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17.06.2025 13:33

Direkte Demokratie und Importregulierung als Hebel

Heike Bräuer Kommunikation, Marketing und Veranstaltungsmanagement
Humboldt-Universität zu Berlin

    Eine Studie der Humboldt-Universität zeigt am Beispiel der US-Tierschutzpolitik: mehr Freiraum der Mitgliedsstaaten in gemeinsamen Märkten fördert fortschrittliche Politik

    In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben zahlreiche US-Bundesstaaten weitreichende Tierschutzgesetze implementiert und die Käfighaltung von Legehennen, Sauen und Mastkälbern verboten. Die Wissenschaftlerin Jasmin Zöllmer von der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) hat die wichtigsten Erfolgsfaktoren für diesen „Wettlauf nach oben“ von Tierschutzstandards in den USA untersucht. In einer qualitativen Vergleichsanalyse (QCA) von 79 Gesetzesinitiativen seit dem Jahr 2000 identifizierte die Wissenschaftlerin zwei zentrale Wege zu höheren Standards: Volksabstimmungen und die Ausweitung heimischer Regelungen auf Importe. So waren in den USA alle Volksabstimmungen für mehr Tierschutz in den letzten Jahrzehnten erfolgreich und konnten unabhängig von politischen Mehrheiten striktere Gesetze direkt durchsetzen.
    Ein zweiter zentraler Faktor waren Importregulierungen: Sie stellen sicher, dass strengere Standards auch für Produkte aus anderen US-Bundesstaaten gelten. „Die Möglichkeit, strengere Standards auch auf Importe im US-Binnenmarkt anzuwenden, ist ein entscheidender Hebel. So bleiben die heimischen Produzenten trotz höherer Anforderungen wettbewerbsfähig. Das baut Widerstände ab und stärkt die politische Durchsetzbarkeit ambitionierter Regelungen“, erklärt Jasmin Zöllmer.
    So hat beispielsweise Kalifornien 2018 unter anderem die Kastenstandhaltung von Sauen verboten - auch für importiertes Fleisch. Staaten wie Iowa, der größte Schweineproduzent der USA, müssen sich nun an die kalifornischen Vorgaben halten, um weiterhin Zugang zu dem attraktiven 40 Millionen Einwohner-Markt zu behalten.
    Importregulierungen können so auch Auswirkungen auf die Gesetzgebung in anderen Bundesstaaten haben und einen "Wettlauf nach oben” anstoßen.

    Binnenmarktregeln in integrierten Märkten entscheidend für die Politikgestaltung in Mitgliedsstaaten

    Innerhalb der Europäischen Union wäre eine solche Importregulierung kaum denkbar. Die Warenverkehrsfreiheit wird hier deutlich strikter ausgelegt. Für einzelne EU-Mitgliedstaaten ist es daher weitaus schwieriger, ambitionierte Tierschutzgesetze umzusetzen. Das hatten Jasmin Zöllmer und Professor Harald Grethe vom Albrecht-Thaer-Institut der HU in einer früheren Veröffentlichung gezeigt.
    Jasmin Zöllmer fasst die Unterschiede der beiden größten Binnenmärkte zusammen: „Die USA bieten ihren Bundesstaaten deutlich größere Spielräume bei der Politikgestaltung als die EU – das wirkt sich positiv auf die Standards in den einzelnen Staaten aus. Während wir in den Mitgliedsländern der EU aufgrund der strikten Auslegung des freien Warenverkehrs oft eine Art ‚Politik-Stillstand‘ erleben – manchmal sogar Deregulierung, weil höhere Standards meist mit einem großen Verlust an Wettbewerbsfähigkeit einhergehen – sehen wir in den USA genau das Gegenteil: Die Möglichkeit, denselben Standard auch auf Importe anzuwenden, trägt maßgeblich dazu bei, dass Standards überhaupt erst angehoben werden.“

    Zu der Autorin
    Jasmin Zöllmer ist Doktorandin in der Gruppe Internationaler Agrarhandel und Entwicklung des Daniel Thaer-Instituts für Agrar- und Gartenbauwissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt auf der Politikgestaltung in integrierten Märkten, insbesondere auf der europäischen Integration, dem freien Warenverkehr und seinen Auswirkungen auf die Handlungsfähigkeit der Mitgliedsländer. Vergleichend forscht Zöllmer zum gemeinsamen Markt der USA. Jasmin Zöllmer verwendet in ihrer Forschung verschiedene Methoden, darunter vergleichende Politikfeldanalyse, Eliten-Interviews, Diskursanalyse sowie Qualitative Comparative Analysis (QCA). Von 2020 bis 2024 war Jasmin Zöllmer Mitglied der Tierschutzkommission beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Jasmin Zöllmer
    Daniel Thaer-Institut für Agrar- und Gartenbauwissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin
    Tel.: +49 176 884 71854
    jasmin.zoellmer@hu-berlin.de


    Originalpublikation:

    Zöllmer, J. (2025). Race to the top of farm animal welfare policies in US states: What can explain the new development? A qualitative comparative analysis. Journal of Comparative Policy Analysis: Research and Practice, 1–19. https://doi.org/10.1080/13876988.2025.2493820


    Weitere Informationen:

    https://doi.org/10.1002/epa2.1208


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
    Politik, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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