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03.07.2025 16:23

Menschliche Sicherheit in der Ukraine: Emanzipation als Instrument von Widerstand und Resilienz

Stefanie Orphal Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS)

    Ein aktueller Report untersucht kriegsbedingte Bedrohungen für die menschliche Sicherheit in der Ukraine und zeigt: Emanzipation ist ein starkes Instrument des gesellschaftlichen Widerstands und der Resilienz angesichts von Besatzung, Autoritarismus und den imperialen Bestrebungen Russlands.

    Der vollumfassende russische Angriffskrieg auf die Ukraine seit Februar 2022 hat zentrale Fragen von Sicherheit, Verwundbarkeit und Resilienz aufgeworfen. Statt zur Kapitulation zu führen, hat der Krieg in der Ukraine und in der Region die Menschen in einer neuen Form von Emanzipation vereint. Die ukrainische Bevölkerung reagiert mit vielfältigen Strategien des Widerstands, der Selbstermächtigung und des gesellschaftlichen Zusammenhalts – auch unter Bedingungen der Besatzung und anhaltender Unsicherheit.
    In einem neuen Report werden sowohl der Unsicherheitsbegriff als auch der emanzipatorische Aspekt weitergedacht. Expert*innen aus der Ukraine und darüber hinaus untersuchen verschiedene Dimensionen von Sicherheit und Unsicherheit: von Gender/feministischen Diskursen, über postkoloniale Bestrebungen, den Schutz von und die Befreiung der Natur von Kriegsschäden im Sinne der ökologischen Sicherheit bis hin zum Aufbau von Resilienz und gesellschaftlichem Zusammenhalt angesichts anhaltender Unsicherheit, insbesondere für vulnerable Gruppen in der Gesellschaft. Der Bericht ist Teil der Reihe „In:Security in Eastern Europe“ und fasst die Ergebnisse des dritten In:Security-Workshops vom 16. Oktober 2024 zusammen.

    Feministische Ansätze im Sicherheitsdiskurs

    Míla O'Sullivan (Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Internationale Beziehungen in Prag) argumentiert, dass feministische Perspektiven entscheidend sind, um die komplexen Unsicherheiten im Krieg sichtbar zu machen. Sie fordert, Sicherheitsdebatten neu auszurichten: Geschlechterverhältnisse, gesellschaftliche Resilienz und rassistische Strukturen müssen stärker berücksichtigt werden, um die Sicherheitsdebatte jenseits von militärischer Abschreckung erweitern zu können.

    Dekolonisierung als Weg zur Resilienz

    Post-/dekoloniale Diskurse haben seit Kriegsbeginn in der Ukraine an Bedeutung gewonnen. Yuliya Yurchuk (Außerordentliche Professorin für Ideengeschichte an der Södertörn-Universität, Stockholm) zeigt auf, wie Dekolonisierung als dynamischer Widerstandsprozess, die nationale Unabhängigkeit stärkt und auf individueller Ebene neue Selbstbilder entstehen lässt. Diese neuen Narrative helfen, Unsicherheit zu bewältigen und individuelle und kollektive Identitäten zu festigen.

    Umweltfolgen des Krieges

    Oleksii Vasyliuk (Ukrainischer Umweltaktivist) macht auf die ökologischen Folgen des Krieges aufmerksam: Verminte Flächen, zerstörte Landschaften und geschädigte Wasserressourcen bedrohen nicht nur die Umwelt, sondern auch die langfristige Lebensqualität in der Ukraine. Die ökologischen Schäden stellen eine große Herausforderung für den künftigen Wiederaufbau dar.

    Resilienz und gesellschaftlicher Zusammenhalt

    Tetiana Skrypchenko (Soziologin, Rating Group Ukraine) zeigt, dass die Gesellschaft in der Ukraine trotz des Krieges eine starke Welle des Zusammenhalts erlebt hat. Dabei geht Resilienz weit über bloßes Überleben hinaus: Sie bedeutet Widerstandskraft, Selbstermächtigung und die Fähigkeit, gesellschaftliche Solidarität auch unter extremen Bedingungen aufrechtzuerhalten. Zusammenhalt und Resilienz bedingen sich gegenseitig – eine starke Gemeinschaft kann Krisen besser bewältigen.

    Implikationen erweiterter Sicherheitsdiskurse

    „Die Beiträge des Berichts verdeutlichen: Sicherheit in und um die Ukraine ist vielfältiger, als es realpolitische Diskurse über Abschreckung und Aufrüstung suggerieren“, erläutert Nadja Douglas, Mitautorin und Herausgeberin des Reports. Die ukrainische Bevölkerung habe erstaunliche Fähigkeiten entwickelt, mit den kriegsbedingten Herausforderungen umzugehen, so Douglas. „Kriegsbedingte gesellschaftliche und ökologische Probleme und Unsicherheiten benötigen international mehr Beachtung.“
    Strategien, mit diesen Herausforderungen umzugehen, unterschieden sich zwischen der lokalen oder Graswurzel-Ebene und der staatlichen, institutionellen Ebene; zudem könnten sich gerade unter den gegebenen Bedingungen Ambivalenzen ergeben.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Nadja Douglas nadja.douglas@zois-berlin.de


    Originalpublikation:

    Nadja Douglas, Míla O’Sullivan, Yuliya Yurchuk, Oleksii Vasyliuk, Tetiana Skrypchenko. Emancipatory Dimensions of In:Security – Strategies of Coping with War Challenges in Ukraine, KonKoop In:Security Report 1/2025.


    Weitere Informationen:

    https://konkoop.de/index.php/is-report-3/


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Gesellschaft, Politik
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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