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03.06.2025 10:24

Haben und sein im Hethitischen

Gunnar Bartsch Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

    Sprachformen des Hethitischen stehen im Zentrum eines neuen Forschungsprojekts am Lehrstuhl für Vergleichende Sprachwissenschaft der Universität Würzburg. Die Bedingungen dafür sind hier ideal.

    Es klingt komplizierter als es letztendlich ist: das periphrastische Perfekt. Wer einen Satz formulieren kann, wie beispielsweise: „Ich bin gestern auf die Alte Mainbrücke gegangen und habe dort einen Schoppen Wein getrunken“, hat damit schon bewiesen, dass er diese grammatikalische Form beherrscht.

    Das periphrastische Perfekt steht im Mittelpunkt eines neuen Forschungsprojekts am Lehrstuhl für Vergleichende Sprachwissenschaft der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) – konkret: „Das periphrastische Perfekt im Hethitischen: Entwicklung und Funktionen“, so der Titel des Projekts. Verantwortlich dafür ist Dr. Andrey Shatskov; die Laufzeit beträgt drei Jahre.

    In europäischen Sprachen weit verbreitet

    „Unter dem periphrastischen Perfekt versteht man, allgemein formuliert, eine zusammengesetzte Verbform, die aus einem Hilfsverb, zum Beispiel ‚haben‘ oder ‚sein‘, und dem Partizip Perfekt eines Vollverbs gebildet wird“, erklärt Shatskov den Hintergrund seiner Arbeit. Im Deutschen, im Englischen, überhaut in vielen europäischen Sprachen finde sich diese Konstruktion häufig, so der Sprachwissenschaftler – wie etwa „Ich habe gehört“, „I have heard“ oder „Ho sentito“.

    Shatskov allerdings interessiert sich für die Verwendung dieser Sprachform im Hethitischen – einer Sprache, die um das zweite Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung herum in einem Gebiet gesprochen wurde, das heute überwiegend der Türkei zugehörig ist. Er untersucht ihre Entwicklung über mehrere Jahrhunderte hinweg und plant, eine detaillierte Beschreibung dieser Entwicklung sowie der Funktionen des periphrastischen Perfekts im Hethitischen zu verfassen.

    Unabhängige Entwicklung in mehreren Sprachen

    Was ihn aus Sicht einer vergleichenden Sprachwissenschaft besonders daran fasziniert, ist die Tatsache, dass das periphrastische Perfekt zwar sowohl im Hethitischen als auch in vielen heutigen europäischen Sprachen zur Verwendung kommt. „Die Entwicklungen müssen sich jedoch parallel und unabhängig voneinander vollzogen haben. Das macht den Vergleich so spannend“, sagt er.

    Schriftliche Zeugnisse der Hethiter liegen in erster Linie in Form von Tonscherben vor, auf denen die Texte in Keilschrift festgehalten wurden. „Wir kennen aktuell rund 30.000 solcher Tontafeln“, erklärt Shatskov. Die Texte liegen häufig nur bruchstückhaft vor; es existieren jedoch auch längere Passagen, die zumeist aus Fragmenten rekonstruiert werden konnten. Sie alle will der Forscher in seine Untersuchungen einbeziehen.

    „Eine Vielzahl dieser Textfragmente stammt aus dem Archiv des Königshofs in Ḫattuša, dem heutigen Boğazkale in der Türkei“, erklärt Shatskov. Zu finden sind dort Texte verschiedener Genres: von historischen und diplomatischen bis hin zu mythologischen und administrativen Texten sowie Briefe, detaillierte Beschreibungen religiöser Feste und Orakelanfragen. Allen ist jedoch gemeinsam, dass sie auf die eine oder andere Weise mit dem Leben des Königs, der Königin und des Hofes verbunden sind.

    Zwei gute Gründe für die Uni Würzburg

    Dass Andrey Shatskov für seine Forschung an die Universität Würzburg gegangen ist, hat zwei wesentliche Gründe. Zum einen: „Der Lehrstuhl für Vergleichende Sprachwissenschaft mit seinem Leiter, Professor Daniel Kölligan, hat einen sehr guten Ruf und eine hohe Expertise“, sagt er. Sehr gut ausgestattet sei auch die Lehrstuhlbibliothek.

    Und zum zweiten: Professor Daniel Schwemer, Inhaber des Lehrstuhls für Altorientalistik der JMU, ist ein ausgewiesener Experte auf dem Gebiet der Hethitologie. Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus Mainz und Marburg hat er eine Datenbank entwickelt, auf die Andrey Shatskov regelmäßig zugreifen wird: den Thesaurus Linguarum Hethaeorum Digitalis.

    Die einzigartige Sammlung enthält so gut wie sämtliche bislang veröffentlichten Quellen, die in Keilschrift verfasst wurden und stellt diese Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern kostenlos und online zur Verfügung. Sie ermöglicht es Forschenden, Texte zu durchsuchen und verschiedene Filter für komplexere Abfragen anwenden.

    Das hilft natürlich auch Shatskov bei seiner Suche nach Perfekt-Varianten über die Jahrhunderte hinweg. Gut möglich, dass er dabei auch auf Formen stößt, die bisher nicht die Aufmerksamkeit erhalten haben, die sie seiner Ansicht nach verdienen. Kein Wunder, dass der Sprachwissenschaftler deshalb sagt: „In Würzburg sind alle meine Bedürfnisse erfüllt!“

    Zur Person

    Dr. Andrey Shatskov hat Allgemeine und Indoeuropäische Vergleichende Sprachwissenschaft an der Staatlichen Universität St. Petersburg und der Universität Leiden studiert. In seiner Promotion hat er sich mit infixierten Verben des Hethitischen beschäftigt.

    Shatskov war Forscher und leitender Forscher am Institut für Sprachwissenschaft in St. Petersburg (2006 bis 2023) und Forscher an der Universität Neapel „L’Orientale“ (04.2024 bis 03.2025). Seit Mai 2025 arbeitet er am Lehrstuhl für Vergleichende Sprachwissenschaft der Universität Würzburg.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Andrey Shatskov, andrei.shatckov@uni-wuerzburg.de


    Bilder

    Dr. Andrey Shatskov
    Dr. Andrey Shatskov
    Gunnar Bartsch
    Universität Würzburg


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Sprache / Literatur
    überregional
    Forschungsprojekte, Personalia
    Deutsch


     

    Dr. Andrey Shatskov


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