idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
07.07.2025 10:27

Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz: DFG-Senatskommission bewertet das Risiko von Arbeitsstoffen

Marco Finetti Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)

    Aktuelle Empfehlungen an Bundesarbeitsministerin übergeben / 70-jähriges Jubiläum der Kommission: Tag der offenen Wissenschaft am 1. Oktober 2025 im Futurium in Berlin

    Die Ständige Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) hat ihre aktuellen wissenschaftlich basierten Empfehlungen zur Risikobewertung von am Arbeitsplatz verwendeten Stoffen vorgelegt und der Bundesministerin für Arbeit und Soziales übergeben. Die jährlich erscheinende MAK- und BAT-Werte-Liste von Grenzwerteempfehlungen dient als wesentliche Grundlage für die Umsetzung der Gefahrstoffverordnung in Deutschland. Die Empfehlungen der Senatskommission zum Umgang mit gesundheitsschädlichen Arbeitsstoffen werden zunächst durch den Ausschuss für Gefahrstoffe des Bundesarbeitsministeriums geprüft und dann gegebenenfalls in gesetzliche Regelungen überführt. Die Kommission feiert in diesem Jahr ihr 70-jähriges Bestehen und hat 2025 bereits zum 61. Mal die Liste erarbeitet. Die digitale Fassung der Empfehlungen steht in Kürze auch in englischer und spanischer Sprache im Open Access zur Verfügung, sodass sie international als Grundlage für den Arbeitsschutz dienen kann.

    Für die aktuellen Empfehlungen für Luftgrenzwerte änderte die Kommission die Bewertung des Risikos von zwölf Arbeitsstoffen aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und nahm vier Substanzen neu in die Liste der Empfehlungen auf: Acetoin, Benzylacetat, Benzylformiat und Benzophenon-3. Die Grenzwerte geben die Maximale Arbeitsplatz-Konzentrationen (MAK-Werte) an, also die Stoffmengen, die als Gas, Dampf oder Aerosol in der Luft am Arbeitsplatz langfristig keinen Schaden verursachen.

    Zudem weisen die Empfehlungen Beurteilungswerte in Blut und Urin aus, um die aus dem Kontakt mit einem Arbeitsstoff resultierende individuelle Belastung arbeitsmedizinisch-toxikologisch bewerten zu können. Hierbei handelt es sich unter anderem um die Konzentrationen von Arbeitsstoffen im Körper, denen ein Mensch sein Arbeitsleben lang ausgesetzt sein kann, ohne gesundheitlichen Schaden zu nehmen – die Biologischen Arbeitsstoff-Toleranzwerte (BAT-Werte) – oder die Biologischen Arbeitsstoff-Referenzwerte (BAR), mit denen das Ausmaß einer beruflichen Belastung erfasst werden kann. In diesem Jahr enthält die Liste hinsichtlich der Beurteilungswerte in biologischem Material Änderungen für fünf Substanzen. Darüber hinaus umfasst sie Angaben darüber, ob Arbeitsstoffe Krebs erzeugen, Keimzellen oder das werdende Kind in der Schwangerschaft schädigen, Haut oder Atemwege sensibilisieren oder in toxischen Mengen über die Haut aufgenommen werden können.
    Lithium und Formaldehydabspalter im Fokus
    Unter anderem befasste sich die Kommission im vergangenen Jahr intensiv mit sogenannten Formaldehydabspaltern – chemischen Verbindungen, die Formaldehyd freisetzen. Sie werden unter anderem in Kosmetika, in Farben oder in Kühlschmierstoffen verwendet, um eine Verunreinigung mit Mikroorganismen zu verhindern. Formaldehyd selbst kann krebserregend auf die oberen Atemwege wirken, sofern der MAK-Wert überschritten wird. Bei der Bewertung von Formaldehydabspaltern muss insbesondere die Freisetzungsdynamik von Formaldehyd berücksichtigt werden, die zum Beispiel vom pH-Wert beeinflusst wird. Um die daraus resultierenden Wirkmechanismen im menschlichen Körper noch besser verstehen zu können, sollte die Freisetzung von Formaldehyd aus diesen Substanzen wissenschaftlich noch breiter diskutiert werden. In Kürze erscheint dazu ein separater Artikel in einem wissenschaftlichen Fachmagazin.

    Ein weiteres besonderes Augenmerk setzte die Kommission auf das Alkalimetall Lithium, essenzieller Bestandteil moderner Technologien. Durch den zunehmenden Einsatz von Lithium-Ionen-Batterien in Elektrofahrzeugen und tragbaren elektronischen Geräten werden mögliche negative Auswirkungen auf Beschäftigte in der Industrie und erhöhte Umweltbelastungen diskutiert. Um dieser wachsenden Bedeutung von Lithium Rechnung zu tragen, bewertete die Kommission den Biologischen Arbeitsstoff-Referenzwert für Lithium anhand aktueller Literatur neu. Dadurch kann bei beruflich Belasteten geprüft werden, ob der Lithiumspiegel höher ist als die Hintergrundbelastung der Allgemeinbevölkerung und somit eine berufliche Belastung vorliegt.

    Insgesamt veröffentlichte die Kommission im vergangenen Jahr 94 Publikationen. „Diese große Anzahl an Veröffentlichungen verdeutlicht einmal mehr das hohe ehrenamtliche Engagement aller Wissenschaftler*innen, die in der Kommission zusammenarbeiten“, sagte die Kommissionsvorsitzende Professorin Dr. Andrea Hartwig vom Karlsruher Institut für Technologie in Karlsruhe.

    Zu allen überprüften Stoffen liegen jeweils ausführliche wissenschaftliche Begründungen vor. Um die Empfehlungen auf dem neuesten wissenschaftlichen Stand zu halten, stehen die Vorschläge für Änderungen und Neuaufnahmen bis zum 31. Dezember 2025 zur Diskussion. Bis dahin können der Kommission neue Daten oder wissenschaftliche Kommentare vorgelegt werden.

    Daten- oder KI-basierte Simulationsansätze ergänzen konventionelle Untersuchungsmethoden

    Für eine umfassende wissenschaftliche Empfehlung der Grenzwerte analysiert die Kommission alle verfügbaren Informationen, Erkenntnisse oder Studien, die jeweils zu einer Substanz vorliegen. Neben den Daten aus Humanstudien werden auch Erkenntnisse aus unterschiedlichen Tiermodellen herangezogen und mit vorhandenen Humandaten abgeglichen. Hinzu kommen Untersuchungen zum Wirkungsmechanismus der jeweiligen Substanz, beispielsweise in Zellkulturen. Für die Bewertung der Daten bedarf es der Expertise von Wissenschaftler*innen unterschiedlicher Fachdisziplinen, die in der Kommission Hand in Hand arbeiten.

    In den vergangenen Jahren sind zudem zahlreiche alternative Ansätze zur Bewertung von Substanzen entwickelt worden, die sogenannten New Approach Methods (NAMs), darunter insbesondere daten- oder KI-basierte Simulationsansätze, aber auch Hochdurchsatz-Testsysteme. Nach Einschätzung der Kommission können diese in einigen Bereichen bereits jetzt eine sinnvolle Ergänzung zu den eher konventionellen toxikologischen Untersuchungsmethoden sein. Insgesamt aber sind sie noch nicht weit genug fortgeschritten, um sie allein für eine quantitative Risikobewertung und Grenzwertableitung verlässlich nutzen und damit beispielsweise Tierversuche vollständig ersetzen zu können.

    Alle von der Senatskommission erarbeiteten Stoffbegründungen und Methodenbeschreibungen sind in der MAK Collection auffindbar. Neben den aktuellen Ergebnissen der wissenschaftlichen Arbeit der Kommission sind alle weiteren Veröffentlichungen im Open Access zugänglich und die Erkenntnisse damit für eine umfassende wissenschaftliche Nachnutzung aufbereitet.

    Tag der offenen Wissenschaft im Futurium

    Die Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe besteht seit 1955 und begeht daher in diesem Jahr ihr 70. Jubiläum. Aus diesem Anlass lädt die Kommission zu einem Tag der offenen Wissenschaft am 1. Oktober 2025 von 10 bis 17 Uhr in das Futurium in Berlin ein – und gibt unter dem Titel „Die Dosis macht’s“ Einblicke in ihre Arbeit. In einer interaktiven Ausstellung rund um das Thema Gefahrstoffe am Arbeitsplatz erfahren die Besucher*innen, warum es in der Tat auf die Dosis von Gefahrstoffen ankommt und wie aus vorhandenen wissenschaftlichen Studien neue Erkenntnisse über Wirkmechanismen und letztlich Empfehlungen für den Umgang mit gefährlichen und möglicherweise gesundheitsgefährdenden Stoffen am Arbeitsplatz entstehen. Expert*innen aus der Toxikologie, Arbeitsmedizin, Chemie, Pathologie, Epidemiologie und Messtechniken berichten von ihrer Arbeit und zeigen, dass die Erkenntnisse der MAK-Kommission auch im Alltag von Bedeutung sind.

    Weiterführende Informationen:

    Ständige Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe

    Medienkontakt:
    Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der DFG, Tel. +49 228 885-2109
    presse@dfg.de

    Redaktionen können ein kostenloses Rezensionsexemplar der MAK- und BAT-Werte-Liste anfordern.

    Sekretariat der Senatskommission:
    Dr. Gunnar Jahnke und Dr. Gerlinde Schriever-Schwemmer, Tel. +49 721 608-47400
    mak_sekr@iab.kit.edu

    Fachliche Ansprechpersonen in der DFG-Geschäftsstelle:
    Dr. Katja Hartig, Lebenswissenschaften, Tel. +49 228 885-2359
    Michael Weihberg, Lebenswissenschaften, Tel. +49 228 885-2734
    arbeitsstoffkommission@dfg.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    fachunabhängig
    überregional
    Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).