Umfangreiche Untersuchung zur Akzeptanz von autonomem Fahren im öffentlichen Nahverkehr / Antworten von über 500 Teilnehmenden ausgewertet
67 Prozent der Berliner*innen gaben in einer repräsentativen Umfrage an, dass sie in autonomen Busshuttles mitfahren würden, gut 30 Prozent würden durch das Angebot den öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) häufiger nutzen. 80 Prozent der Proband*innen bei Testfahrten fühlten sich sicher oder eher sicher. Allerdings würden etwa 20 Prozent der Berliner*innen grundsätzlich nicht in ein Fahrzeug einsteigen, das nicht von einem Menschen gesteuert wird. Knapp 40 Prozent äußerten zudem, sich ohne Busfahrer*in aufgrund anderer Fahrgäste möglicherweise unsicher zu fühlen. Besonders Frauen haben Bedenken aufgrund der beengten Situation in Minibussen und unvorhersehbarem Verhalten von Mitfahrenden. Dies sind die zentralen Ergebnisse einer Akzeptanz-Studie zu autonomem Fahren im ÖPNV, die im Forschungsbereich „Mobilität und Raum“ https://www.tu.berlin/go158884/ am Zentrum Technik und Gesellschaft der TU Berlin durchgeführt wurde, im Rahmen des gerade zu Ende gegangenen Forschungsprojekts KIS'M (KI-basiertes System für vernetzte Mobilität).
Wie kann autonomes Fahren den öffentlichen Nahverkehr sicherer, effizienter und inklusiver machen? Mit dieser Frage beschäftigte sich das Forschungsprojekt KIS'M, das jetzt nach dreijähriger Laufzeit abgeschlossen wurde. Im Fokus standen dabei zum einen reale Testfahrten auf dem Innovationscampus „Urban Tech Republic“ auf dem ehemaligen Flughafen Berlin-Tegel. Dabei fuhren insgesamt 37 Proband*innen unter anderem in einem teleoperiert gesteuerten Mercedes-Van mit. Das Fahrzeug simulierte so künftige, vollautonome „Level-4“-Shuttles für etwa sechs Personen – inklusive virtueller Haltestellen und bedarfsgerechter Routenführung. Solche Angebote sollen die sogenannte erste und letzte Meile bedienen, also den Weg zum oder vom ÖPNV etwa nach Hause oder zur Arbeitsstätte.
Hohe Akzeptanz der Proband*innen im simulierten „Level-4“-Shuttle
Neben dem Test von verbesserten Sensortechnologien, leistungsfähigeren Algorithmen zur Umfeldwahrnehmung sowie einer intensiveren Vernetzung mit Ampelsystemen und anderen Verkehrsteilnehmer*innen war bei KIS'M die Akzeptanz-Analyse ein wichtiger Baustein. „Wir konnten ein hohes Sicherheitsgefühl der Proband*innen ermitteln“, sagt Dr.-Ing. Wulf-Holger Arndt https://www.tu.berlin/go158950/, Bereichsleiter „Mobilität und Raum“ im Zentrum Technik und Gesellschaft der TU Berlin. Dabei trugen besonders das Vertrauen in die Technik (50 %) und die Überwachung durch eine Leitstelle (77 %) zum Sicherheitsgefühl bei. „Letzteres wäre auch bei echten Level-4-Fahrten der Fall“, erläutert Arndt.
Repräsentative Befragung zeigt Zustimmung und Vorbehalte beim autonomen Fahren
Zusätzlich zur Befragung der Teilnehmer*innen an den Testfahrten hat das Zentrum für Technik und Gesellschaft auch Fokusgruppen-Diskussionen mit verschiedenen Nutzer*innen durchgeführt, Workshops zur Barrierefreiheit mit besonderem Fokus auf die virtuelle Haltestelle sowie eine repräsentative, berlinweite Haushaltsbefragung mit 567 Teilnehmer*innen. Neben den bereits eingangs genannten Ergebnissen stellte sich heraus, dass die Berliner*innen ein Angebot mit Shuttlebussen vor allem für kurze Strecken in der Nachbarschaft in Betracht ziehen, beispielsweise für private Erledigungen (25 %), Freizeitwege (15 %) oder den Einkauf (13 %). „Dass 67 Prozent der Berliner*innen in autonomen Busshuttles mitfahren würden, knapp 40 Prozent aber Sicherheitsbedenken wegen der anderen Mitfahrenden haben, zeigt, dass diesem Thema größere Aufmerksamkeit zukommen sollte“, erklärt Arndt. In den Fokusgruppen und Fahrgastdiskussionen sowie der berlinweiten Haushaltsbefragung stellte sich heraus, dass besonders Frauen und vulnerable Gruppen wie etwa queere Menschen hier Gefahren sehen, wenn kein(e) Busfahrer*in zum Eingreifen vor Ort ist.
Verschiedene Zielgruppen haben unterschiedliche Präferenzen beim Shuttlebetrieb
In den Fokusgruppen zeigte sich auch, dass ältere Teilnehmer*innen einen Bedarfsverkehr kritisch sehen. Sie bevorzugen feste Fahrpläne und Linienverkehr. Zudem legen sie Wert auf umsteigearme Verbindungen und nehmen dafür auch längere Fußwege auf der ersten oder letzten Meile in Kauf, insofern diese Meile ansprechend gestaltet ist. Jüngere Teilnehmer*innen stehen einem Bedarfsverkehr dagegen offen gegenüber. Zudem legen sie in ihren alltäglichen Wegen Wert auf Effizienz. „Das Angebot sollte diese und andere Präferenzen weiterer Zielgruppen berücksichtigen, damit es breite Akzeptanz findet und einen gesellschaftlichen Nutzen entfaltet“, sagt Robert Linke-Wittich, Teamleiter im Forschungsbereich „Mobilität und Raum“.
Anforderungskatalog für künftigen Shuttlebetrieb
Weitere Forschungsbedarfe ergaben sich aus den Workshops zur Barrierefreiheit mit Fokus auf die virtuelle Haltestelle. „Hier besteht ein Spannungsfeld zwischen maximaler Flexibilität des Systems für alle und den Anforderungen an eine vollständig barrierefreie Nutzung“, erklärt Linke-Wittich. Denn während virtuelle Haltestellen den Vorteil haben, dass man sie flexibel einrichten kann, müssen für die Barrierefreiheit Fahrzeugdesign, Bordstein- und Bodenbeschaffenheit, sicherer Einstieg, verlässliche Wegeführung und so weiter bereits im Vorfeld geklärt und gegebenenfalls angepasst werden. Diese Erkenntnisse sowie die Ergebnisse aus einer integrierten Technikbewertung, die die Anforderungen an ein Shuttle aus verschiedenen Perspektiven ausformuliert, wurden in einem Anforderungskatalog zusammengefasst. Dieser wird vom Projekt KIS'M künftigen Betreiber*innen von Shuttlebetrieben zur Verfügung gestellt.
Weiterführende Informationen:
Forschungsprojekt KIS'M (KI-basiertes System für vernetzte Mobilität) https://www.tu.berlin/go195466/
Im Folgeprojekt NoWeL4 (Berliner NordWestraum Level 4) https://www.tu.berlin/go209872/ wird eine Flotte von fahrerlosen Shuttle-Busse im On-Demand-Betrieb mit Anwohnern im Nordwesten Berlin getestet.
Roadmap zur Implementierung von automatisiertem und vernetztem Fahren im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in Berlin https://www.tu.berlin/go56753/n69898/
Forschungsbereich „Mobilität und Raum“ am Zentrum Technik und Gesellschaft https://www.tu.berlin/go158884/
Kontakt:
Dr.-Ing. Wulf-Holger Arndt
Bereichsleiter „Mobilität und Raum“
Zentrum Technik und Gesellschaft
Technische Universität Berlin
Tel.: +49 (0)30 314 - 25 230
E-Mail: wulf-holger.arndt@tu-berlin.de
Eine Testperson verschafft sich Zugang zum Fahrzeug per QR-Scan.
Marc Frommer/Fraunhofer FOKUS
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Psychologie, Verkehr / Transport
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsprojekte
Deutsch
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