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08.09.2004 09:01

Bypass-Operation ohne Herz-Lungen-Maschine bei alten Menschen

Ingrid Godenrath Stabsstelle Zentrale Kommunikation
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

    Hallesche Ärzte favorisieren bei alten Patienten Bypass-Operation ohne Herz-Lungen-Maschine
    Individuelle Operationsstrategie für eine älter werdende Bevölkerung

    Zur aktuellen Diskussion um die Häufigkeit der Verwendung der Herz-Lungen-Maschine bei einer Bypass-Operation melden sich die Ärzte der Universitätsklinik und Poliklinik für Herz- und Thoraxchirurgie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg zu Wort. Sie arbeiten schon seit zwei Jahren an einer Studie, die Operationsergebnisse mit und ohne Einsatz der Herz-Lungen-Maschine vergleicht. Das Zwischenergebnis hat gezeigt, dass insbesondere Hochrisikopatienten - und das sind oft alte Menschen - von der sogenannten Off-pump-Operation, also der Operation ohne Herz-Lungen-Maschine, profitieren.

    "Die Herz-Lungen-Maschine ist ein wichtiges und gutes Gerät für unsere Arbeit", stellt Prof. Dr. Rolf-Edgar Silber gleich zu Anfang klar. "Viele Operationen sind ohne diese Maschine nicht möglich. Aber wir sind überzeugt, dass es oftmals nicht notwendig ist, das Herz still zu stellen. Im Gegenteil: der Einsatz der Herz-Lungen-Maschine bringt viele Nebenwirkungen und Risiken mit sich."

    Zahlreiche Operationen innerhalb der Herzkammern, an den Herzklappen und an den großen Gefäßen sind nur bei nichtschlagendem Herzen durchführbar. Für diese Eingriffe werden das Herz und die Lungen aus dem normalen Kreislauf ausgeschaltet und stillgelegt. Ihre Funktion übernimmt eine externe Herz-Lungen-Maschine. Das gesamte Blut des Patienten wird während der Operation durch diese Maschine gepumpt und das birgt viele Risikofaktoren: beispielsweise muss das Blut verflüssigt werden, es gibt Oberflächenreaktionen mit dem Schlauchsystem, der Blutfluss folgt keinem Pulsschlag, sondern erfolgt gleichmäßig und die Körpertemperatur des Patienten sinkt in der Regel.

    "Das operative Trauma bei so einem Eingriff ist groß", bekräftigt Privatdozent Dr. Ivar Friedrich, stellvertretender Klinikleiter. "Ein Standardpatient - wenn es so etwas überhaupt gibt - wird damit keine Probleme haben, aber gerade alte Menschen verkraften die vielen Nebenwirkungen nicht so leicht."
    In Halle werden besonders viele alte Patienten - das sind Patienten über 75 Jahre - am Herzen operiert. Im Jahr 2003 waren es 315, was genau einem Drittel der operierten Bypass-Patienten entsprach. Die Herzchirurgen haben sich besonders dieser Zielgruppe gewidmet und ihre Operationstechniken ständig verfeinert. "Noch 1973 war das Gros der herzchirurgischen Patienten in Deutschland zwischen 40 und 50 Jahre alt. Heute sind 41 Prozent zwischen 60 und 70 Jahre alt und 38 Prozent zwischen 70 und 80 Jahre alt", erläutert Friedrich. "Selbstverständlich entwickeln wir für jeden Patienten eine individuelle Behandlungs- und Operationsstrategie, aber es lässt sich doch statistisch nachweisen, dass die Beziehung zwischen dem Risikofaktor Alter und der Sterblichkeit exponentiell wächst."

    Bei der Off-pump-Operation wird das Herz mechanisch stabilisiert. Hierbei bleibt die geometrische Form des Herzens erhalten, es kann weiter schlagen und seine Funktion als "Blutpumpe" erfüllen. Kritiker der Methode glauben nicht, dass die Bypass-Anlage am schlagenden Herzen genauso exakt wie am stillgelegten Herzen erfolgen kann. Hierzu erklärt Oberarzt Dr. Jochen Börgermann: "Sicherlich ist die Bypass-Anlage am schlagenden Herzen für den Operateur technisch anspruchsvoller. Es gibt jedoch mehrere gute Studien, die beweisen, dass das Operationsergebnis qualitativ nicht beeinflusst wird und dass sich Bypässe nach einer Off-pump-Operation nicht schneller verschließen. Nachweisbar ist dagegen der Einfluss des Einsatzes der Herz-Lungen-Maschine auf das Immun- und Gerinnungssystem sowie eine erhöhte Wahrscheinlichkeit von Lungenentzündungen, Wundinfektionen und Schlaganfällen."

    Generell muss man feststellen: die Komplikationsrate nach herzchirurgischen Eingriffen ist relativ gering. Auch bei Patienten, die bereits über 80 Jahre alt sind, können zu 90 Prozent gute Ergebnisse erzielt werden. Die Schlaganfallrate bei Operationen mit Herz-Lungen-Maschine beträgt ca. 4 % und nimmt mit dem Alter zu. Ein Schlaganfall verursacht Folgekosten von 10000 bis 15000 Euro pro Patient. Bei Off-pump-Operationen wird die Schlaganfallrate mit etwa 2 % angegeben. Das heißt, die Anwendung der Off-pump-Technik könnte bei 70000 koronarchirurgischen Eingriffen im Jahr zu einer Kostenentlastung des Gesundheitswesens von bis zu 20 Millionen Euro führen.

    "Nach unserer Erfahrung profitieren alle von der Reduktion der chirurgischen Invasivität: die Gesellschaft, die Patienten und insbesondere die älteren Patienten, von denen wir hier in Halle besonders viele haben", konstatiert Prof. Dr. Silber. Sein Team wird weiter an der großangelegten Off-pump-Studie arbeiten. Schon jetzt liegen die Daten von 300 Patienten vor und die Auswertung läuft. Da die Studie auf 600 Patienten ausgelegt ist, rechnen die Herzchirurgen mit einer abschließenden wissenschaftlichen Auswertung im Jahr 2005.

    Ansprechpartner:
    Prof. Dr. Rolf-Edgar Silber
    Tel.: 0345 55-72719/17
    Fax: 0345 55-72782
    E-Mail: edgar.silber@medizin.uni-halle.de

    Theresia Wermelskirchen
    Pressesprecherin der Medizinischen Fakultät
    der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
    Tel. 0345 55-75748
    FAx: 0345 55-75749
    E-Mail: theresia.wermelskirchen@medizin.uni-halle.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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