Universität Kiel erhält 3,5 Millionen Euro für eine neue Technologie, die frühe Diagnosen von Krankheiten und personalisierte Behandlungsstrategien ermöglicht.
Trotz beeindruckender Fortschritte in der modernen Diagnostik werden Krankheiten oder Therapieansprechen häufig erst dann erkannt, wenn große Veränderungen aufgetreten sind – „der Schaden bereits angerichtet ist“. Kleine Veränderungen in der Biochemie oder im Stoffwechsel hingegen gehen diesen großen Veränderungen häufig voraus, können aber nur schwierig gemessen werden – bei Erkrankungen, aber auch bei der Frage, ob eine Therapie anschlägt oder nicht. Daher ist die Bildgebung dieser Vorgänge ein international stark wachsendes Forschungsfeld, das große Fortschritte für die personalisierte Präzisionsmedizin erwarten lässt.
Eine vielversprechende Methode hierfür basiert auf magnetisch markierten, quantenmechanischen Kontrastmitteln, welche an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) auf internationalem Niveau erforscht werden. Um das wissenschaftliche Potenzial dieser Technologie, die sogenannte hyperpolarisierte Magnetresonanztomographie (MRT), für die Anwendung am Menschen zu erforschen, startete die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) 2024 eine Ausschreibung. Der Medizinphysiker Professor Jan-Bernd Hövener und sein Team von der Medizinischen Fakultät der CAU haben neben elf weiteren Forschungsgruppen einen Antrag auf Förderung im Rahmen der Großgeräte-Initiative „Klinische Hyperpolarisatoren für die fortgeschrittene Magnetresonanztomographie des Stoffwechsels“ gestellt. Der Antrag aus Kiel hatte laut DFG die höchste Qualität und überzeugte restlos. Die DFG fördert das beantragte „Norddeutsche Zentrum für Hyperpolarisierung – northpole“ mit 3,5 Millionen Euro für fünf Jahre. Die Förderung umfasst die Anschaffung eines klinischen Hyperpolarisators sowie die Implementierung der Methodik in der Sektion Biomedizinische Bildgebung der Klinik für Radiologie und Neuroradiologie am Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Kiel, und am Molecular Imaging North Competence Center (MOIN CC), dem Kompetenzzentrum des Landes für Präklinische Bildgebung. Dazu gehören auch die Einrichtung von Arbeitsabläufen, die Qualitätskontrolle und die Entwicklung der Bildgebung.
Ein Quantensprung für Diagnostik und Therapie
„Mit dieser Förderung können wir besondere Kontrastmittel für die Magnetresonanztomographie herstellen. Diese haben ein besonders starkes MRT-Signal, sodass wir Stoffwechselveränderungen bei Krankheiten direkt sehen können. Wir gewinnen damit einen echten Mehrwert in Diagnose und Therapie“, erklärt Hövener, der seit rund 20 Jahren an neuen Bildgebungsmethoden, insbesondere der Magnetresonanztomographie und Hyperpolarisierung, forscht. Seit seinem Ruf an die Uni Kiel 2017 hat er verschiedene Geräte entwickelt und eingeworben, um eine international einzigartige Umgebung für die Bildgebungs- und Hyperpolarisierungsforschung aufzubauen. „Das neue Gerät wird es uns ermöglichen, das Potenzial der Technologie für die Anwendung im Menschen mit unseren internen, nationalen und internationalen Partnern zu erheben.“
Hyperpolarisierung erhöht die Empfindlichkeit im MRT
Das Besondere an der hyperpolarisierten MRT ist, dass damit Stoffwechselprozesse darstellbar sind. „Wir können quasi hinter die Anatomie gucken und molekulare Veränderungen sehen, noch bevor ein makroskopischer Schaden da ist“, erklärt Hövener, der diese Technik auch für Forschungen im Exzellenzcluster „Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI) nutzt. Auch hier spielt die Bildgebung eine zentrale Rolle, wie von der DFG hervorgehoben wurde.
Um biochemische Signale im MRT sehen zu können, kommen quantenmechanisch markierte Kontrastmittel zum Einsatz. Das sind Moleküle des Stoffwechsels, wie Glukose oder Pyruvat. Diese werden kurz vor der Untersuchung magnetisiert (oder „hyperpolarisiert“), sodass diese im MRT „aufleuchten“ – gänzlich ohne Radioaktivität oder schädliche Strahlung. „Ein naheliegendes Anwendungsgebiet für diese Technik ist die Krebsforschung, weil Krebszellen metabolisch hochaktiv sind“, so Hövener. Aber auch in der Entzündungsforschung sowie bei Stoffwechsel-, Herz-Kreislauf- oder neurologischen Erkrankungen könne die Stoffwechsel-Bildgebung sinnvoll eingesetzt werden, um Krankheiten frühzeitig zu erkennen, Therapieansprechen rasch zu beurteilen oder Krankheitsmechanismen besser zu verstehen.
Standort für einzigartige Bildgebungs- und Hyperpolarisierungsforschung
Zum jetzigen Zeitpunkt hat die Sektion Biomedizinische Bildgebung bereits acht geförderte Projekte, die das Gerät nutzen werden, und acht weitere in Planung. Hövener: „Als Teil unseres Zentrums wollen wir die neue Technologie auch anderen Anwendern in Norddeutschland und anderswo zugänglich machen, wie wir es bereits in unserem präklinischen Hyperpolarisationsprogramm und der präklinischen Bildgebungsplattform MOIN CC tun. Diese Förderung wird unser Zentrum vervollständigen, und es uns ermöglichen, dieses zukunftsträchtige Forschungsfeld im Norden zu verankern und die Quantentechnologie und Hyperpolarisationsforschung sowie die Zusammenarbeit in diesem Bereich in Deutschland, im Ostseeraum und darüber hinaus zu fördern.“
Jubiläumsfeier am 6. Juni
Am Freitag, den 6. Juni 2025, feiern die Sektion Biomedizinische Bildgebung und das MOIN CC ihr 15-jähriges Jubiläum. Die Medizinphysik in Kiel hat sogar bereits eine 30-jährige Geschichte. Bei dieser Gelegenheit stellen das Team die neue Förderung und damit geplante Forschungsaktivitäten vor.
MOIN CC wurde 2010 als Plattform für präklinische, funktionelle Bildgebung des Landes, der CAU und der Medizinischen Fakultät als eines von sieben Kompetenzzentren mit Unterstützung der Europäischen Union gegründet. Es wird von der Sektion Biomedizinische Bildgebung betrieben und vereint state-of-the-art Methoden der Bildgebung unter einem Dach. Die Sektion ging aus der von Professor Claus Glüer vor 30 Jahren gegründeten Medizinphysik hervor. Neben der metabolischen MRT sind die translationale MRT und das „intelligent imaging lab“ weitere Schwerpunkte der Sektion. Hier wird die Bildgebung im Menschen und künstliche Intelligenz für die Bildgebung erforscht.
Text: Kerstin Nees
Weitere Informationen:
http://www.uksh.de/sbmi_kiel
Fotos stehen zum Download bereit:
http://www.uni-kiel.de/de/pressemitteilungen/2024/046-response-mrt.jpg
Dieses leistungsstarke MRT-Gerät wird mit speziellen Geräten aufgerüstet, die die speziell markierten Kontrastmittel herstellen und aufnehmen. Dadurch werden Stoffwechselprozesse sichtbar gemacht.
© Jan-Bernd Hövener, Uni Kiel
http://www.uni-kiel.de/de/pressemitteilungen/portraitbilder/046-hoevener-jan-bernd.jpg
Jan-Bernd Hövener ist Professor für Translationale Magnetresonanztomografie an der Medizinischen Fakultät der CAU.
© privat
Prof. Dr. Jan-Bernd Hövener
Medizinische Fakultät, CAU
Sektion Biomedizinische Bildgebung der
Klinik für Radiologie und Neuroradiologie, UKSH, Campus Kiel,
Molecular Imaging North Competence Center (MOIN CC), CAU, UKSH
Tel.: 0431/880-5833
jan.hoevener@rad.uni-kiel.de
http://www.uni-kiel.de/de/detailansicht/news/085-northpole
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Chemie, Medizin
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsprojekte
Deutsch
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