Wissenschaftsteam um die TU-Hydrologin Eva Paton will Regen „ernten“, um die Region Berlin-Brandenburg an Wetterextreme wie Dürre und Starkregen anzupassen
„Bis zum Jahr 2018 spielten Themen wie Trockenheit und Dürre in der deutschen hydrologischen Forschung nur eine untergeordnete Rolle. Das änderte sich mit den Jahren 2018 und 2019 schlagartig, als weite Teile Deutschlands von zwei aufeinander folgenden Dürrejahren heimgesucht wurde“, sagt Prof. Dr. Eva Paton, die an der TU Berlin das Fachgebiet Ökohydrologie und Landschaftsbewertung leitet. In vielen Bereichen zeigt sich, dass Trockenheit und Dürre in Deutschland bislang kaum ein Thema waren. Im ländlichen Raum Brandenburgs registrieren Wissenschaftler*innen zum Beispiel verstärkt ausgetrocknete Flussläufe, trockenfallende Feuchtgebiete und Waldbrände in einem bisher unbekannten Ausmaß sowie drastische Ernteeinbußen.
Auch ein Großteil der Berliner Stadtbäume litt unter den Dürrejahren seit 2018. Die Schädigungen von Bäumen sind überall in Berlin sichtbar. Anders als in den Ländern Südeuropas verfügen deutsche Städte zumeist nicht über Bewässerungsanlagen für ihre urbane Vegetation. Die Nutzung des Regenwassers sei in Deutschland bislang rudimentär, weil Niederschlag als ein zu bewältigendes Problem angesehen werde, der schnell über die Kanalisation abgleitet werden müsse, und weniger als Ressource, so die Fachgebietsleiterin.
Forschungsrückstände aufholen
In dem von der Berlin University Alliance geförderten Einstein Research Unit „Climate and Water under Change“, kurz CliWaC, beschäftigte sich das Team des Fachgebiets Ökohydrologie unter Leitung von Eva Paton deshalb damit, Forschungsrückstände aufzuholen. Der Fokus lag hierbei darauf, wie sich Dürre und Starkregenereignisse auf die Wasserverfügbarkeit von landwirtschaftlichen Nutzpflanzen und städtischem Grün auswirken und welche Anpassungsstrategien zur besseren Bewältigung dieser Extremereignisse beitragen können.
„Jede Dürre ist anders“, erklärt Paton. Ihr Kollege Dr. Pedro Alencar differenziert zwischen der „klassischen“ Dürre, den Blitzdürren und heißen Trockenperioden. Bei „klassischen“ Dürren hat es über mehrere Monate hinweg unterdurchschnittlich geregnet. Blitzdürren hingegen treten viel schneller auf und bewirken innerhalb von zwei bis vier Wochen ein starkes Austrocknen des Oberbodens im ländlichen Raum. Die Blitzdürren sind gekennzeichnet durch wolkenlosen Himmel, niedrige Luftfeuchtigkeit, hohe Temperaturen und haben in Mitteleuropa hauptsächlich im Mai/Juni eine besonders negative Auswirkung auf den Bestand von Ackerfrüchten. „Dieses Phänomen des extrem schnellen Austrocknens der Böden auch in Mitteleuropa ist bislang wenig untersucht. Es war ein Schwerpunkt im CliWaC-Projekt, diese Blitzdürren zu definieren und zu analysieren, wann und wie sie auftreten“, sagt Dr. Pedro Alencar.
Herausforderung für Brandenburgs Landwirtschaft
Zwischen Dürren und Blitzdürren zu unterscheiden sei wichtig, weil sie sich unterschiedlich auf die Ökosysteme in ländlichen Räumen und Städten auswirkten und verschiedene Gegenmaßnahmen erforderten. Stadtbäume kommen mit Blitzdürren gut zurecht, da ihre Wurzeln tiefer reichen und sie so einen höheren Wasservorrat erschließen können. Anders Getreide und Feldfrüchte. Da sollte bei Blitzdürren gezielt bewässert werden, um die Ernte nicht zu gefährden. Was das Team um Prof. Dr. Eva Paton im CliWaC-Projekt jedoch bisher noch nicht beantworten konnte, ist die Frage, ob in Brandenburg überhaupt genügend Wasser zur Verfügung steht, um im großen Maßstab bewässern zu können.
Derzeit werden weniger als fünf Prozent der Flächen in Brandenburg bewässert. Und bei ohnehin sinkenden Grundwasserspiegeln in Brandenburg und der Prognose, dass Blitzdürren in den nächsten Jahren vermehrt und regelmäßig auftreten werden, ist das Wasser sehr wahrscheinlich nicht ausreichend. „Für die Brandenburger Landwirte bedeutet das, andere Ackerfrüchte anzubauen wie zum Beispiel Hirse, Soja und Linsen, die den Blitzdürren widerstehen“, resümiert Dr. Pedro Alencar. Dieses Umdenken sei wichtig, um zu verhindern, dass sich die Brandenburger Landwirte gezwungen sähen, landwirtschaftliche Flächen aufzugeben, weil es nicht gelinge, sich rechtzeitig an die Wetterextreme anzupassen. „Das ist ein Trend, den wir mit großer Sorge betrachten. Denn das Brachfallen von Flächen kann schnell in Landdegradierung übergehen, mit verstärkter Erosion und einer Nichtnutzbarkeit zumindest für den landwirtschaftlichen Anbau“, erklären Alencar und Paton.
Was in der Forschung ebenfalls beobachtet wird, ist, dass sich in der Region Berlin-Brandenburg wie in vielen anderen Regionen Deutschlands die jährliche Niederschlagsmenge nicht signifikant verändert, aber eine Frequenzverschiebung stattfindet: Es treten längere Phasen ohne Regen auf. Wenn es jedoch regnet, regnet es häufig stärker und länger. Deshalb war ein zweiter Schwerpunkt im CliWaC-Projekt die Klärung der Frage, wie dieser Niederschlag aufgefangen und gesammelt und damit verhindert werden kann, dass der größte Teil des wertvollen Wassers über die Kanalisation abfließt und verlorengeht. „Im englischen Sprachraum spricht man von Rainwater Harvesting, übersetzt ‚Regenernten‘“, so Paton. Die Ernte und Speicherung des Regens ist auch für Stadtbäume essenziell. Denn anders als die landwirtschaftlichen Nutzpflanzen leiden Stadtbäume nicht direkt unter den Blitzdürren, sondern unter hohen Versiegelungsgraden im Stadtraum, die höhere Abflüsse bedingen in Verbindung mit immer häufiger auftretenden und länger andauernden Dürrephasen.
Hohe Mortalität
„Aufgrund der Dürren ab 2018 hat sich die Mortalität unter Berlins Stadtbäumen vor allem in Innenstadtbereich extrem erhöht. Daher muss nun verstärkt versucht werden, den wertvollen Bestand der Stadtbäume zu erhalten. Großstädte wie Berlin sind im hohen Maße auf ausreichend Stadtbäume und Grünflächen angewiesen, weil sie die Biodiversität fördern, die Luft reinigen und in Hitzephasen notwendige Kühle und Schatten spenden“, sagt der Baumexperte am Fachgebiet Ökohydrologie und Landschaftsbewertung, Dr. Björn Kluge. Dies trifft vor allem für den älteren Baumbestand zu, da dieser mit dem Alter besonders viele Ökosystemleistungen gleichzeitig erfüllen kann. Stetig neue Bäume zu pflanzen sei neben den geringen Ökosystemleistungen auch wegen des hohen Pflegeaufwandes in den ersten zehn Jahren nur bedingt möglich, da hiermit auch sehr hohe Kosten verbunden sind. „Deshalb muss das direkte Umfeld der Bestandsbäume verbessert werden, damit sie von allen Regenereignissen besser profitieren können und mit mehr Wasser versorgt werden“, betont Dr. Björn Kluge. Es müsse gelingen, die Nichtnutzung des Regenwassers umzukehren: es im Straßenraum zu halten und damit in den Böden wie in einem Schwamm zu speichern.
Zisternen und muldenförmige Baumscheiben
Die „Regenernte“ ist eine solche Maßnahme. Die Dächer der Häuser in einer baumbewachsenen Straße könnten zum Beispiel zu einem Bewässerungssystem verbunden werden: Bei Regen könnte ein Teil des Wassers durch Modellierung der Stadtoberflächen direkt zu den Bäumen geleitet werden und somit nicht in die Kanalisation abfließen. Beim Umbau oder Bau einer Straße sei von Anfang an eine gute Wasserversorgung der Straßenbäume mit zu planen, indem Baumscheiben entsprechend groß und vertieft, das heißt muldenförmig angelegt werden. Zudem plädiert Kluge dafür, in direkter Umgebung auf Pflaster mit hohem Fugenanteil zu setzen wie zum Beispiel das in Berlin häufig verwendete Bernburger Mosaik, damit der Wasservorrat im Einzugsgebiet des Baumes erhöht wird und der Regen am Baum versickern kann. Eine andere Möglichkeit, Regen zu ernten, sind die seit Jahrhunderten bewährten Zisternen.
Wichtig sei jedoch, all diese Maßnahmen sowohl auf die baulichen Gegebenheiten abzustimmen als auch an die Regenmengen anzupassen, die „geerntet“ werden können, so Prof. Dr. Eva Paton. Die Größe einer Zisterne für ein Einfamilienhaus müsse eine andere sein als die für ein Schulgebäude. Die Anpassung an die Realitäten beträfe auch die Planung von städtischem Grün. „Es muss im Vorfeld bedacht werden, ob für die grünen Elemente einer Schwammstadt genügend Wasser zur Verfügung steht. Denn es wäre tatsächlich kontraproduktiv, grüne Dächer oder andere blau-grüne Infrastruktur zu planen, die bei Dürre- oder Trockenheitsphasen nicht überleben würde, weil sie nicht gesteuert bewässert werden könnte“, gibt Paton zu bedenken.
Weitere Informationen erteilen Ihnen gern:
Prof. Dr. Eva Paton, Dr. Björn Kluge, Dr. Pedro Alencar
TU Berlin
Fakultät VI – Planen, Bauen, Umwelt
Fachgebiet Ökohydrologie und Landschaftsbewertung
Tel.: 030 314-73541
E-Mail: eva.paton@tu-berlin.de
E-Mail: bjoern.kluge@tu-berlin.de
E-Mail: pedro.alencar@campus.tu-berlin.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Geowissenschaften, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
Deutsch
Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).