In unserem Erbgut steckt mehr Bewegung, als man denkt: Fast die Hälfte des menschlichen Genoms besteht aus Transposons – kurzen DNA-Stücken, die in der Lage sind, ihren Platz im Erbgut zu verändern: Sie „springen“ von einer Stelle zur anderen und sie verteilen sich dabei im Genom nicht gleichmäßig, sondern sind oft in Gruppen gebündelt. Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) haben nun herausgefunden, wie es zu dieser Gruppenbildung kommt. Möglich macht das ein physikalischer Effekt, der das Erbgut an Ort und Stelle auffaltet. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Biophysical Journal veröffentlicht. (DOI: https://doi.org/10.1016/j.bpj.2025.03.038)
Ein großer Teil des Genoms besteht aus sich wiederholenden Sequenzen, den sogenannten Transposons. Sie sind an wichtigen Prozessen beteiligt, wie der frühen Embryonalentwicklung oder der Kontrolle darüber, welche Gene von der Zelle verwendet werden. Transposons können ihre Position im Erbgut verändern. Sie können aber nicht an jede beliebige Stelle der DNA springen, weil unsere DNA kein loser Faden ist, sondern im Zellkern kompakt gefaltet vorliegt – in einer Struktur namens Chromatin. Manche Stellen sind dabei besonders dicht gepackt und schwer zugänglich. Auf Basis dieses Wissens hat ein Forschungsteam um Professor Lennart Hilbert am Institut für Biologische und Chemische Systeme des KIT nun eine Erklärung für die Gruppenbildung der Transposons gefunden. „Transposons können das Erbgut an bestimmten Stellen ‚auffalten‘ und machen es damit für weitere Transposons zugänglich“, erläutert Hilbert. „So entsteht eine positive Rückkopplung: Ein Transposon lockert die lokale Struktur der DNA, und weitere folgen. Aus vereinzelten Sprüngen werden Landungen in Gruppen.“
Computersimulation der Gruppenbildung von Transposons
Die Forschenden entwickelten eine Computersimulation, die genau diesen Vorgang nachstellt. In der Simulation faltet sich die DNA mit jedem weiteren eingefügten Transposon Schritt für Schritt auf. So dehnen sich die betroffenen Bereiche des Erbgutes aus und es schieben sich Schlaufen aus dem Erbgut hervor, in denen sich die neu gelandeten Transposons häufen.
Evolution zähmt Transposons
Eine weitere Überraschung ergab sich bei der Analyse der mechanischen Eigenschaften von Transposons im Laufe der Evolution. Die meisten dieser Elemente sind heute inaktiv, springen also nicht mehr, haben jedoch über Jahrmillionen hinweg die Architektur der Genome umgestaltet. „Wir haben herausgefunden, dass Transposons, die aktuell oder bis noch vor relativ kurzer Zeit aktiv gesprungen sind, besonders flexibel sind“, so Hilbert „Je länger die Phase des aktiven Springens für ein Transposon in der Evolutionsgeschichte zurückliegt, desto weniger flexibel werden die Transposons. Diese unerwartete Eigenschaft deutet daraufhin, dass Transposons im Laufe der Evolution in ihrer Fähigkeit zu springen ‚gezähmt‘ werden.“
Erkenntnisse über das Verhalten der Transposons helfen Forschenden zu verstehen, wie Genome über Jahrmillionen hinweg geformt wurden. Außerdem sind sie relevant für das Verständnis der Entstehung verschiedener Krankheiten. Besonders interessant sind hierbei LINE-1 Transposons. LINE-1-Sequenzen (steht für: Long Interspersed Nuclear Element-1) sind eine Familie sich wiederholender DNA-Sequenzen, die einen großen Teil des humanen Genoms ausmachen. Sie können während der Entstehung von Krebs reaktiviert werden und beginnen dann wieder zu springen. Ihre unkontrollierte Bewegung im Erbgut kann zu Krebs verursachenden Mutationen führen. (jho)
Details zum KIT-Zentrum KITHealthTech: www.healthtech.kit.edu
Bildunterschrift: Schlaufenbildung in einem simulierten Abschnitt des Erbgutes. Von links nach rechts sind mehr Transposons in den Bereich eingebaut, die durch Kugeln dargestellt werden. Von oben nach unten sind Simulationen dargestellt, in denen die Schlaufenbildung zunehmend stärker ausgeprägt ist. (Grafik: KIT)
Kontakt für diese Presseinformation:
Leonie Kroll, Pressereferentin, Tel.: +49 152 37740097, E-Mail: leonie.kroll@kit.edu
Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 10 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Seine 22 800 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das KIT ist eine der deutschen Exzellenzuniversitäten.
Leonie Kroll, Pressereferentin, Tel.: +49 152 37740097, E-Mail: leonie.kroll@kit.edu
Roshan Prizak, Aaron Gadzekpo, Lennart Hilbert: Chromatin unfolding via loops can drive clustered transposon insertion, Biophysical Journal, 2025. DOI: https://doi.org/10.1016/j.bpj.2025.03.038
http://Details zum KIT-Zentrum KITHealthTech: www.healthtech.kit.edu
Schlaufenbildung in einem simulierten Abschnitt des Erbgutes. (ausführliche Bildunterschrift am Text ...
(Grafik: KIT)
(Grafik: KIT)
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
Schlaufenbildung in einem simulierten Abschnitt des Erbgutes. (ausführliche Bildunterschrift am Text ...
(Grafik: KIT)
(Grafik: KIT)
Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).