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19.06.2025 09:42

Pandoras Mikroben – Der Kampf um Eisen in der Lunge

Friederike Gawlik Pressestelle
Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie - Hans-Knöll-Institut (Leibniz-HKI)

    Neu entdeckte Naturstoffe aus Pandoraea-Bakterien beeinflussen das Lungenmikrobiom durch Konkurrenz um Eisen

    Ein interdisziplinäres Forschungsteam unter der Leitung des Leibniz-HKI in Jena hat bei pathogenen Bakterien der Gattung Pandoraea eine neue Gruppe bioaktiver Naturstoffe entdeckt: Pandorabactine. Sie ermöglichen es den Bakterien, anderen Mikroorganismen lebenswichtiges Eisen zu entziehen und können damit Einfluss auf das mikrobielle Gleichgewicht in der menschlichen Lunge nehmen. Die Ergebnisse der Studie wurden im Fachjournal Angewandte Chemie International Edition veröffentlicht.

    Bakterien der Gattung Pandoraea sind bislang nur wenig erforscht. Ihr Name erinnert an die Büchse der Pandora aus der griechischen Mythologie, die ein Symbol für unkontrollierbare Gefahren ist. „Wir haben uns hier mit einem antibiotikaresistenten Bakterium beschäftigt“, sagt Elena Herzog. Sie ist Erstautorin der Publikation und arbeitet als Doktorandin im Team von Christian Hertweck, dem Leiter der Studie am Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie (Leibniz-HKI). Wie so vieles in der Natur besitzen jedoch auch diese krankmachenden Bakterien nicht nur negative Eigenschaften. „Pandoraea-Bakterien bergen nicht nur Risiken in sich. Sie produzieren auch Naturstoffe mit einer antibakteriellen Wirkung.“

    Trotz des hohen gesundheitlichen Risikos, das von Pandoraea ausgeht, waren die molekularen Eigenschaften dieser Bakterien bisher kaum bekannt. „Man wusste nur, dass sie in der Natur vorkommen und pathogen sein können, weil sie im Lungenmikrobiom von Patient*innen mit Mukoviszidose oder Sepsis gefunden wurden“, erläutert Herzog.

    Der Wettlauf um Eisen

    Wie für die meisten Lebewesen ist Eisen auch für Bakterien essenziell. „Eisen spielt zum Beispiel in Enzymen und der Atmungskette von Lebewesen eine zentrale Rolle“, erklärt Herzog. Insbesondere in eisenarmen Umgebungen wie dem menschlichen Körper sind die Bedingungen für eine ausreichende Aufnahme des Elements alles andere als ideal. Viele Mikroorganismen produzieren deshalb sogenannte Siderophore: kleine Moleküle, die Eisen aus der Umgebung binden und in die Zelle transportieren.

    „Bei den Pandoraea-Bakterien waren allerdings keine Virulenz- oder Nischenfaktoren bekannt, die ihnen helfen könnten, zu überleben“, so Herzog. Das Forschungsteam wollte deshalb herausfinden, wie Pandoraea-Stämme sich in einem so kompetitiven Umfeld behaupten können.

    Mithilfe bioinformatischer Analysen identifizierte das Team ein zuvor unbekanntes Gencluster mit der Bezeichnung pan. Es codiert für eine nichtribosomale Peptidsynthetase – ein typisches Enzym zur Herstellung von Siderophoren. „Wir haben mit einer Gencluster-Analyse angefangen und gezielt nach Genen gesucht, die für die Produktion von Siderophoren verantwortlich sein könnten“, berichtet Herzog.

    Durch gezielte Inaktivierung von Genen sowie kulturbasierte Methoden und modernste Analysetechniken – darunter Massenspektrometrie, NMR-Spektroskopie, chemischer Abbau und Derivatisierung – gelang es den Forschenden aus Jena, zwei neue Naturstoffe zu isolieren und deren chemische Struktur aufzuklären: Pandorabactin A und B. Beide sind in der Lage, Eisen zu komplexieren und könnten eine wichtige Rolle dabei spielen, wie Pandoraea-Stämme in schwierigen Umgebungen überleben. „Die Moleküle helfen den Bakterien, Eisen aufzunehmen, wenn es in ihrer Umgebung rar ist“, so Herzog.

    Weniger Eisen, weniger Konkurrenten

    In Bioassays zeigte sich außerdem, dass Pandorabactine das Wachstum anderer Bakterien wie Pseudomonas, Mycobacterium und Stenotrophomonas hemmen, indem sie diesen Konkurrenten Eisen entziehen.

    Analysen von Sputumproben aus der Lunge von Mukoviszidose-Patient*innen offenbarten zudem: Der Nachweis des pan-Genclusters korreliert mit Veränderungen im Lungenmikrobiom. Pandorabactine könnten also einen direkten Einfluss auf mikrobielle Gemeinschaften in erkrankten Lungen haben.

    „Noch ist es aber zu früh, um aus diesen Erkenntnissen medizinische Anwendungen abzuleiten“, betont Herzog. Dennoch liefert die Entdeckung wichtige Hinweise auf die Überlebensstrategien von Bakterien der Gattung Pandoraea und auf den komplexen Konkurrenzkampf um lebenswichtige Ressourcen im menschlichen Körper.

    Die Studie entstand in enger Zusammenarbeit des Leibniz-HKI mit den Universitäten Jena, Heidelberg und Hong Kong. Sie wurde im Rahmen des Exzellenzclusters „Balance of the Microverse“ und des Sonderforschungsbereichs ChemBioSys durchgeführt und durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft gefördert. Das für die Analysen eingesetzte bildgebende Massenspektrometer wurde vom Freistaat Thüringen gefördert und kofinanziert von der Europäischen Union.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Christian Hertweck
    Biomolekulare Chemie, Abteilungsleiter
    +49 3641 532-1101
    christian.hertweck@leibniz-hki.de


    Originalpublikation:

    Herzog E, Ishida K, Scherlach K, Chen X, Bartels B, Niehs SP, Cheaib B, Panagiotou G, Hertweck C (2025) Antibacterial Siderophores of Pandoraea Pathogens and Their Impact on the Diseased Lung Microbiota. Angew Chem Int Ed 64(24), e202505714, https://doi.org/10.1002/anie.202505714


    Bilder

    Pandoraea-Bakterien
    Pandoraea-Bakterien
    Quelle: Elena Herzog
    Copyright: Elena Herzog, Leibniz-HKI

    Konkurrenz um Eisen
    Konkurrenz um Eisen

    Copyright: Elena Herzog, Leibniz-HKI


    Anhang
    attachment icon In einer Petrischale hemmen Pandoraea-Bakterien mithilfe neu entdeckter Naturstoffe das Wachstum konkurrierender Mikroben. Bioaktive Pandorabactine entziehen anderen Bakterien lebenswichtiges Eisen.

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Biologie, Chemie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Pandoraea-Bakterien


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    Konkurrenz um Eisen


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