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04.06.2025 11:05

Fluoreszenzlicht macht unsichtbaren Rauch in großen Höhen sichtbar– wie aktuell von Kanadischen Waldbränden über Europa

Tilo Arnhold Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Leibniz-Institut für Troposphärenforschung e. V.

    Leipzig. Mit der Fluoreszenz-Lidar-Technik lässt sich nicht nur die Herkunft von Partikeln in der Atmosphäre besser bestimmen. Das Verfahren kann auch bisher praktisch unsichtbare Partikelschichten sichtbar machen. Das schlussfolgert ein Team vom Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) aus der Auswertung von 250 Stunden an Lidar-Messungen über Leipzig in den Jahren 2022 und 2023. Die Forschenden hatten dabei mehrfach sehr dünne Rauchschichten in großen Höhen beobachtet, die von Waldbränden in Kanada stammten, aber mit klassischen Methoden nicht zu sehen waren.

    Dies deute darauf hin, dass die obere Troposphäre über Europa möglicherweise stärker verschmutzt ist als bisher angenommen, insbesondere während der sommerlichen Waldbrandsaison, schreibt das Forschungsteam im Fachjournal „Atmospheric Chemistry and Physics“.
    Die Beobachtungen lassen vermuten, dass dünne Rauchschichten die Bildung von Eiswolken begünstigen können. Die Fluoreszenz-Methode biete große Chancen für eine detailliertere Untersuchung solcher Wechselwirkungen zwischen Aerosolen und Wolken.
    Auch aktuell zeigen die Messungen in Leipzig wieder Waldbrand-Rauch aus Kanada. Dieser Rauch ist also nicht nur auf Satellitenbildern zu sehen, sondern kann jetzt mit der Fluoreszenz-Lidar-Technik genauer erforscht werden.

    Aerosolpartikel beeinflussen den Energie- und Wasserhaushalt der Erde: Sie streuen und absorbieren die Strahlung und beeinflussen damit die Energiebilanz auf globaler Ebene. Indem sie als Wolkenkondensationskerne (CCN) oder Eiskeime (INPs) dienen, können diese Partikel die mikrophysikalischen Eigenschaften von Wolken beeinflussen und sie mehr oder weniger reflektierend machen. Ob der Tropfen um einen Partikel in einer Wolke flüssig bleibt oder gefriert, verändert die Klimawirkung dieser Wolke stark. Neuere Studien deuten darauf hin, dass das heterogene Gefrieren in hohen Eiswolken, insbesondere durch Rauchpartikel von großen Waldbränden, noch genauer erforscht werden muss.
    Ein Ansatz dazu ist die Verwendung von Lidar-Geräten, die per Laser vom Boden oder Satelliten aus Aerosole und Wolken aus der Ferne beobachten. So auch in Leipzig: MARTHA ("Multiwavelength Atmospheric Raman Lidar for Temperature, Humidity, and Aerosol Profiling") ist das größte und älteste Lidar am TROPOS in Leipzig. Es sendet Laserlicht auf drei Wellenlängen (355, 532 und 1064 Nanometer) aus und sammelt das zurückgestreute Licht mit einem großen Hauptspiegel von 80 Zentimetern Durchmesser. Im Empfänger wird dieses an den Partikeln in der Atmosphäre zurückgestreute Laserlicht analysiert, indem es mithilfe von präzisen Optiken nach verschiedenen Wellenlängen sortiert wird: Anhand der Polarisation (Drehung) und dem unterschiedlichem Streuverhalten bei den verschiedenen Laserwellenlängen kann auf die Art der Partikel geschlossen werden. Aber die Unterscheidung in hohen Schichten zwischen Rauch und vulkanischen Sulfaten sowie in tiefen Schichten zwischen Rauch und städtischer Verschmutzung ist nach wie vor schwierig, da sich die typischen Wertebereiche für Polarisation, Rückstreu- und Absorptionseffizienz der verschiedenen Partikelarten überschneiden. Diese Lücken können nun per Fluoreszenz geschlossen werden. Dabei wird der Effekt genutzt, dass Moleküle nach der Laser-Bestrahlung auf längeren Wellenlängen nachleuchten können, ähnlich wie es bestimmte Stoffe im UV-Licht einer Diskothek tun. Das erste moderne Mehrkanal-Atmosphären-Lidar-System mit Fluoreszenztechnologie wurde am Lindenberg-Observatorium des Deutschen Wetterdienstes (DWD) vor über einem Jahrzehnt implementiert. Seitdem arbeiten verschiedene Forschungsgruppen weltweit daran, diese Technologie weiter zu entwickeln.
    Das MARTHA-System in Leipzig erhielt im August 2022 einen zusätzlichen Empfangskanal, der die Fluoreszenzrückstreuung messen kann. Dabei kommt ein Interferenzfilter zum Einsatz, der bei 466 Nanometern zentriert ist, um einen Teil des Fluoreszenzspektrums von Aerosolpartikeln herauszufiltern. Aufgrund der großen Bandbreite des Fluoreszenzkanals und der geringen Intensität des Fluoreszenzsignals sind Messungen nur während der Nacht möglich. Tagsüber würde die gestreute Sonnenstrahlung zu viel Rauschen im Fluoreszenzkanal verursachen. Da das MARTHA-System manuell bedient wird, ist die Zahl der Messungen begrenzt: Von August 2022 bis Oktober 2023 wurden etwa 50 Messungen durchgeführt, die mehr als 250 Stunden an atmosphärischen Fluoreszenzbeobachtungen erbrachten. Die Ergebnisse wurden jetzt veröffentlicht. Dabei konzentrieren sich die Forschenden auf vier Fallbeispiele:
    Im Frühjahr und Sommer 2023 wüteten riesige Waldbrände in ganz Kanada vor allem in den Provinzen Alberta und British Columbia. Mit den vorherrschenden Westwinden wurden große Mengen an Waldbrand-Rauch aus der verbrannten Biomasse nach Europa transportiert. Infolgedessen beobachteten die Forschenden von Mitte Mai bis September 2023 häufig Rauchschichten von Waldbränden über Leipzig, so zum Beispiel am 04./05. Juli 2023. In dieser Nacht erstreckte sich eine über 2 km dicke Rauchschicht in der Atmosphäre über Leipzig, die sich durch eine besonders starke Fluoreszenz auszeichnete. „Neben der Bedeutung für die Identifizierung von Aerosoltypen deuten unsere Ergebnisse auf eine weitere Fähigkeit der Fluoreszenz-Lidar-Technik hin: die Erkennung optisch dünner Aerosolschichten. In mehreren Messungen mit dem neuen Fluoreszenzkanal zeigte ein erhöhtes Fluoreszenzsignal das Vorhandensein von Aerosolschichten an, die bei der ausschließlichen Verwendung der bisherigen Standardtechnik unbemerkt blieben“, berichtet Benedikt Gast vom TROPOS.
    Besonders eindrucksvoll zeigte sich das am 21. September 2022: Mit klassischen Methoden betrachtet schien die obere Troposphäre ziemlich sauber zu sein. Nur die verschmutzte Grenzschicht am Boden und einige dünne Schichten bis zu 4 km Höhe wiesen auf Aerosol hin. „Ein erhöhter Fluoreszenz-Rückstreukoeffizient enthüllte jedoch mehrere andere fluoreszierende Aerosolstrukturen in der gesamten mittleren und oberen Troposphäre in etwa 5, 7, 9 und 10 km Höhe. Die höheren Schichten wären ohne die zusätzlichen Fluoreszenzinformationen vermutlich nicht als Aerosolschichten erkannt worden. Das demonstriert, dass mit Fluoreszenz-Messungen solche dünnen Aerosolschichten leichter aus den Vorschaubildern identifiziert und für eine detaillierte Analyse ausgewählt werden können“, unterstreicht Dr. Cristofer Jimenez vom TROPOS.
    Aufgrund ihrer geringen optischen Dicke haben solche dünnen, sehr hohen Aerosolschichten möglicherweise keine relevante direkte Strahlungswirkung, aber die darin enthaltenen Partikel könnten die Wolkenbildung beeinflussen, z. B. indem sie als Eiskeime dienen. In beiden Beispielen kennzeichneten die Messungen des Fluoreszenzrückstreukoeffizienten dünne Waldbrandrauchschichten in relativ großen Höhen um die Tropopause. Dieser Höhenbereich ist häufig ein geeigneter Ort für die Bildung von Zirruswolken. Die Relevanz von Rauchpartikeln, als Eiskeime zu fungieren, wird in der Forschung noch diskutiert. Bisher gilt Waldbrandrauch bei Temperaturen über -30 °C im Vergleich zu anderen Aerosolarten wie Mineralstaub als eher ineffizient. Die neuen Beobachtungen geben nun Anlass, eine mögliche Wirkung von Rauchpartikeln als Eiskeime für die Bildung von Zirruswolken weiter zu untersuchen.
    Denn mehrere Beobachtungen zeigten Zirruswolken direkt unterhalb von Rauchschichten. Als ein Beispiel wird die Messung in der Nacht vom 29./30. Mai 2023 präsentiert. Laut Angaben der Forschenden ist dies das erste Mal, dass die Wirkung optisch dünner Rauchschichten auf Zirruswolken per Fluoreszenz untersucht wurde.
    Zu Beginn der Messung waren Teile der Zirruswolken sogar in die Rauchschicht eingebettet. Da reines Wasser oder auch die kleinen Eiskristalle in Zirruswolken nicht fluoreszieren, können mit der Fluoreszenz-Technik auch Aerosolpartikel innerhalb der Wolke detektiert werden. Der Höhenverlauf der Fluoreszenzrückstreuung, eine geringe Anzahl an Eiskristallen sowie die Anordnung der Rauch- und Wolkenschicht und deren zeitlicher Verlauf deuten darauf hin, dass die Rauchpartikel die Wolkenbildung ausgelöst haben könnten, indem sie als Eiskeime dienten.
    Zusammenfassung und Ausblick:
    Die Leipziger Messungen von 2022/23 zeigten, dass für herkömmliche Lidarsysteme unsichtbare, optisch dünne Rauchschichten in großen Höhen häufiger als gedacht auftreten. Dies deutet darauf hin, dass die Atmosphäre über Europa möglicherweise stärker verschmutzt ist als bisher angenommen, insbesondere während der Waldbrandsaison im Sommer. Auch wenn diese dünnen Schichten keinen großen direkten Einfluss auf das einfallende Sonnenlicht haben, so könnten Rauchpartikel aber in diesen Höhen zu einer zusätzlichen Quelle für Wolken in einer ansonsten relativ sauberen Atmosphäre werden und dann doch Einfluss auf das einfallende Sonnenlicht und damit das Klima am Boden haben. Die Untersuchung solcher Aerosolschichten mit Fluoreszenz-Lidaren könnte mehr Klarheit bringen. Mehrere Beobachtungen von Zirruswolken direkt unter Rauchschichten deuten darauf hin, dass dieser Rauch in solchen Fällen die primäre Quelle von Eiskeimen sein könnte und heterogenes Gefrieren der dominierende Prozess ist. Um diesen möglichen Aerosol-Wolken-Effekt genauer zu erforschen, wäre ein größerer Datensatz von Vorteil und könnte stärkere Beweise und detailliertere Einblicke in diese Hypothese liefern.
    Das MARTHA-System am TROPOS in Leipzig wird deshalb seit Ende 2023 grundlegend modernisiert. Dank der Förderung des Freistaats Sachsen konnten ein neuer, noch leistungsstärkerer Laser und ein 32-Kanal-Spektrometer angeschafft werden, wodurch detaillierte Aerosolmessungen vom Boden bis in die Stratosphäre möglich werden. „Damit können wir nun in den nächsten Jahrzehnten alle Trends im Klimasystem - verursacht durch Waldbrandaerosol und Vulkanaerosol in der oberen Troposphäre und unteren Stratosphäre - über Sachsen und Mitteleuropa präzise dokumentieren“, erläutert Albert Ansmann vom TROPOS. Durch die jetzt publizierte besondere Sensitivität für Rauch von Waldbränden ist die Fluoreszenz-Lidar-Technik ein entscheidendes Werkzeug für diese ehrgeizige wissenschaftliche Zielstellung.
    Die mittels der neuen Fluoreszenz-Technologie erworbenen Kenntnisse bilden eine wichtige Grundlage für den im Herbst 2024 gestarteten Leibniz-WissenschaftsCampus ‚BioSmoke‘ - ein von der Leibniz-Gemeinschaft gefördertes Forschungsnetzwerk in Leipzig, das unter Federführung des TROPOS zusammen mit der Universität Leipzig, dem Deutschen Biomasseforschungszentrum und dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) die Auswirkungen von Rauchaerosol und biogenen Partikeln auf die Atmosphäre untersucht. Ein Großteil der im Rahmen von ‚BioSmoke‘ adressierten Forschungsfragen befasst sich dabei direkt oder indirekt mit den Fluoreszenzmessungen des MARTHA-Lidars, um so mehr über die Emission, den Transport und die Wechselwirkungen von Rauch mit den Atmosphären-Prozessen zu erfahren.
    Tilo Arnhold

    Weitere Informationen und Links:

    Neuer Leibniz-Wissenschaftscampus erforscht Waldbrände und Klima (Pressemitteilung, 20.03.2024):
    https://www.tropos.de/aktuelles/pressemitteilungen/details/neuer-leibniz-wissens...
    >
    https://www.leibniz-gemeinschaft.de/forschung/leibniz-wissenschaftscampi/rauch-u...

    Rauch von kanadischen Waldbränden schwebt seit Wochen über Deutschland. (Pressemitteilung, 29.06.2023):
    https://www.tropos.de/aktuelles/pressemitteilungen/details/rauch-von-kanadischen...


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Benedikt Gast / Dr. Cristofer Jimenez
    Wissenschaftliche Mitarbeitende, Fernerkundung atmosphärischer Prozesse (RSD), Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS), Leipzig
    Tel. +49-341-2717- 7462, - 7368
    https://www.tropos.de/institut/ueber-uns/mitarbeitende/cristofer-jimenez

    und
    Dr. Albert Ansmann
    Abteilung Fernerkundung atmosphärischer Prozesse (RSD), Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS), Leipzig
    Tel. +49-341-2717-7064
    https://www.tropos.de/institut/ueber-uns/mitarbeitende/albert-ansmann

    oder
    Tilo Arnhold, TROPOS-Öffentlichkeitsarbeit
    Tel. +49 341 2717-7189
    http://www.tropos.de/aktuelles/pressemitteilungen/


    Originalpublikation:

    Gast, B., Jimenez, C., Ansmann, A., Haarig, M., Engelmann, R., Fritzsch, F., Floutsi, A. A., Griesche, H., Ohneiser, K., Hofer, J., Radenz, M., Baars, H., Seifert, P., and Wandinger, U.: Invisible aerosol layers: improved lidar detection capabilities by means of laser-induced aerosol fluorescence, Atmos. Chem. Phys., 25, 3995–4011, https://doi.org/10.5194/acp-25-3995-2025 , 2025.
    Die Untersuchungen wurden gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in der FONA-Strategie „Forschung für Nachhaltigkeit“ (Förderkennzeichen 01LK2001A), vom Freistaat Sachsen aus Steuermitteln auf der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushalts (Sächsische Aufbaubank: Zuschuss-Nr. 100669383) und der Leibniz-Gemeinschaft im Rahmen des Leibniz-WissenschaftsCampus „Smoke and bioaerosols in a changing climate“ (BioSmoke) (Projektnummer W86/2023).


    Weitere Informationen:

    https://www.tropos.de/aktuelles/pressemitteilungen/details/fluoreszenzlicht-mach...


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    Anfang Juni 2025 konnte wieder Rauch von kanadischen Waldbränden in der Atmosphäre über Leipzig beobachtet werden.
    Anfang Juni 2025 konnte wieder Rauch von kanadischen Waldbränden in der Atmosphäre über Leipzig beob ...
    Benedikt Gast, TROPOS
    Benedikt Gast, TROPOS

    MARTHA ("Multiwavelength Atmospheric Raman Lidar for Temperature, Humidity, and Aerosol Profiling") ist das größte und älteste Lidar am TROPOS in Leipzig.
    MARTHA ("Multiwavelength Atmospheric Raman Lidar for Temperature, Humidity, and Aerosol Profiling") ...
    Tilo Arnhold, TROPOS
    Tilo Arnhold, TROPOS


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Geowissenschaften, Meer / Klima, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Anfang Juni 2025 konnte wieder Rauch von kanadischen Waldbränden in der Atmosphäre über Leipzig beobachtet werden.


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