Mit Russland befreundete Länder exportieren seit dem Beginn des Ukrainekriegs verstärkt Rüstungsgüter nach Russland – trotz westlicher Sanktionen. Das zeigt eine jetzt veröffentlichte Studie.
Gerade eben hat die Europäische Union ein neues Sanktionspaket gegen Russland verhängt – das mittlerweile siebzehnte. Bereits nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im Februar 2022 hatten USA und EU umfangreiche wirtschaftliche Sanktionen verhängt, kombiniert mit weitreichenden Exportverboten. Zentrales Ziel dieser Maßnahmen ist es, Russland den Zugang zu Technologien zu verwehren, die für die Herstellung und Wartung militärischer Ausrüstung unerlässlich sind. Dass diese Sanktionen nur begrenzt wirken, zeigt allerdings die Tatsache, dass auch jetzt noch westliche Technik in Drohnen und Raketen zu finden ist, die in der Ukraine zum Einsatz kommen.
Ob in diesem Fall Sanktionen gegen militärische Güter umgangen wurden, haben jetzt Wirtschaftswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler aus Würzburg, München und Princeton untersucht: Lisa Scheckenhofer, Feodora A. Teti und Joschka Wanner. Ihre Studie stellen sie in der aktuellen Ausgabe der AEA Papers & Proceedings vor.
Sanktionierte Militärgüter erreichen weiterhin Russland
Zentrales Ergebnis: „Wir präsentieren in dem Artikel Evidenz dafür, dass vom Westen sanktionierte Militärgüter den russischen Markt auf Umwegen weiterhin erreichen, indem sie indirekt über mit Russland befreundete Länder exportiert werden“, sagt Joschka Wanner, Juniorprofessor für Quantitative International and Environmental Economics an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU). In konkreten Zahlen sei die Wahrscheinlichkeit, dass diese Länder eine sanktionierte militärische Produktklasse nach Russland exportieren, im Vergleich zu neutralen Ländern nach dem Beginn des Ukrainekriegs um fast 20 Prozentpunkte gestiegen.
Für seine Studie hat das Team öffentlich verfügbare Handelsdaten von UN Comtrade für die Jahre 2021 bis 2023 herangezogen. Dabei handelt es sich um eine der weltweit größten Datenbanken für den internationalen Warenhandel, betrieben von den Vereinten Nationen. Die Stichprobe umfasst 122 Länder, unterteilt in verbündete, russlandfreundliche und neutrale Länder.
Illegale Aktivitäten sind nur schwer zu erfassen
Bei der Auswertung dieser Daten stellten zwei Aspekte das Forschungsteam vor besondere Herausforderungen: „Wenn Unternehmen Sanktionen umgehen, handelt es sich um eine illegale Aktivität, die naturgemäß schwer zu erkennen ist“, sagt Lisa Scheckenhofer. Es gebe jedoch Hinweise darauf, dass Logistikunternehmen in russlandfreundlichen Ländern den Transport westlicher Waren nach Russland nach Kriegsbeginn forciert haben. Dementsprechend sei ein Anstieg der Exporte westlicher Verbündeter in diese Länder und von dort nach Russland zu erwarten. „In unserer Analyse haben wir beide Ströme untersucht, um solche Muster zu erkennen“, so Scheckenhofer.
Die zweite Herausforderung war die Unterscheidung zwischen einem bewussten Umgehen von Sanktionen und einer regulären Verlagerung von Handelsströmen infolge gestiegener Kosten. „Um hier eine Unterscheidung treffen zu können, haben wir die Exporte von russlandfreundlichen und neutralen Ländern miteinander verglichen, die beide unveränderte Handelskosten mit Russland haben“, erklärt Feodora A. Teti. Demnach deutet auch in diesem Fall ein überproportionaler Anstieg der Exporte aus russlandfreundlichen Ländern nach Russland in Kombination mit höheren Exporten westlicher Verbündeter in diese Länder auf einen Verstoß gegen Sanktionen hin.
Die statistische Auswertung der UN Comtrade-Daten hat jedenfalls ein klares Ergebnis: „Nach Beginn des Krieges haben russlandfreundliche Länder im Vergleich zu neutralen Ländern militärische Güter mit einer um 20 Prozentpunkte höheren Wahrscheinlichkeit nach Russland exportiert“, sagt Joschka Wanner. Und auch westliche Länder, die die Sanktionen verhängt hatten, exportierten diese sanktionierten Produkte immerhin noch mit einer um vier Prozentpunkte erhöhten Wahrscheinlichkeit in russlandfreundliche Länder, verglichen mit Exporten in neutrale Länder.
Rückgang der Verstöße im Jahr 2023
Eine Art „Trost“ gibt es immerhin: „Wir finden auch Hinweise darauf, dass Verstöße gegen Sanktionen für militärische Güter im Jahr 2022 weiter verbreitet waren als im Jahr 2023“, so das Forschungsteam. Das zumindest deute darauf hin, dass politische Maßnahmen zur Eindämmung von Sanktionsverstößen wirksam gewesen sein könnten.
Trotzdem belegen die Ergebnisse dieser Studie nach den Worten der Verantwortlichen die dringende Notwendigkeit, Schlupflöcher für Drittländer zu schließen. Um diese Länder daran zu hindern, bestehende Handelsbeschränkungen zu umgehen, bieten sich ihrer Ansicht nach „proaktive Maßnahmen“ wie beispielsweise Sekundärsanktionen an. Diese bestrafen Länder, die selbst nicht der sanktionierenden Koalition angehören, in dem Fall, dass sie die Sanktionen nicht einhalten.
Prof. Dr. Joschka Wanner, Juniorprofessur für Quantitative International and Environmental Economics, T: +49 931 31-87172, joschka.wanner@uni-wuerzburg.de
Dodging Trade Sanctions? Evidence from Military Goods. Lisa Scheckenhofer, Feodora A. Teti, and Joschka Wanner. AEA Papers and Proceedings 2025, 115: 573–77, https://doi.org/10.1257/pandp.20251084
Merkmale dieser Pressemitteilung:
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