamischer Rezeptor: Mehr als nur «An» oder «Aus»
Die Ergebnisse zeigten, dass der Rezeptor nicht einfach nur zwischen «An» und «Aus» hin und her schaltet. Vielmehr befindet er sich in einem dynamischen Gleichgewicht zwischen inaktivem, teilweise und vollständig aktivem Zustand. Bindet der Wirkstoffs Isoprenalin, verschiebt sich das Gleichgewicht sehr stark in Richtung aktivem Zustand. Betablocker hingegen fixieren den Rezeptor in seiner inaktiven Form. «Zum ersten Mal konnten wir sehen, wie der Rezeptor dynamisch zwischen den Zuständen wechselt», so Wu. «Ausserdem haben wir im Rezeptor einen Schalter entdeckt, der diese Übergänge steuert».
Die Forschenden haben auch herausgefunden, dass sich die Signalweiterleitung ins Zellinnere durch kleinste atomare Veränderungen im Rezeptor beeinflussen lässt. «Um wirklich zu verstehen, wie GPCRs funktionieren, müssen wir solche kleinen Störungen einführen und die daraus folgende Bewegung einzelner Atome beobachten. Das können wir nun», erklärt Wu.
Orientierungshilfe für Arzneimittel-Entwicklung
Mit ihrer Arbeit schliessen die Forschenden die Lücke zwischen den bekannten statischen Strukturen von GPCRs und ihrer Funktion. Sie konnten erstmals bis ins kleinste Detail verfolgen, wie sich ein GPCR bewegt, wenn er aktiviert wird. «Nach zwanzig Jahren Forschung können wir nun endlich die atomaren Bewegungen des Rezeptors sehen», sagt Prof. Dr. Stephan Grzesiek. Und Wu fügt hinzu: «Jetzt verstehen wir, wie die Bindung eines Wirkstoffs die Rezeptor-Funktion steuert. Dieses Wissen hilft dabei, Arzneistoffe mit einer gewünschten Wirkung rational zu entwickeln.»
Prof. Dr. Stephan Grzesiek, Universität Basel, Biozentrum, E-Mail: stephan.grzesiek@unibas.ch
Feng-Jie Wu, Pascal S. Rieder, Layara Akemi Abiko, Anne Grahl, Daniel Häussinger, Stephan Grzesiek.
Activation dynamics traced through a G protein coupled receptor by 81 1H-15N NMR probes.
Science (2025), doi: 10.1126/science.adq9106
Mithilfe eines Antikörpers (beige) mit drei Mini-Magneten lässt sich die Position von Atomen (gelb) ...
Biozentrum, Universität Basel
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Chemie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
Mithilfe eines Antikörpers (beige) mit drei Mini-Magneten lässt sich die Position von Atomen (gelb) ...
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