Die Möglichkeiten der Darmkrebsfrüherkennung werden in Deutschland bislang nur unzureichend genutzt. Das gilt auch für den Nachweis von Blut im Stuhl. Die immunologischen Stuhltests können winzige Mengen von Blut im Stuhl aufspüren. Wissenschaftler am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) sind der Frage nachgegangen, ob eine Smartphone-basierte Testung eine aussagekräftige Alternative bzw. Ergänzung zum klassischen Labortest sein könnte.
Aktuell werden in Deutschland als Darmkrebsvorsorge für Männer und Frauen ab 50 zwei Alternativen angeboten: Die Darmspiegelung (Koloskopie) und der Test auf Blut im Stuhl (FIT, Fecal Immunochemical Tests). Die Inanspruchnahme in der Bevölkerung ist allerdings bislang trotz eines Einladungsverfahrens unzureichend. FIT ist ein immunochemischer Test: Mit Hilfe spezifischer Antikörper, die den Blutfarbstoff Hämoglobin erkennen, wird nach mit bloßem Auge nicht sichtbarem Blut im Stuhl gesucht. Blut im Stuhl kann sowohl von bösartigen Schleimhauttumoren als auch von gutartigen Polypen als deren Vorstufe stammen, aber es gibt auch andere Ursachen. Bei einem positiven Stuhltest empfiehlt man den Betroffenen gezielt eine Darmspiegelung, um abzuklären, was genau dahintersteckt. Die Darmspiegelung gilt als der Goldstandard der Darmkrebsfrüherkennung, weil sie die höchste Treffsicherheit hat. Frühzeitig erkannte Krebsvorstufen können während der Untersuchung direkt entfernt werden, so dass das Erkrankungsrisiko sinkt. Für Menschen, die die Darmspiegelung ablehnen, wird der FIT angeboten.
Man sollte erwarten, dass diese nicht-invasive Art der Früherkennung besser angenommen wird. Tatsächlich gibt es Länder, in denen ein großer Prozentsatz der Bevölkerung die Darmkrebsfrüherkennung per FIT nutzt. In den Niederlanden etwa sind es mehr als 70 %. In Deutschland dagegen lässt auch die Akzeptanz des FIT sehr viel Luft nach oben: Aktuell lassen sich nur rund 20 % der Bevölkerung regelmäßig testen.
Stuhlanalyse per App
Wie könnte man mehr Menschen dazu bringen, die guten Möglichkeiten der Darmkrebsvorsorge zu nutzen, fragten sich Forscher am DKFZ. Dazu Michael Hoffmeister: „Es ist naheliegend, bei der Suche nach Mitteln und Wegen an digitale Technologien und speziell an das Smartphone zu denken, das für viele Menschen zum ständigen, viel genutzten Begleiter geworden und aus der Lebenswirklichkeit nicht mehr weg zu denken ist. Warum sollte sich das Smartphone nicht auch zur Stuhlanalyse nutzen lassen?“
Tatsächlich ist dies technisch möglich: durch Kombination eines Hämoglobin-Schnelltests mit einer Smartphone-App. Der Schnelltest wird bereits kommerziell angeboten, und die Anwendungssoftware für den Stuhltest gibt´s in den großen App-Stores kostenlos.
Den Schnelltest führt man ganz bequem selbst zu Hause aus: Dreimal wird das Teststäbchen in die Stuhlprobe und dann in ein Röhrchen mit Testlösung getaucht. Nach Schütteln der Probe werden drei Tropfen auf die Testkassette gegeben. Dann wartet man 15 Minuten und macht anschließend mit dem Smartphone ein Foto von der Testkassette. Den Rest erledigt die App: Anhand der Farbintensität kann die App bestimmen, ob sich verdächtige Blutspuren im Stuhl befinden oder nicht. Das Ergebnis wird umgehend auf dem Display angezeigt. Das Prozedere ist also – im Vergleich zum klassischen FIT – deutlich patientenfreundlicher: Keine Arztbesuche, kein Einschicken der Probe ans Labor, kein tagelanges Warten auf das Testergebnis.
Ähnlich treffsicher wie der Labortest
Bleibt die Frage: Ist denn das Smartphone wirklich so gut wie ein Labor? Ist die Treffsicherheit, mit der Spuren von Blut im Stuhl entdeckt werden, bei der App-gestützten Selbsttestung wirklich vergleichbar? Diese Frage hat die DKFZ-Forschergruppe um Michael Hoffmeister untersucht. Teilnehmer der BLITZ-Studie, bei denen zwischen 2021 und 2023 in gastroenterologischen Praxen in Süddeutschland eine Darmspiegelung durchgeführt werden sollte, erhielten das Angebot, bei dem Vergleich der beiden FIT-Tests mitzumachen. Die Koloskopie erfolgte planmäßig.
Die 654 Teilnehmer konnten sich frei entscheiden, ob sie zusätzlich zum klassischen FIT einen Smartphone-basierten Stuhltest durchführen wollten. 361 (55 Prozent) entschieden sich dafür und 89 Prozent von ihnen bewerteten die Smartphone-Testung anschließend in einem standardisierten Fragebogen als nützliche Alternative zum klassischen Test.
„Tatsächlich kann das Smartphone mit dem Labor mithalten“, so Michael Hoffmeister. „Die Sensitivität der Smartphone-Testung erwies sich als ähnlich gut wie die des klassischen Labortests.“ Wie ein Abgleich mit den Koloskopiebefunden zeigte, wurden fortgeschrittene, potenziell krebsverdächtige Schleimhautveränderungen durch die App in 28 Prozent der Fälle erkannt. Für die Testung im Labor wurde eine vergleichbare Sensitivität von 34 Prozent ermittelt. Die Spezifität – das zweite wichtige Kriterium für die Aussagefähigkeit eines diagnostischen Tests – betrug bei beiden Verfahren 92 Prozent. Das heißt, die Rate falsch positiver Testergebnisse war gering.
„Aufgrund unserer Ergebnisse könnte die Smartphone-basierte FIT-Testung eine aussagefähige Alternative oder Ergänzung zum klassischen Labortest darstellen“, sagt Koautor Herrmann Brenner. „Ich sehe eine realistische Chance, dass wir mit diesem zusätzlichen Angebot mehr Menschen ins Boot holen können, an der Darmkrebsfrüherkennung teilzunehmen und die damit verbundenen Chancen der Darmkrebsprävention zu nutzen.“
Hoffmeister M, Seum T, Ludwig L, Brenner H: Performance of a smartphone-based stool test for use in colorectal cancer screening: population-based study. Clin Gastroenterol Hep 2025, 10.1016/j.cgh.2025.04.027
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:
Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.
Ansprechpartner für die Presse:
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Pressesprecherin
Strategische Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsches Krebsforschungszentrum
Im Neuenheimer Feld 280
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Hoffmeister M, Seum T, Ludwig L, Brenner H: Performance of a smartphone-based stool test for use in colorectal cancer screening: population-based study. Clin Gastroenterol Hep 2025, 10.1016/j.cgh.2025.04.027
Merkmale dieser Pressemitteilung:
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