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30.06.2025 16:07

Update für die Weltkarte tektonischer Spannungen im Untergrund

Josef Zens Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
GFZ Helmholtz-Zentrum für Geoforschung

    Mit mehr als doppelt so vielen Datenpunkten wie 2016 liefert die neue Ausgabe der „World Stress Map“ eine wichtige Basis für Erdbebenforschung und die Nutzung des geologischen Untergrunds.

    Zusammenfassung

    Forschende des GFZ Helmholtz-Zentrum für Geowissenschaften haben gemeinsam mit Kolleg:innen der University of Queensland in Brisbane, Australien, und weiteren Forschenden eine neue Karte der Spannungen in der Erdkruste veröffentlicht: Die aktualisierte „World Stress Map“ ist nicht nur für das Verständnis von geodynamischen Prozessen wie Plattentektonik und Erdbebenzyklen von zentraler Bedeutung. Die darin abgebildeten tektonischen Spannungen sind auch ein wichtiger Parameter für die sichere Nutzung des Untergrundes. Dazu zählen zum Beispiel Geothermiebohrungen oder die Einlagerung radioaktiver Abfälle.

    Das umfassende Update der World Stress Map (WSM) kommt nach neun Jahren und enthält mehr als doppelt so viele Datenpunkte wie die WSM 2016. In das Update flossen unter anderem Analysen von neuen Daten aus weltweit mehr als 3.000 Tiefbohrungen ein. Seit der ersten WSM-Datenbank 1992 konnte die Anzahl der Datenpunkte von damals 7.300 auf über 100.000 in der aktuellen Version gesteigert werden.

    Alle Daten und die globale Spannungskarte sind frei verfügbar und werden über die Website des Projektes world-stress-map.org bereitgestellt. Hier steht auch der Service CASMO – Create A Stress Map Online – zur Verfügung, mit dem Nutzer:innen eigene Spannungskarten erstellen können.

    Die WSM wird seit 2009 am GFZ koordiniert und lebt von einer lang gewachsenen internationalen Kooperation mit einer Vielzahl von Partnern aus Industrie und Wissenschaft. Federführend betreut wird die WSM von Oliver Heidbach (GFZ) in enger Kooperation mit Mojtaba Rajabi (The University of Queensland).

    Hintergrund

    Das tektonische Spannungsfeld der Erdkruste ist für unser Verständnis von geodynamischen Prozessen von zentraler Bedeutung. Diese Prozesse steuern die Plattentektonik und den Erdbebenzyklus. Aber auch für die sichere Nutzung des Untergrundes, etwa für Energiespeicherung, geothermische Exploration oder für die Beurteilung der Stabilität eines Standortes für ein Tiefenlager für radioaktive Abfälle sind die tektonischen Spannungen ein wichtiger Parameter.

    Eigens erstellte Computermodelle simulieren den Spanungszustand der Erdkruste und prognostizieren die Änderungen durch natürliche und anthropogene Prozesse bis hin zu einem kritischen Zustand der Stabilität des Gesteins im Untergrund. Diese Modelle brauchen Spannungsdaten. Je mehr qualitativ hochwertige Informationen vorliegen, desto besser sind die Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Prognosen.

    Historie

    Das WSM Projekt startete 1986 als eine Task Force des Internationalen „Lithosphere Program“ ILP. Die erste umfassende Veröffentlichung der WSM-Datenbank erfolgte 1992.
    Spannungsdaten waren bereits in den 1930er Jahren erhoben worden. Mit dem Ausbau globaler seismologischer Netze in den 1960er Jahren, unter anderem zur weltweiten Überwachung von Kernwaffentests, und mit der Untersuchung von Bohrlochrandausbrüchen (engl.: borehole breakouts) in den späten 1970er Jahren hat sich die Zahl der Spannungsdaten für die oberen Kilometer der Erdkruste verwendet werden, deutlich erhöht. Vor allem Bohrlochausbrüche wurden zu einem wichtigen Stressindikator. Obwohl sie für die Forschung wertvoll sind, können diese bei Bohrungen ein ernsthaftes Problem darstellen, das zu Komplikationen wie Instabilität des Bohrlochs oder sogar zum Verlust des Bohrlochs führen kann.

    Internationaler Standard

    Die WSM-Datenbank ist die einzige globale Datenbank, die Spannungsdaten der Erdkruste erfasst und analysiert und frei verfügbar bereitstellt. Das WSM Projekt setzt dabei internationale Standards für die Datenanalyse und -beurteilung. Das Rückgrat der Datenanalyse ist die Zuordnung aller Daten in Qualitätsklassen. Dies geschieht nach einem Qualitäts-Ranking, das in Zusammenarbeit mit internationalen Expert:innen aufgestellt wurde und stetig weiterentwickelt wird, um neueste Erkenntnisse mit einfließen zu lassen.

    Beispiele für industrielle Anwendungen

    Die WSM-Datenbank ist für alle Industriezweige, die auf die Stabilität des tiefen Untergrundes angewiesen sind, weltweit die erste Anlaufstelle. Sie liefert Spannungsdaten für erste
    Abschätzungen in der Planungsphase der Untergrundbewirtschaftung.

    Ein konkretes Anwendungsbeispiel ist die Abschätzung der Bohrlochstabilität. Wird im Untergrund gebohrt, dann entsteht dabei durch die Bohrlochwand eine freie Oberfläche, die sich aufgrund der auf sie wirkenden Spannungen verformt. Überschreiten dabei die Spannungen die Festigkeit des Gesteins, dann versagt die Bohrlochwand; es kommt zu sogenannten Bohrlochwandausbrüchen, die bei massivem Auftreten die Stabilität des Bohrlochs gefährden können. Kennt man die Orientierung und die Größe der tektonischen Spannungen im Untergrund, dann können der Bohrvorgang oder die Richtung des Bohrlochs so geplant werden, dass eine größtmögliche Stabilität gewährleistet ist.

    Ein weiteres Beispiel ist die Endlagerung von Behältern mit hochradioaktivem Abfall in einem geologischen Tiefenlager. In einer Spannungssituation, in der die vertikale Spannung größer ist als die horizontalen Spannungen, ist die Stabilität eines horizontalen Einlagerungsstollens, der senkrecht zur Orientierung der größten horizontalen Spannung SHmax ausgerichtet ist, höher, als wenn er in Richtung von SHmax verlaufen würde.

    Beispiel für neue wissenschaftliche Erkenntnisse auf Basis der aktualisierten World Stress Map

    Auch in der Wissenschaft ist die neue Auflage der WSM von großer Bedeutung. Der Leiter des WSM-Projekts am GFZ, Prof. Oliver Heidbach (GFZ-Sektion 2.6 „Erdbebengefährdung und dynamische Risiken“) sagt: „Wir konnten beispielsweise im Bowen-Sedimentbecken im Osten von Australien in den vergangenen Jahren aus einem sehr dichten Netz von hunderten von Tiefbohrungen neue Datensätze gewinnen. Diese hohe Datendichte erlaubt es uns nun, eine bislang unbestätigte Hypothese zu untersuchen: Demnach können laterale Änderungen der Gesteinseigenschaften und Dichtekontraste bereits innerhalb von wenigen hundert Kilometern zu einer Änderung der Spannungsrichtung führen.“
    Die neuen Daten zeigen, dass sich die Richtung der maximalen horizontalen Spannung SHmax im südlichen Bowen-Becken sogar innerhalb von weniger als 100 Kilometer um mehr als 50 Grad dreht. „Mit der hohen Datendichte können wir künftig besser abschätzen, wie die durch Plattentektonik hervorgerufenen Kräfte räumlich wirken“, resümiert Heidbach.

    Website: https://www.world-stress-map.org/

    Weitere Informationen

    Heidbach, O., Rajabi, M., Di Giacomo, D., Harris, J., Lammers, S., Morawietz, S., Pierdominici, S., Reiter, K., von Specht, S., Storchak, D., and Ziegler, M. O. (2025). World Stress Map Database Release 2025, GFZ Data Services,
    https://doi.org/10.5880/WSM.2025.001

    Heidbach, O., Rajabi, M., Di Giacomo, D., Harris, J., Lammers, S., Morawietz, S., Pierdominici, S., Reiter, K., von Specht, S., Storchak, D., and Ziegler, M. O. (2025). World Stress Map 2025, GFZ Data Services, Potsdam,
    https://doi.org/10.5880/WSM.2025.002

    Rajabi, M., Ziegler, M. O., Heidbach, O., Mukherjee, S., and Esterle, J. (2024). Contribution of mine borehole data toward high-resolution stress mapping: An example from northern Bowen Basin, Australia, International Journal of Rock Mechanics and Mining Sciences, 173,
    https://doi.org/10.1016/j.ijrmms.2023.105630

    Rajabi, M., Tingay, M., Heidbach, O., Hillis, R., and Reynolds, S. (2017). The present-day stress field of Australia, Earth Science Reviews, 168, 165-189,
    https://doi.org/10.1016/j.earscirev.2017.04.003

    Heidbach, O., Reinecker, J., Tingay, M., Müller, B., Sperner, B., Fuchs, K., and Wenzel, F. (2007). Plate boundary forces are not enough: Second- and third-order stress patterns highlighted in the World Stress Map database, Tectonics, 26,
    https://doi.org/10.1029/2007TC002133


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Oliver Heidbach
    Arbeitsgruppenleiter Sektion 2.6 „Erdbebengefährdung und dynamische Risiken“
    GFZ Helmholtz-Zentrum für Geoforschung
    +49 (0)331-6264-2814
    oliver.heidbach@gfz.de


    Originalpublikation:

    https://www.world-stress-map.org/


    Bilder

    World Stress Map 2025. Linien zeigen die Orientierung der größten horizontalen Spannung SHmax an. Die Farben kennzeichnen die drei klassischen Spannungsregime an.
    World Stress Map 2025. Linien zeigen die Orientierung der größten horizontalen Spannung SHmax an. Di ...

    Copyright: Quelle: https://doi.org/10.5880/WSM.2025.002


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler, jedermann
    Energie, Geowissenschaften, Informationstechnik, Meer / Klima
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    World Stress Map 2025. Linien zeigen die Orientierung der größten horizontalen Spannung SHmax an. Die Farben kennzeichnen die drei klassischen Spannungsregime an.


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