Eine Radionuklidtherapie mit dem radioaktiven Element Terbium könnte Lymphdrüsenkrebs wirksam bekämpfen. Das zeigen vielversprechende Ergebnisse aus Experimenten am Paul Scherrer Institut PSI in Zusammenarbeit mit dem Inselspital – Universitätsspital Bern. Die Ergebnisse erscheinen heute im Journal of Nuclear Medicine. Die Forschenden arbeiten nun daran, diese Art der Therapie für klinische Studien weiterzuentwickeln.
Jedes Jahr erkranken in der Schweiz knapp 2000 Menschen an Lymphdrüsenkrebs, etwa 570 davon sterben an der Krankheit. Am Zentrum für radiopharmazeutische Wissenschaften des PSI schlagen Forschende jetzt eine neue Therapie vor, die die Überlebenschancen vieler Betroffener vielleicht schon bald erhöhen könnte: eine Radioimmuntherapie mit dem Nuklid Terbium-161.
«Dabei wird die radioaktive Substanz Terbium-161 an einen Antikörper gekoppelt und in dieser Form in das Blut der Betroffenen gespritzt», erklärt Martin Béhé vom Zentrum für radiopharmazeutische Wissenschaften im Zentrum für Life Sciences am PSI. Der Antikörper dockt im Körper an eine Struktur an, die bei Tumorzellen des Lymphdrüsenkrebs besonders häufig vertreten ist: dem sogenannten CD30-Rezeptor. «So wird das radioaktive Terbium direkt an den Ort des Tumorgeschehens gebracht, um dort mit seiner radioaktiven Strahlung Krebszellen zu töten.» Gesunde Organe im Körper werden hingegen verschont.
Bei knapp einem Drittel aller Lymphdrüsenkrebspatientinnen und -patienten bilden die Tumorzellen den CD30-Rezeptor – hier bietet sich die neue Therapiemöglichkeit an. Das gilt auch für T-Zell-Lymphome, bei denen sich die T-Lymphozyten des Immunsystems bösartig verändern – diese Krankheit ist bisher nur schwer zu behandeln.
Strahlentherapie von innen
In der Klinik ist die Therapie mit Radionukliden bereits etabliert: Spitäler führen diese Form der Krebsbehandlung derzeit mit dem Nuklid Lutetium-177 durch, einer anderen radioaktiven Substanz. Der Wirkstoff wird eingesetzt bei Prostatakrebs und Tumoren, die aus hormonbildenden Zellen entstehen. Bei dem Zerfall des radioaktiven Lutetiums entstehen energiereiche schnelle Elektronen, sogenannte Beta-Teilchen, die grössere Tumore effektiv bekämpfen.
Einzelne Tumorzellen und kleine Krebszellcluster entgehen der Therapie mit Lutetium-177 allerdings und können später zu einem Rückfall der Krankheit führen. Daher ist diese Art der Radionuklidtherapie für Lymphdrüsenkrebs ungeeignet. Bei dieser Krebsart zirkuliert ein Teil der Tumorzellen im Blut, statt als grösserer, lokalisierbarer Tumor vorzuliegen.
Terbium-161 hat hier gegenüber Lutetium-177 einen entscheidenden Vorteil, denn es sendet nicht nur die Beta-Teilchen aus, sondern zusätzlich Konversions- und Auger-Elektronen. «Diese Strahlung reicht weniger als ein Mikrometer weit, also weniger als ein tausendstel Millimeter. Das ist gerade mal so viel, wie Tumorzelle gross ist», erklärt Martin Béhé. Terbium-161 wirkt so in seinem allernächsten Umfeld und eignet sich daher besonders gut dazu, kleinere Tumore gezielt zu bekämpfen.
«Terbium-161 feuert sozusagen präzisere Geschosse ab», umschreibt es Elisa Rioja-Blanco, ebenfalls vom Zentrum für radiopharmazeutische Wissenschaften und Erstautorin der Studie. Sogar einzelne Krebszellen im Blut liessen sich damit eliminieren, ohne dass es zu starken Nebenwirkungen kommt. «Wir erwischen so auch kleine Tumorherde, von denen die Ärztinnen und Ärzte vielleicht zu dem Zeitpunkt noch gar nichts wissen.»
Die Substanz hat eine Halbwertszeit von 6,9 Tagen, sprich alle 6,9 Tage halbiert sich seine Wirkung. Für eine Radionuklidtherapie ist das günstig. Das Medikament lässt sich nach seiner Produktion zu einem Spital transportieren, ohne dass seine Aktivität in der Zwischenzeit zu stark abnimmt. Anderseits fällt die Strahlung nach der Therapie in einem überschaubaren Zeitraum zügig wieder ab.
Eine starke Waffe gegen Krebszellen
Die PSI-Forschenden um Martin Béhé und Elisa Rioja-Blanco haben den Wirkstoff, bestehend aus Terbium-161 und einem Antikörper gegen den CD30-Rezeptor, am PSI selbst hergestellt. Anschliessend testeten sie ihn im Labor an drei Arten von Krebszellen, die CD30-Rezeptoren ausbilden. Es zeigte sich, dass der Wirkstoff die Krebszellen – abhängig von der Zellart − doppelt bis 43-mal so gut abtötete wie der analoge Wirkstoff mit Lutetium-177. Wie weiterführende Versuche zeigten, liegt das daran, dass der Terbium-Wirkstoff schwerere Schäden an der Krebszell-DNA verursachte, die diese nicht selbst reparieren kann.
Anschliessend testeten die Forschenden die Substanz an krebskranken Mäusen. «So sehen wir, wo sich die Substanz im Körper ansammelt und ob sie Tumore auch erreicht», erklärt Elisa Rioja-Blanco. Tatsächlich wurde die Substanz bevorzugt in das Tumorgewebe aufgenommen. Die Mäuse, die mit Terbium-161 behandelt wurden, überlebten im Durchschnitt doppelt so lang wie ihre Artgenossen, denen ein Lutetium-177-Wirkstoff gespritzt worden war. Einige der Mäuse waren nach der Behandlung sogar komplett krebsfrei.
Auf dem Weg zur klinischen Studie
Terbium-161 wird derzeit bereits in einigen klinischen Studien als Mittel gegen Krebs erprobt – die PSI-Forschenden haben die Substanz jetzt das erste Mal gezielt als Mittel gegen Lymphdrüsenkrebs ins Visier genommen. «Unsere Ergebnisse liefern gute Hinweise darauf, dass sich der Wirkstoff auch im Menschen als wirksames Mittel gegen Lymphome erweisen könnte», sagt Elisa Rioja-Blanco. Ob das tatsächlich der Fall ist, werden hoffentlich bald schon klinische Studien zeigen.
Die Lymphoma Challenge der ETH Zürich unterstützt das Projekt finanziell. Jetzt hat sich das Team bereits eine Nachfolgefinanzierung von Innosuisse gesichert, um die Substanz weiter zu untersuchen und zu optimieren, damit sie in Zukunft kommerzialisiert und im Menschen getestet werden kann.
Text: Brigitte Osterath
Dr. Elisa Rioja-Blanco
Center for Life Sciences
Paul Scherrer Institut PSI
+41 56 310 21 78
elisa.rioja-blanco@psi.ch [Englisch, Spanisch]
Dr. Martin Béhé
Center for Life Sciences
Paul Scherrer Institut PSI
+41 56 310 28 17
martin.behe@psi.ch [Deutsch, Englisch]
Terbium-161 radioimmunotherapy as a novel treatment for CD30+ lymphomas
Elisa Rioja-Blanco, Yara Banz, Christoph Schlapbach, Urban Novak, Tanja Chiorazzo, Pascal V. Grundler, Nicholas P. van der Meulen, Michal Grzmil, Roger Schibli, Martin Béhé
Journal of Nuclear Medicine, 02.06.2025 (online)
DOI: 10.2967/jnumed.124.268805
https://www.psi.ch/de/news/medienmitteilungen/mit-terbium-gegen-lymphdruesenkreb...
Dr. Elisa Rioja-Blanco und Dr. Martin Béhé
Mahir Dzambegovic
© Paul Scherrer Insitut PSI
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Medizin, Physik / Astronomie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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