Am Fraunhofer ILT ist der Betrieb eines Quanteninternetknotens gestartet, den es mit dem niederländischen Partner TNO entwickelt hat. Das System ist nahezu baugleich mit Netzwerkknoten, mit denen das Forschungszentrum QuTech eine Quanten-Verschränkung zwischen Den Haag und Delft demonstriert hatte. Der neue Knoten dient als Forschungsplattform. Das Fraunhofer ILT wird ihn mit Partnern aus Industrie und Wissenschaft in einem lokalen Netzwerk erproben und technisch weiterentwickeln. Im Fokus stehen photonische Komponenten: Quantenfrequenzkonverter, Laser, Optiken oder Einzelphotonenquellen.
Noch ist das Quanteninternet ein Zukunftsprojekt. Verschränkte Quanten sollen Daten darin vor unbefugtem Zugriff schützen. Einen wichtigen Meilenstein auf diesem Weg hat das niederländische QuTech erreicht: Über 25 km herkömmliche Telekomglasfaser hat es zwei stationäre Qubits in Delft und Den Haag miteinander verschränkt – also in einen gemeinsamen Quantenzustand versetzt. Als Transportmedium dienten Photonen, die mit dem Quantenzustand des NV-Zentrums verschränkt waren. Durch die gezielte Überlagerung der Photonen war es möglich, die Verschränkung jeweils auf die Qubits der Netzknoten zu übertragen.
Solange eine solche Verbindung besteht, gilt die Übertragung als abhörsicher. Denn jeder Versuch, die Verschränkung zu stören oder zu kopieren, zerstört sie unmittelbar. »Ein durch Quantenverschränkung gesichertes Internet würde sichere Remote-Zugriffe auf Quantencomputer ermöglichen – künftig auch über Photonic Clients – sodass die begrenzt verfügbare Hardware für viele Nutzende zugänglich wird«, erklärt Dr. Bernd Jungbluth, Leiter der Strategic Mission Initiative Quantentechnology am Fraunhofer ILT. Darüber hinaus gilt das Quanteninternet als Enabler einer neuen Generation digitaler Anwendungen, die mit klassischer Infrastruktur nicht realisierbar wäre. So ließe es sich sicherstellen, dass übertragene Informationen vollständig und nicht wiederherstellbar gelöscht werden. Auch anonyme Informationsweitergabe, etwa beim Whistleblowing, wäre mit quantenphysikalischen Methoden zu gewährleisten. Als vielversprechend gilt auch das Blind Quantum Computing. Hierbei können Anwendende auf Rechenleistung entfernter Quantencomputer zugreifen, ohne dass deren Betreiber die Eingabedaten, Algorithmen oder Ergebnisse einsehen können. Und auch das Zusammenschalten von mehreren verteilten Quantenrechnern zu einem hochperformanten Gesamtsystem zählt zu den denkbaren Zukunftsanwendungen.
Photonische Schlüsselkomponenten
Im Zentrum der Quanteninternet-Entwicklung stehen photonische Netzknoten wie in Den Haag, Delft und nun in Aachen. Ihr jeweiliges Herzstück sind Qubits auf Basis von gezielt ins Kristallgitter von Diamanten eingebrachten Farbzentren. Bisher handelt es sich um Stickstoff-Fehlstellen (NV-Zentren), aber auch andere Defekte sind denkbar. Infolge von Anregung entsteht an solchen Fehlstellen ein zusätzliches Elektron – und damit ein Quantensystem, dessen Energiezustände die Forschenden mit Laserlicht, Mikrowellen sowie elektrischen und magnetischen Feldern kontrollieren können. Folgen sie hierbei entsprechenden Protokollen, emittiert das angeregte Farbzentrum on-demand einzelne Photonen im sichtbaren Spektralbereich, die jeweils mit dem Elektronenspin in diesem System verschränkt – und somit für die Verschränkung mit anderen, über die Glasfaser angebundenen Knoten nutzbar sind.
Allerdings stößt diese photonische Übertragung bei längeren Strecken an Grenzen. Die Lösung kommt vom Fraunhofer ILT: Ein nahezu rauschfreier Quantenfrequenzkonverter verschiebt die Wellenlänge der Photonen ins verlustarme Telekom-Spektrum um 1.550 nm. »Für den Austausch der Überlagerungszustände zwischen den Netzknoten müssen wir so viele Photonen wie irgend möglich ans andere Ende der Leitung bringen«, sagt Jungbluth.
Im Zuge eines vom Land NRW geförderten Projekts hat sein Team nun gemeinsam mit dem TNO den neuen Netzknoten entwickelt. Neben dem Quantenfrequenzkonverter kommen darin optische Baugruppen des ILT zum Einsatz. Nach dem Aufbau, Test und erfolgreichen Inbetriebnahme am TNO in Delft hat das Team das System nach Aachen überführt und am Fraunhofer ILT installiert. Hier ist es in eine lokale Faserinfrastruktur eingebunden. Das Ziel ist es, den Knoten im lokalen Netzwerk zu erproben und ihn mit Partnern aus Industrie und Wissenschaft weiterzuentwickeln. Dabei wird der Fokus auf photonischen Schlüsselkomponenten liegen. Neben dem Quantenfrequenzkonverter auch die Einzelphotonenquellen, Detektoren sowie die eingesetzten Laser und Optiken. In Kooperation mit der Nachwuchsgruppe von Dr. Florian Elsen an der RWTH Aachen University wird sich das Team zudem mit Schnittstellen zu anderen Qubit-Plattformen befassen – um Grundlagen für künftige heterogene Quantennetzwerke zu erarbeiten.
Keimzelle für das Quanteninternet der Zukunft
Um den Knoten in Aachen herum entsteht ein offenes Test- und Entwicklungsumfeld für photonische Quanten-Hardware. Die Plattform steht nicht nur für Partner aus NRW offen, sondern auch für europäische Forschungseinrichtungen und Unternehmen. Ziel ist es, Schnittstellen, Protokolle und Komponenten für das Quanteninternet der Zukunft gemeinsam zu erarbeiten und von Beginn an deren Kompatibilität im Blick zu behalten. »Damit leistet das Fraunhofer ILT einen konkreten Beitrag zur europäischen Vernetzung – wie sie auch die Quanteninternet Alliance (QIA) verfolgt«, sagt Jungbluth. Nachdem mit der Knotentechnologie die Basis geschaffen sei, biete sich nun die Gelegenheit, sie als zentrales Bindeglied in einem künftigen europäischen Testnetzwerk zu etablieren.
Der Start des Betriebs in Aachen markiert auch für das Quantentechnologieland NRW einen Meilenstein: Als erster seiner Art und kann der Knoten potenziell als Startpunkt für den Aufbau des Quanteninternets in Deutschland dienen. »Perspektivisch ist es angedacht, ihn in ein Metropolitan Scale Quantum Network einzubinden«, berichtet Jungbluth. Zunächst stehe aber die Erprobung, Optimierung und Miniaturisierung der photonischen Building Blocks im Vordergrund. Diese Arbeiten dienen zugleich dem Know-how-Transfer aus der Grundlagenforschung in die Industrie – ein Bereich, auf den das Fraunhofer ILT seit über 40 Jahren spezialisiert ist.
Komplexer Übertragungsprozess
Viele Herausforderungen beim Aufbau faserbasierter Quantennetzwerke, darunter die Phasenstabilisierung und das extrem präzise Timing der Photonen, sind nur mithilfe der Photonik lösbar. Die nötige Genauigkeit liegt im Nanometer-Bereich. Das ist kürzer als eine einzige Schwingungsperiode des Lichts – aber für den Verschränkungsaustausch erfolgsentscheidend: Dafür müssen ununterscheidbare Photonen aus verschiedenen Knoten exakt in derselben Phase an Detektoren in der Mitte der Leitung eintreffen und in einer Bell-Zustandsmessung überlagert werden. Hierbei darf nicht feststellbar sein, welchem Knoten das Photon entstammt. Daraus ergeben sich höchste Anforderungen an die Stabilität der stationären Qubits. Diese sind hochempfindlich: schon geringste Veränderungen im Magnetfeld oder der Temperatur ziehen messbare Veränderungen der emittierten Wellenlänge nach sich. Zugleich dürfen nur von den Qubits emittierte Photonen in die Glasfaser gelangen. Lampen oder eingeschaltete Smartphones in Nähe der Detektoren sind tabu, damit die verschränkten Photonen nicht in einem Meer aus Rauschen verschwinden.
Mit Blick auf die hoch entwickelte Photonik-Industrie in Deutschland und Europa und ihr seit Jahrzehnten aufgebautes Know-how hält Jungbluth die Herausforderungen für lösbar. Es gehe nun darum, die Technik so robust und leistungsfähig zu machen, dass Unternehmen diese mit vertretbarem Zeit- und Kostenaufwand in marktreife Produkte überführen können. Sein Team wird dabei auch mit Delft Networks zusammenarbeiten. Zum Gründerteam des QuTech Spin-off gehören Ronald Hanson, der die erfolgreiche Verschränkung zwischen Delft und Den Haag verantwortete sowie Stephanie Wehner, die Direktorin der Quanteninternet Alliance (QIA). Die beiden bringen mit ihrem Team geballte Expertise rund um Protokolle und Algorithmen für Quantennetzwerke sowie die Knoten-Hardware ein. »Wir selbst werden unsere Kompetenzen am Fraunhofer ILT nutzen, um photonische Enabling Technologies und Subsysteme weiterzuentwickeln«, erklärt er.
Chance für Deutschland – Akteure treffen sich auf der World of Quantum
Das Quanteninternet ist eine Chance für die deutsche und europäische Industrie. Denn sie kann beim Aufbau dieser sicheren Netzwerke auf umfassende Lösungskompetenz hochspezialisierter Photonik-Anbieter zurückgreifen: Expertise für das Timing und die Frequenzkontrolle im quanten-gesicherten Internet ist ebenso verfügbar, wie Laser und Optiken oder das messtechnisches Know-how zur Detektion der Einzelphotonen und Quantenzustände. Gleiches gilt für das System-Packaging und die Fertigungstechnik. Gerade NRW rechnet sich durch seine zentrale Lage in Europa und seine hohe Dichte an Hochschulen, Forschungsinstituten und photonischen Unternehmen gute Chancen beim Aufbau des Quanteninternets der Zukunft aus.
Viele Anbieter kommen vom 24.-27. Juni 2025 auf der World of Quantum in München zusammen. »Das Fraunhofer ILT treffen Sie dort auf dem Quantum Future Boulevard in Halle A1.439-1, wo wir zusammen mit EIN Quantum NRW auch unseren rollierenden Roadmapping-Prozess und unser aktuelles Positionspapier vorstellen«, sagt Jungbluth. Er lädt Interessierte herzlich ein, sich am Stand über Möglichkeiten zur Zusammenarbeit am Quanteninternetknoten und weiteren Projekten in diesem Bereich zu informieren.
Fachlicher Kontakt
Dr. rer. nat. Bernd Jungbluth
Gruppenleiter NLO und abstimmbare Laser Leiter des Kompetenzfeldes
Strategic Mission Quantentechnology am Fraunhofer ILT
Telefon +49 241 8906-414
bernd.jungbluth@ilt.fraunhofer.de
Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT
Steinbachstraße 15
52074 Aachen
www.ilt.fraunhofer.de
https://www.ilt.fraunhofer.de/
Das stationäre Qubit des Quanteninternetknotens mit einem Farbzentrum. Solche Defekte in Zuchtdiaman ...
© Fraunhofer ILT, Aachen / Ralf Baumgarten.
Nun wird das Fraunhofer ILT das System mit Partnern aus der Industrie und Forschung systematisch opt ...
© Fraunhofer ILT, Aachen / Ralf Baumgarten.
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
Elektrotechnik, Informationstechnik, Physik / Astronomie
überregional
Forschungsprojekte, Kooperationen
Deutsch
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