Frauen-Fußball-EM 2025
Frauen verletzen sich im Sport nicht nur anders als Männer, sondern oft auch schwerer.1 Besonders häufig betroffen ist das vordere Kreuzband im Kniegelenk. Bei der Fußball-Europameisterschaft der Frauen zeigen die Spielerinnen ab nächster Woche ihr ganzes Können und rücken damit auch ein medizinisches Risiko in den Fokus.
“Der weibliche Körper bringt besondere anatomische, biomechanische und hormonelle Voraussetzungen mit sich, die zu einer besonderen Verletzungsgefahr des Kniegelenks führen, vor allem des Kreuzbandes”, sagt Professor Dr. Christoph H. Lohmann, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU). “Gender-Unterschiede der Kniegelenke müssen in Prävention, Therapie und Rehabilitation stärker berücksichtigt werden – sowohl im Leistungs- als auch im Freizeitsport.”
Ob beim Fußball, Basketball oder gymnastischen Turnen – Sportlerinnen haben ein höheres Risiko, sich am Kreuzband zu verletzen. Das vordere Kreuzband reißt bei Frauen 4- bis 8-fach häufiger als bei Männern.2 Die Unfälle passieren oft bei Sprüngen, schnellen Richtungswechseln oder abrupter Stop-and-Go-Bewegung. Dr. Rebecca Sänger, Leiterin der DGOU-Arbeitsgemeinschaft geschlechtersensible Medizin, sagt: „Viele Trainingspläne orientieren sich an männlichen Normwerten. Um Verletzungen zu vermeiden, sollten bereits junge Athletinnen frühzeitig geschlechterspezifisch trainieren. Für die Behandlung von Knieverletzungen brauchen wir eine geschlechtsspezifische Orthopädie und Unfallchirurgie und damit auch eine geschlechtsspezifische Kreuzbandchirurgie.“
Das vordere Kreuzband ist ein zentrales Stabilisierungsband im Kniegelenk. Es verbindet den Oberschenkelknochen (Femur) mit dem Schienbein (Tibia) und verhindert vor allem das Vorrutschen des Schienbeins bei Bewegungen wie Sprinten, Springen und Landen. Zudem stabilisiert es das Knie bei Rotationsbewegungen und verhindert übermäßige Drehbewegungen, insbesondere bei schnellen Richtungswechseln, wie sie häufig im Sport vorkommen.
Verschiedene Ursachen begünstigen, dass sich Frauen beim Sport häufiger ihr vorderes Kreuzband verletzen:
Anatomische Ursachen
• Schmalerer Interkondylarraum: Der knöcherne Raum, durch den das Kreuzband verläuft, ist bei Frauen oft enger, was das Risiko erhöht, dass das Band eingeengt oder verletzt wird.
• Kleinere Kreuzbänder: Das vordere Kreuzband ist bei Frauen im Durchschnitt dünner und schwächer als bei Männern, es reißt also schneller bei hoher Belastung.
Biomechanische Besonderheiten
• Frauen haben ein breiteres Becken. Das führt zu ungünstigeren Winkeln im Knie.
• Typische Bewegungsmuster, wie beispielsweise eine für Frauen typische X-Bein-Stellung beim Landen begünstigen Verletzungen.
• Oft besteht ein Ungleichgewicht zwischen den Muskelgruppen, die das vordere Kreuzband stabilisieren oder belasten.
Hormonelle Einflüsse
• Sexualhormone: In bestimmten Phasen des Menstruationszyklus können hormonelle Veränderungen die Gewebeeigenschaften von Bändern und Sehnen beeinflussen, was möglicherweise die Gelenkstabilität reduziert. Ein direkter Zusammenhang mit einem erhöhten Risiko für Kreuzbandrisse ist jedoch bislang nicht eindeutig belegt.
Viele Risikofaktoren lassen sich bei Profis und auch bei Hobbysportlerinnen durch gezieltes Training beeinflussen. "Kreuzbandverletzungen zählen zu den schwerwiegendsten Verletzungen mit den längsten Ausfallzeiten. Gezielte Prävention ist gerade bei Frauen wichtig. Frühzeitiges Training von Landetechnik, Kraft und Körperstabilisierung verringert die Gefahr von Verletzungen des Kreuzbandes", sagt Prof. Dr. Thomas Tischer, Leiter der DGOU-Sektion Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin (GOTS).
„Unser STOP X Programm richtet sich mit wertvollen Empfehlungen gezielt auch an Fußballerinnen, vor allem zur Vorbeugung von Kreuzbandverletzungen im Frauenfußball. Es beinhaltet klare, effektive Übungen, die sich leicht ins Training integrieren lassen, wie beispielsweise neuromuskuläres Aufwärmtraining oder die Korrektur gefährlicher Bewegungsmuster", sagt Prof. Dr. Wolf Petersen von der DGOU-Sektion Deutsche Kniegesellschaft (DKG).
Tipps zur Vorbeugung von Kreuzbandverletzungen bei Frauen:
• Kräftigung von Oberschenkeln und Gesäß: für mehr Stabilität im Knie
• Sprung- und Landetraining: saubere Technik ist entscheidend
• Koordinations- und Balanceübungen: beispielsweise mit Balancepads
• Dynamisches Aufwärmen: vor jeder Sporteinheit
• Korrekte Bewegungsmuster bei Richtungswechseln trainieren
Kommt es dennoch zum Kreuzbandriss, so kann dieser grundsätzlich konservativ behandelt werden, wenn keine weitere Verletzung im Knie vorliegt. Mit Physiotherapie können gezielt Muskeln aufgebaut werden, auch das zeitweilige Tragen einer Orthese kann helfen. Meist ist jedoch in Abhängigkeit von Begleitverletzungen beispielsweise am Meniskus, Alter und Aktivitätsgrad eine operative Versorgung notwendig, indem eine körpereigene Sehne eingesetzt wird. Die Rückkehr zum Sport dauert in der Regel 6–12 Monate, abhängig von Alter, Sportart, Heilungsverlauf und Trainingsdisziplin.
Präventionsprogramm:
Präventionsprogramm der Deutschen Kniegesellschaft (DKG), einer Sektion der DGOU: Stop X - Rehabilitation & Prävention von Knieverletzungen
Referenzen:
1. Passion Chirurgie: 9/2024, Rebecca Sänger: Geschlechtsspezifische Sportorthopädie – Ein Thema so aktuell wie noch nie
2. Knie Journal, 2024, 6:124–130, doi.org/10.1007/s43205-024-00275-6, ;
Springer Medizin Verlag GmbH, Rebecca Sänger, Lukas Willinger, Wolf Petersen
Mehr Informationen:
www.dgou.de
Pressekontakt für Rückfragen:
Susanne Herda, Swetlana Meier
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) e.V.
Straße des 17. Juni 106-108, 10623 Berlin
Telefon: +49 (0)30 340 60 00 -16/-06
E-Mail: presse@dgou.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
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