Eine neue Studie von Forschenden des Exzellenzclusters „The Politics of Inequality“ an der Universität Konstanz zeigt: Immer mehr Beschäftigte in Deutschland nutzen Künstliche Intelligenz am Arbeitsplatz – aber die Kluft zwischen Berufsgruppen und Bildungsniveaus bleibt bestehen. Während in wissensintensiven Tätigkeiten der Einsatz von KI-Tools massiv ausgebaut wird, bleibt der Zugang in anderen Bereichen eingeschränkt. Ohne gezielte Förderung droht eine digitale Spaltung des Arbeitsmarkts.
Trotz zunehmender öffentlicher Aufmerksamkeit und rasanter technologischer Fortschritte ist KI-Nutzung in Deutschland bislang kein flächendeckendes Massenphänomen. Das zeigt die zweite Konstanzer KI-Studie 2025, die in einer neuen Befragungswelle zentrale Entwicklungen im Einsatz von KI am Arbeitsplatz untersucht. Der Anteil der Beschäftigten, die KI in ihrem Arbeitsalltag einsetzen, ist im Vergleich zum Vorjahr um 11 Prozentpunkte gestiegen und liegt nun bei 35 Prozent. Am häufigsten genutzt werden Anwendungen zur automatisierten Textgenerierung wie ChatGPT – aber auch spezialisierte Tools für Vorhersagen und Robotik halten Einzug in den Arbeitsalltag.
Gleichzeitig zeigt sich: Die Unsicherheit bleibt hoch. Ein Drittel der Beschäftigten kann nicht einschätzen, wie sich KI auf die eigene Arbeit auswirken wird. Viele Beschäftigte nehmen zwar Gefahren für den Arbeitsmarkt im Allgemeinen wahr, beziehen diese aber weniger auf ihre persönliche Arbeitssituation: Während 46 Prozent gravierende Risiken für den gesamten Arbeitsmarkt durch Automatisierung sehen, befürchten nur 20 Prozent den Verlust des eigenen Arbeitsplatzes. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass KI in Deutschland zwar immer wichtiger wird – die gesellschaftliche Debatte aber stark von Unsicherheit und Ungleichheiten geprägt ist“, erklärt Florian Kunze, Leiter der Studie und Professor für Organizational Behavior an der Universität Konstanz.
Nutzungszuwachs vor allem in wissensintensiven Berufen
Besonders stark steigt der Einsatz von KI in wissensintensiven Tätigkeiten wie IT, Verwaltung oder Forschung: Hier nutzt inzwischen fast die Hälfte der Beschäftigten entsprechende Anwendungen (45 Prozent mit einem Zuwachs von 15 Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr). In produktionsnahen und handwerklichen Berufen dagegen fällt der Zuwachs deutlich geringer aus (um vier Prozentpunkte auf insgesamt 21 Prozent). Die Studie macht deutlich: KI wirkt derzeit eher als Verstärker bestehender Ungleichheiten am Arbeitsmarkt. Auch in der Einstellung zu den Chancen von KI zeigen sich deutliche Unterschiede: 43 Prozent der Beschäftigten in Büro- und Wissensarbeit erwarten positive Effekte für ihre Arbeit – bei denjenigen in manuellen Tätigkeiten sind es lediglich 24 Prozent.
Die Konstanzer KI-Studie beleuchtet darüber hinaus die Rolle des Bildungsniveaus. Zwar steigt die Nutzung gegenüber dem Vorjahr über alle Gruppen hinweg – aber die Unterschiede bleiben bestehen: Beschäftigte mit abgeschlossenem Studium nutzen KI dreimal so häufig wie Personen mit niedrigem Bildungsabschluss. Die Bereitschaft zur Weiterbildung im Umgang mit KI steigt, besonders unter Beschäftigten mit höherem Bildungsniveau: „Wer bereits privilegiert ist, profitiert stärker von den Chancen der Technologie. Ohne gezielte politische oder betriebliche Unterstützung droht eine dauerhafte digitale Spaltung des Arbeitsmarkts“, erklärt Carolina Opitz, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsprojekt.
Unterschiede je nach Unternehmensgröße
Während Beschäftigte sich zunehmend mit KI auseinandersetzen, verläuft der Wandel auf Organisationsebene deutlich langsamer. Vor allem kleine Unternehmen investieren kaum in Weiterbildung oder klare Kommunikationsstrategien zur Nutzung von KI. Größere Betriebe zeigen hier mehr Initiative – doch auch dort bleibt das Gesamtniveau niedrig. „Es besteht die Gefahr, dass sich abgehängte Organisationen herausbilden, in denen der technologische Wandel kaum ankommt und Beschäftigte dauerhaft schlechtere Entwicklungschancen haben“, betont Kunze. „Das Risiko einer wachsenden sozialen Spaltung erfordert gezielte Anstrengungen von Politik, Wirtschaft und Bildungseinrichtungen.“
Faktenübersicht
• Originalpublikation: Kunze, F., Opitz, C., & Lauterbach A.S. (2025). Künstliche Intelligenz in der Arbeitswelt: Nutzung, Wahrnehmung und Ungleichheiten. Ergebnisreport Juni 2025, Universität Konstanz.
• Autor*innen:
o Florian Kunze, Professor für Organizational Behavior und Leiter des Future of Work Lab Konstanz am Fachbereich Politik- und Verwaltungswissenschaft der Universität Konstanz sowie Principal Investigator des Exzellenzclusters „The Politics of Inequality“.
o Ann Sophie Lauterbach, Postdoktorandin und Research Fellow am Future of Work Lab Konstanz sowie an der TU Dresden.
o Carolina Opitz, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Future of Work Lab Konstanz.
• Datengrundlage: Erste Erhebungswelle im März 2024: 2.019 Befragte; zweite Erhebungswelle im Mai 2025: 1.024 Befragte. Repräsentative Stichprobe der deutschen Erwerbsbevölkerung nach Alter, Geschlecht, Tätigkeit und Bildungsniveau. Die Studie wurde gefördert durch den DFG-Exzellenzcluster „The Politics of Inequality“ an der Universität Konstanz und in Zusammenarbeit mit dem Online-Panel-Anbieter Bilendi durchgeführt.
• Der Exzellenzcluster „The Politics of Inequality” an der Universität Konstanz erforscht aus interdisziplinärer Perspektive die politischen Ursachen und Folgen von Ungleichheit. Die Forschung widmet sich einigen der drängendsten Themen unserer Zeit: Zugang zu und Verteilung von (ökonomischen) Ressourcen, der weltweite Aufstieg von Populist*innen, Klimawandel und ungerecht verteilte Bildungschancen.
Hinweis an die Redaktionen
Bilder können im Folgenden heruntergeladen werden:
1) Porträtfoto Florian Kunze
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Bildunterschrift: Florian Kunze, Professor für Organizational Behavior, Leiter des Future of Work Lab Konstanz und Principal Investigator am Exzellenzcluster „The Politics of Inequality“. Bild: Ines Janas.
2) Porträtfoto Ann Sophie Lauterbach
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Ann Sophie Lauterbach, Postdoktorandin und Research Fellow am Future of Work Lab Konstanz sowie an der TU Dresden. Bild: Ines Janas.
3) Porträtfoto Carolina Opitz
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Carolina Opitz, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Future of Work Lab Konstanz. Bild: privat.
Merkmale dieser Pressemitteilung:
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Deutsch
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