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05.06.2025 16:00

Vier Empfehlungen für medizinisches Fachpersonal: So können Erwartungen den Behandlungserfolg verbessern

Larissa Host Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
MSH Medical School Hamburg - University of Applied Sciences and Medical University

    Die Behandlungserwartungen von Patient:innen beeinflussen den Erfolg einer Therapie: Positive Erwartungen erhöhen die Chancen für einen besseren Therapieerfolg, negative Erwartungen können diesen Erfolg mindern und das Auftreten von Nebenwirkungen erhöhen. In der Journal-Serie JAMA Insights – Communicating Medicine empfehlen Forschende aus Hamburg, Marburg und Potsdam vier evidenzbasierte Kommunikationsstrategien, damit Behandler:innen die positiven Erwartungseffekte konkret fördern können.

    Potsdam/Marburg/Hamburg, 05.06.2025 Die Psycholog:innen Prof. Johannes Laferton (HMU Health and Medical University in Potsdam), Prof. Winfried Rief (Universität Marburg) und Prof. Meike Shedden-Mora (MSH Medical School Hamburg) forschen seit Jahren intensiv zur Bedeutung von Behandlungserwartungen. Wesentlicher Impulsgeber für die aktuelle Arbeit ist der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Sonderforschungsbereich »Treatment Expectation«. Mit ihren Empfehlungen für medizinisches Fachpersonal möchten sie aufzeigen, wie positive Erwartungen den Behandlungserfolg deutlich verbessern können.

    Erfahrungen und Erwartungen verstehen

    Positive und negative Erwartungen, aber auch die Angst vor Nebenwirkungen, können unabhängig voneinander den Behandlungserfolg beeinflussen, wie eine umfangreiche Analyse von sechs Studien mit insgesamt 748 Teilnehmenden zeigt. Auch wenn man sich viel Nutzen von der Behandlung verspricht, kann gleichzeitig die Besorgnis, Nebenwirkungen zu erleben, groß sein. Behandler:innen können hier gezielt nach Vorerfahrungen (»Erzählen Sie mir von Ihren bisherigen Behandlungserfahrungen«), Erwartungen (»Was glauben Sie, wie sehr wird ihnen die Behandlung helfen?«) und Befürchtungen (»Haben Sie Angst vor Nebenwirkungen?«) fragen. »Wir ermutigen jede und jeden im Kontakt mit Patient:innen diese Fragen zu stellen, denn nur so können eine individuelle Therapie und unterstützende Kommunikation zugeschnitten auf die persönlichen Ängste und Bedürfnisse erfolgsversprechend eingesetzt werden«, rät die Psychologin und Psychotherapeutin Prof. Shedden-Mora.

    Beziehung zu Patient:innen stärken

    Zeigen Ärztinnen und Ärzte Kompetenz und verhalten sich empathisch, dann beeinflusst auch dies den Behandlungserfolg. Nonverbale Signale wie Augenkontakt oder ein bestätigendes Nicken sowie eine gut strukturierte verständliche Kommunikation (»Wenn Sie sich Sorgen um Nebenwirkungen machen, lassen Sie uns gemeinsam überlegen, was wir bei auftretenden Nebenwirkungen tun können.«) schaffen Vertrauen. Eine Studie mit 262 Patient:innen mit Reizdarmsyndrom konnte zeigen, dass deutlich mehr Patient:innen von einer (Placebo-)Akupunktur-Behandlung profitierten, wenn ihr Arzt/ihre Ärztin Wärme und Empathie ausstrahlte, als wenn der Kontakt eher sachlich-distanziert gestaltet war. »Offene Fragen stellen, zuhören und seine eigene Erfahrung betonen, können ein wichtiger Faktor beim Therapieerfolg sein. Jede Ärztin und jeder Arzt sowie jede:r Psycho- oder Physiotherapeut:in sollten sich der Wirkung ihrer Kommunikation bewusst sein«, betont der Psychologe und Psychotherapeut Prof. Winfried Rief.

    Positive Erwartungen fördern

    Patient:innen haben Erwartungen an ihre Behandlung. Positive Annahmen und eine zuversichtliche Perspektive werden unterstützt, wenn Behandler:innen die persönlichen Ziele ihrer Patient:innen realistisch bestärken (»Nach der Operation möchten Sie wieder mit Ihrer Familie Bergwandern. Ich bin zuversichtlich, dass Sie in den ersten sechs Wochen schon kurze Spaziergänge unternehmen und nach drei Monaten bereits wieder moderate Wanderungen bewältigen können.«). Dass ein persönlicher Genesungsfahrplan das Gesundwerden fördert, zeigen Studien an Patient:innen mit Herzoperationen und operativen Eingriffen im Bauchraum. Sie konnten nach Eingriffen am Herzen bis zu 4,5 Tage früher aus dem Krankenhaus entlassen werden, und nahmen nach Bauch-OPs etwa fünf Tage früher ihre normalen Alltagsaktivitäten wieder auf. »Beim Entwickeln solch eines Genesungsfahrplans mit Hilfe einer psychologischen Intervention ist es wichtig, dass die Ziele realistisch sind und eine persönliche Bedeutung haben, zum Beispiel nach der Bypass-Operation wieder mit dem Hund Gassi gehen können«, bestätigt der Psychologe und Psychotherapeut Prof. Johannes Laferton.

    Angst vor Nebenwirkungen mindern

    Es ist gut belegt, dass Patient:innen das Risiko von unerwünschten Nebenwirkungen oft überbewerten und den Nutzen einer Therapie unterschätzen. Wie medizinisches Personal mögliche Nebenwirkungen erklärt, beeinflusst entscheidend die Häufigkeit von Nebenwirkungen. Die ausgewogene Aufklärung in einem positiven Rahmen, wo auch der Nutzen betont und erläutert wird, reduziert die Belastung durch Nebenwirkungen. So berichten in einer klinischen Studie Patient:innen, die Methotrexat für ihr entzündliches Rheuma erhielten, deutlich weniger Nebenwirkungen, wenn ihnen mögliche Nebenwirkungen als positives Zeichen, dass das Medikament im Körper wirkt, erklärt wurden. Patient:innen, die eine solche positive Erklärung für Nebenwirkungen erhielten, brachen die Behandlung deutlich seltener ab.

    Fazit

    »Dass JAMA diese Erkenntnisse und Ratschläge in der Serie Insights - Communicating Medicine veröffentlicht, freut uns sehr, da wir als Forschungsverbund schon seit vielen Jahren substantiell zu der Evidenz dieser Effekte beitragen. Die positive Bedeutung von Kommunikation im therapeutischen Bereich aller Disziplinen kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Gleichzeitig werden wir noch viele Erkenntnisse gewinnen müssen, die es uns erlauben, personalisiert, kontextspezifisch und flächendeckend in der Praxis die Erwartungseffekte zum Wohl der Patient:innen zu nutzen«, erklärt die Neurologin und Leiterin der Schmerzmedizin an der Universitätsklinik Essen Prof. Ulrike Bingel. Sie ist Sprecherin des Sonderforschungsbereichs »Treatment Expectation« und forscht seit Jahrzehnten intensiv im Bereich Placebo- und Noceboeffekte in der Medizin.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Johannes Laferton
    Johannes.laferton@hmu-potsdam.de


    Originalpublikation:

    Laferton JAC, Rief W, Shedden-Mora M. Improving patients’ treatment expectations. JAMA. Published online June 4, 2025. doi:10.1001/jama.2025.6261


    Weitere Informationen:

    http://Jama Podcast Clinical Reviews – Prof. Laferton im Gespräch
    https://jamanetwork.com/journals/jama/pages/jama-clinical-reviews


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Medizin, Psychologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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