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27.05.2025 13:59

Signale Frühgeborener erkennen und verstehen – Trainingstool für Eltern frühgeborener Kinder

Annechristin Bonß Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden

    Eine App unterstützt die Eltern‐Kind‐Interaktion frühzeitig präventiv. Das fördert die Bindungsentwicklung. SIGNAL-Train zeigt, mit welchen Signalen Frühgeborene ihre Empfindungen ausdrücken. Das Zentrum für feto/neonatale Gesundheit stellt die App bundesweit kostenfrei zur Verfügung.

    Jedes zehnte Neugeborene in Deutschland benötigt wegen einer zu frühen Geburt eine stationäre Behandlung. Die Eltern sind gerade in dieser Zeit eine wichtige Stütze, ihre Anwesenheit hat einen wesentlichen Einfluss auf die kindliche Entwicklung. Um Eltern während der Behandlung intensiv in die Versorgung des Kindes einzubeziehen, benötigen sie Wissen und entsprechende Anleitung. Nur so kann die elterliche Kompetenz gestärkt und die langfristige Entwicklung der Kinder positiv beeinflusst werden. Denn vergleichbar ist die Versorgung von Frühgeborenen mit Kindern, die zwischen der 38. und 42. Schwangerschaftswoche geboren wurden, nicht. Ein multiprofessionelles Team aus Psychologinnen des FamilieNetz im Fachbereich Neonatologie und aus der Pädiatrischen Intensivmedizin der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden unterstützen Eltern in dieser Situation mit einem speziellen Training. Sie haben ein in Australien entwickeltes Feinfühligkeitstraining an deutsche Bedingungen angepasst. Die daraus entstandene App steht nun bundesweit kostenfrei zur Verfügung. „Die Überführung von medizinischer Expertise in digitale Tools ist ein Schlüssel für die Herausforderungen in der Krankenversorgung in der Zukunft. Dabei ist es enorm wichtig, den Zugang so einfach und barrierefrei zu ermöglichen. Dies ist hier beispielhaft gelungen“, sagt Prof. Uwe Platzbecker, Medizinischer Vorstand am Universitätsklinikum Dresden.

    Zehn Prozent aller Kinder in Deutschland kommen zu früh, also vor der 37. Schwangerschaftswoche, auf die Welt. Ein Prozent der Schwangerschaften endet sogar bereits vor der 32. Woche – die Medizin spricht dann von extrem zu früh Geborenen. Diese Kinder wiegen unter 1.500 Gramm und benötigen eine besondere medizinische Versorgung. Für die Eltern und Angehörige ist dies eine besonders herausfordernde Zeit. Die ersten Wochen und Monate des „Kennenlernens“, des Einfühlens und des Erkennens und Reagierens auf die Signale des Kindes sind durch die besondere Versorgungssituation im Krankenhaus beeinflusst. Zudem sind die Eltern in dieser Zeit nicht die einzigen Personen, mit denen die Kinder kommunizieren – auch medizinisches und pflegerisches Personal auf der Station nimmt Signale der Kinder zu unterschiedlichen Bedürfnissen wahr.

    Um Eltern dabei zu unterstützen, setzt ein Team aus dem Zentrum für feto/neonatale Gesundheit am Universitätsklinikum Dresden auf digitale Unterstützung. Ein auf die Entwicklungssignale Frühgeborener spezialisiertes Feinfühligkeitstraining wird den Eltern frühgeborener Kinder, die am Uniklinikum betreut werden, bereits seit 2012 durch das FamilieNetz angeboten. Im Rahmen der Corona-Pandemie haben Psychologinnen des Zentrums für feto/neonatale Gesundheit das analoge Angebot mit finanzieller Unterstützung des Kurt-Goldstein-Instituts digitalisiert und auf lokalen Servern für die Eltern verfügbar gemacht. In einer wissenschaftlichen Begleituntersuchung konnte ergänzend gezeigt werden, dass durch das digitalisierte Trainingsangebot SIGNAL-Train elterliches Wissen und die Selbstwirksamkeit verbessert werden.

    „Frühgeborene können wie reifgeborene Kinder nicht sprechen. Sie kommunizieren mit Lauten, aber auch mit Mimik und Gestik. Diese zu verstehen, ist für die Eltern enorm wichtig, um adäquat auf ihr Kind reagieren zu können. Empfinden Frühgeborene zum Beispiel Stress, strecken sie die Hände wie bei einem Stoppzeichen den Eltern entgegen“, sagt Dipl.-Psychologin Josephin Jahnke, Leiterin FamilieNetz. Sie promoviert zu den Erkenntnissen. SIGNAL-Train macht auf diese Zeichen aufmerksam und gibt Tipps, wie sich Eltern in der entsprechenden Situation verhalten können. „Konkret können sie beispielsweise ihre Hand großflächig auf den Bauch des Kindes legen oder auf eine andere Art für Begrenzung sorgen und so im besten Fall das Kind beruhigen“, sagt sie. Je mehr die Eltern die Interaktion mit und durch ihre Kinder verstehen, desto besser entwickeln sich diese während der Zeit auf Station und auch danach.

    Um dieses Angebot auch Eltern in den Partnereinrichtungen des Zentrums für feto/neonatale Gesundheit verfügbar zu machen, steht nun ein Online-Kurs zur Verfügung. Die Überführung ist mit Unterstützung der Deutschen Stiftung Kranke Neugeborene (DSKN) gelungen. Die DSKN hatte bereits vor zwei Jahren mit dem NEODIARY ein digitales Tagebuch für Eltern entwickeln lassen. Dieses Tagebuch können Eltern bundesweit als App kostenlos benutzen. Sie dokumentieren damit ihre Erlebnisse, Gedanken, Gefühle und Erfolge mit ihren Neugeborenen. „Das sensibilisiert für die kleinen und großen Erfolge und macht auch im Nachhinein sichtbar, welchen Weg die Eltern zusammen mit ihren Kindern bewältigt haben. Gerade im oft wochenlangen Alltag eines Klinikaufenthalts ist so etwas wichtig“, sagt Prof. Mario Rüdiger, Gründungsdirektor des Zentrums für feto/neonatale Gesundheit. Das NEODIARY wurde bereits modular konzipiert und durch die Firma aiddev so programmiert, dass jetzt eine Erweiterung um das Trainingsangebot SIGNAL-Train möglich war. Auf der vom 21. bis 24. Mai in Lübeck stattfindenden Jahrestagung der Gesellschaft für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin werden Expertinnen und Experten des Zentrums für feto-neonatale Gesundheit über ihre Erfahrungen mit dem NEODIARY berichten und aktuelle wissenschaftliche Ergebnisse zur Wirksamkeit des Trainingsangebots SIGNAL-Train vorstellen. Das SIGNAL-Train Tool ist dann für die kostenlose Nutzung bundesweit verfügbar.

    Expertise bei der Versorgung von Früh- und extrem früh Geborenen
    Im Uniklinikum wurden im vergangenen Jahr (2024) 385 Frühgeborene versorgt, davon wurden 98 Kinder mit einem Geburtsgewicht unter 1.500 Gramm geboren. Zahlenmäßig ist das Uniklinikum damit das größte Perinatalzentrum in Sachsen – neben Dresden werden Frühgeborene auch in Leipzig und Chemnitz behandelt. Die große Erfahrung ermöglicht es, dass auch Kinder, die bei Geburt weniger als 500 Gramm wiegen, gesund überleben. Sachsen hat die niedrigste Säuglingssterblichkeit in Deutschland. In Ostsachsen erfolgt die Versorgung von Schwangeren und Neugeborenen in enger Kooperation mit allen Partnern in der Region – koordiniert im deutschlandweit einzigen Zentrum für feto/neonatale Gesundheit. Diese Versorgungsstruktur ist beispielgebend für ganz Deutschland. Dies garantiert Müttern und Vätern die Sicherheit einer optimalen ärztlichen wie pflegerischen Versorgung, vor, während und nach der Geburt, unabhängig davon, ob es sich um eine Risiko- oder Mehrlingsschwangerschaft handelt oder um eine ganz normal verlaufende Schwangerschaft.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
    Zentrum für feto/neonatale Gesundheit
    Direktor: Prof. Dr. med. Mario Rüdiger
    Tel.: +49 351 458-3640 (Sekretariat)
    E-Mail: mario.ruediger@ukdd.de
    www.ukdd.de/fetoneoZentrum


    Weitere Informationen:

    http://Mehr Informationen zum Thema gibt es im Podcast
    https://der-neocast.podigee.io/42-starkung-elternkompetenz
    http://Informationen zum Online-Kurs gibt es unter: https://learning.neodiary.app/


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin, Pädagogik / Bildung
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungs- / Wissenstransfer
    Deutsch


     

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