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02.06.2025 11:38

Besserer Schutz vor Raketenangriffen

Britta Widmann Kommunikation
Fraunhofer-Gesellschaft

    Satellitengestützte, elektro-optische Sensoren sollen Raketenstarts frühzeitig erkennen können. Dies verschafft wertvolle Zeit, um im Angriffsfall Gegenmaßnahmen einzuleiten. Am Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB werden im Auftrag des deutschen Verteidigungsministeriums Designkonzepte für solche Sensoren entwickelt. Was elektro-optische Sensoren leisten können und wie sie funktionieren, erklärt Caroline Schweitzer, Wissenschaftlerin am Fraunhofer IOSB, im Interview.

    Warum kommt der Forschung an elektro-optischen Sensoren im Sicherheitsbereich eine immer bedeutendere Rolle zu?

    Das sicherheitspolitische Umfeld Deutschlands und der NATO-Staaten hat sich in den vergangenen Jahren grundlegend verändert, es ist komplexer und volatiler geworden. Zahlreiche Länder, die nah genug an Europa liegen, um europäische Staaten angreifen zu können, sind in der Lage, eigene ballistische Raketen zu produzieren. Einzelne Risikostaaten besitzen oder entwickeln Raketensysteme mit großen Aktionsradien, die sie befähigen, Ziele in Europa zu erreichen. Mit Hinblick auf die veränderte Sicherheitsarchitektur in Europa wird der Einsatz von satellitenbasierten Frühwarnsystemen immer wichtiger. Elektro-optische (EO)-Sensorik spielt hier eine entscheidende Rolle.

    Was können EO-Sensoren leisten?

    In Satelliten integrierte elektro-optische Sensoren werden die bodengestützte Luftabwehr sinnvoll ergänzen. Sie können Raketenstarts erkennen, indem sie das Infrarotsignal des Raketenabgasstrahls detektieren. Dadurch können Feuerleitradare präzise voreingewiesen und die Gegenmaßnahmen schneller eingeleitet werden. Der Einsatz eines satellitenbasierten Frühwarnsystems mit EO-Sensorik würde die Vorwarnzeit für einen Raketenangriff verlängern, sodass wertvolle Zeit für die Initiierung von Gegenmaßnahmen gewonnen werden kann. Wenige Minuten können hier schon entscheidend sein.

    Wie funktionieren elektro-optische Sensoren?

    Elektro-optische Sensoren sind elektronische Detektoren, die Licht oder eine Änderung des Lichts in ein elektronisches Signal umwandeln. Unsere Technologiedemonstratoren kombinieren Infrarot-Kameratechnologie und intelligente Bildverarbeitungsalgorithmen, um genaue Zielinformationen zu liefern.

    Die Entwicklung solcher Sensoren ist komplex. Was muss man beachten?

    Wir optimieren das Sensordesign individuell anhand der geplanten Satellitenmissionen. Neben Orbithöhe und Blickwinkel des Satelliten berücksichtigen wir alle Umgebungsbedingungen, da diese entscheidend auf die Detektionsreichweite eines EO-Systems einwirken. Verschiedene Wolkenarten, Klimazonen, Jahreszeiten und Erdhintergründe sind Beispiele für diese beeinflussenden Faktoren.

    Welche Faktoren sind bei der Auslegung der Sensoren außerdem von Bedeutung?

    Die Sensoren detektieren im infraroten Wellenlängenbereich. In Abhängigkeit der Flughöhe des Satelliten muss das ideale Wellenlängenband unter Berücksichtigung von terrestrischen und der atmosphärischen Bedingungen definiert werden, um Mittel- und Langstreckenraketen schnellstmöglich erkennen zu können. Hierfür spezifizieren wir den infraroten Filter, der nur in bestimmten Wellenlängenbändern durchlässig ist. Wir schalten diesen Filter vor den Sensor, damit nur die für die Raketenfrühwarnung relevanten infraroten Wellenlängen durchgelassen werden. Auch weitere Größen wie die Integrationszeit des Sensors und die Vibration des Satelliten müssen wir berücksichtigen.

    Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit die Sensoren funktionieren?

    Eine belastbare Frühwarnung gelingt nur, wenn das Verhältnis zwischen dem Raketensignal und dem Hintergrund – dazu gehören etwa unterschiedliche Erdoberflächen und Wolkenbedeckungen – eine bestimmte Schwelle überschreitet. Um hier einen ausreichend hohen Wert zu erzielen, ist die Wahl der geeigneten Spektralbänder entscheidend. Wählt man die richtigen Spektralbänder, fällt es deutlich leichter, startende Raketen beispielsweise vor einem von der Sonne beschienenen Erdhintergrund zu detektieren.

    Wie testen Sie die Leistungsfähigkeit eines Sensorkonzepts für seinen Einsatz im Weltraum?

    Damit die Raketenfrühwarnung gelingt, ist eine vorherige Simulation erforderlich, die modelliert, wie der satellitenbasierte EO-Sensor die Erde beobachten würde. Zur Modellierung verwenden wir die Software MATISSE von Onera, die wir in Kooperation mit dem Hersteller weiterentwickeln. Wir setzen MATISSE zur Generierung von Bildsequenzen eines hypothetischen Einsatzszenarios ein – und zwar vom Raketenstart bis zum Ausbrennen der letzten Antriebsstufe. In diesen Sequenzen modellieren wir nicht nur die gesamte Beobachtungsgeometrie und die Raketensignatur entlang der Flugbahn, sondern auch den Einfluss der Atmosphäre auf die Erfassungsreichweite eines solchen Erdbeobachtungssystems. Die realistischen Bildsequenzen werten wir mit Bildverarbeitungsalgorithmen aus, um diese dann iterativ für das Bedrohungsszenario optimieren zu können. Es gilt dabei, den Alarm für eine erfolgte Raketendetektion schnellstmöglich ausgeben zu können.

    Wie vermeidet der Algorithmus Fehlalarme?

    Die Algorithmen sind auf die Hitzesignatur der Rakete ausgelegt. Wenn nun ein heißer Fleck über mehrere Bildsequenzen hintereinander zu sehen ist, deutet dies auf die sich bewegende Rakete hin. Verschwindet der Fleck hingegen nach kurzer Zeit, wurde der Fehlalarm etwa durch einen Sonnenreflex ausgelöst. Der Algorithmus gleicht dabei über eine Datenbank kontinuierlich ein zu erwartendes Flugprofil mit dem gerade detektierten ab.

    Sind von Ihnen konzipierte EO-Sensoren bereits im Einsatz?

    Tatsächlich haben wir beispielsweise das Designkonzept für den EO-Sensor des For-schungssatelliten ERNST entwickelt, der im August 2024 in den Weltraum gestartet ist. Der Kleinstsatellit des Fraunhofer-Instituts für Kurzzeitdynamik, Ernst-Mach-Institut, EMI soll unter anderem die Machbarkeit der Raketendetektion aus dem Orbit demonstrieren. Daneben sind wir noch in weiteren, von Industriepartnern geleiteten Konsortien tätig. Auf nationaler Ebene arbeiten wir etwa mit Airbus Defence and Space an einem geostationären Erdbeobachtungssystem.


    Weitere Informationen:

    https://www.fraunhofer.de/de/presse/presseinformationen/2025/juni-2025/besserer-...


    Bilder

    In Satelliten integrierte elektro-optische Sensoren können Raketenstarts erkennen, indem sie das Infrarotsignal des Raketenabgasstrahls detektieren.
    In Satelliten integrierte elektro-optische Sensoren können Raketenstarts erkennen, indem sie das Inf ...

    © Getty Images


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Elektrotechnik, Informationstechnik, Maschinenbau, Mathematik, Verkehr / Transport
    überregional
    Forschungsprojekte, Kooperationen
    Deutsch


     

    In Satelliten integrierte elektro-optische Sensoren können Raketenstarts erkennen, indem sie das Infrarotsignal des Raketenabgasstrahls detektieren.


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