idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
16.07.2025 17:00

Erstmals gelingt die Beobachtung des Beginns eines neuen Sonnensystems

ESO Science Outreach Network (Dr. Markus Nielbock) Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Astronomie

    Forschende haben erstmals den Moment ermittelt, in dem sich Planeten um einen Stern außerhalb unseres Sonnensystems zu bilden beginnen. Mit dem ALMA-Teleskop, an dem die Europäische Südsternwarte (ESO) beteiligt ist, und dem Weltraumteleskop James Webb haben sie den Nachweis für die Entstehung der ersten winzigen Teilchen aus planetarem Material erbracht – heiße Mineralien, die gerade beginnen, sich zu verfestigen. Diese Entdeckung zeigt erstmals ein Planetensystem in einem so frühen Stadium seiner Entstehung und öffnet ein Fenster in die Vergangenheit unseres eigenen Sonnensystems.

    „Zum ersten Mal haben wir den frühesten Zeitpunkt bestimmt, zu dem die Planetenentstehung um einen anderen Stern als unsere Sonne beginnt“, sagt Melissa McClure, Professorin an der Universität Leiden in den Niederlanden und Hauptautorin der neuen Studie, die heute in Nature veröffentlicht wurde.

    Mitautorin Merel van 't Hoff, Professorin an der Purdue University in den USA, vergleicht ihre Ergebnisse mit „einem Bild des jungen Sonnensystems“ und sagt: „Wir sehen ein System, das so aussieht, wie unser Sonnensystem, als es gerade begann, sich zu bilden.“

    Dieses neu entstandene Planetensystem entsteht um HOPS-315, einen „Proto-“ oder Baby-Stern, der etwa 1300 Lichtjahre von uns entfernt unserer einst entstehenden Sonne ähnelt. Um solche Baby-Sterne herum finden Astronominnen und Astronomen oft Scheiben aus Gas und Staub, die als „protoplanetare Scheiben“ bezeichnet werden und die Geburtsstätten neuer Planeten sind. Zwar hat man bereits junge Scheiben mit neugeborenen, massereichen, Jupiter-ähnlichen Planeten beobachtet, sagt McClure: „Wir haben immer gewusst, dass die ersten festen Bestandteile von Planeten, die sogenannten Planetesimale, weiter zurück in der Zeit, in früheren Stadien, entstehen müssen.“

    In unserem Sonnensystem findet sich das früheste feste Material, das sich in der Nähe der heutigen Position der Erde um die Sonne verdichtet hat, in alten Meteoriten. Astronominnen und Astronomen bestimmen das Alter dieser urzeitlichen Gesteinsbrocken, um festzustellen, wann die Uhr für die Entstehung unseres Sonnensystems zu ticken begann. Solche Meteoriten sind vollgepackt mit kristallinen Mineralien, die Siliziummonoxid (SiO) enthalten und sich unter den extrem hohen Temperaturen in jungen planetarischen Scheiben verdichten können. Im Laufe der Zeit verbinden sich diese neu kondensierten Feststoffe miteinander und bilden den Keim für die Planetenentstehung, während sie an Größe und Masse zunehmen. Die ersten kilometergroßen Planetesimale im Sonnensystem, aus denen Planeten wie die Erde oder der Kern des Jupiter entstanden, bildeten sich unmittelbar nach der Kondensation dieser kristallinen Mineralien.

    Die neue Entdeckung liefert Hinweise darauf, dass diese heißen Mineralien in der Scheibe um HOPS-315 zu kondensieren beginnen. Aus den Ergebnissen folgt, dass SiO sowohl in gasförmigem Zustand um den Baby-Stern herum als auch in diesen kristallinen Mineralien vorhanden ist, was darauf hindeutet, dass es gerade erst beginnt, sich zu verfestigen. „Dieser Prozess wurde noch nie zuvor in einer protoplanetaren Scheibe – oder sonst außerhalb unseres Sonnensystems – beobachtet“, sagt Co-Autor Edwin Bergin, Professor an der University of Michigan, USA.

    Der Nachweis dieser Mineralien gelang zunächst mit dem Weltraumteleskop James Webb (JWST), einem Gemeinschaftsprojekt der Raumfahrtbehörden der USA, Europas und Kanadas. Um herauszufinden, woher die Signale genau kamen, beobachtete das Team das System mit ALMA, dem Atacama Large Millimeter/submillimeter Array, der von der ESO zusammen mit internationalen Partnern in der chilenischen Atacama-Wüste betrieben wird.

    Anhand dieser Daten stellte das Team fest, dass die chemischen Signale aus einem kleinen Bereich der Scheibe um den Stern kamen, der dem Ring des Asteroidengürtels um die Sonne entspricht. „Wir finden diese Mineralien tatsächlich an derselben Stelle in diesem extrasolaren System, an der wir sie auch in Asteroiden im Sonnensystem entdecken“, sagt Co-Autor Logan Francis, Postdoktorand an der Universität Leiden.

    Deswegen bietet die Scheibe von HOPS-315 eine einzigartige Vorlage für die Erforschung unserer eigenen kosmischen Geschichte. Van 't Hoff sagt: „Dieses System ist eines der besten, die wir kennen, um einige der Prozesse zu untersuchen, die in unserem Sonnensystem stattgefunden haben.“ Es bietet Forschenden zudem eine neue Möglichkeit, die frühe Planetenentstehung zu untersuchen, indem es als Vertreter für neu entstandene Sonnensysteme in der Milchstraße dient.

    Die ESO-Astronomin und europäische ALMA-Programmmanagerin Elizabeth Humphreys, die nicht an der Studie beteiligt war, sagt: „Ich war wirklich beeindruckt von dieser Studie, die eine sehr frühe Phase der Planetenentstehung aufzeigt. Sie legt nahe, dass HOPS-315 uns dem Verständnis der Entstehung unseres Sonnensystems näherbringt. Dieses Ergebnis unterstreicht die vereinte Stärke von JWST und ALMA für die Erforschung protoplanetarer Scheiben.“

    Weitere Informationen

    Diese Forschungsergebnisse wurden in dem Artikel „Refractory solid condensation detected in an embedded protoplanetary disk” (doi:10.1038/s41586-025-09163-z) vorgestellt, der in Nature erscheinen wird. Das Team besteht aus M. K. McClure (Sternwarte Leiden, Universität Leiden, Niederlande [Leiden]), M. van ’t Hoff (Fachbereich Astronomie, Universität Michigan, Michigan, USA [Michigan] und Purdue University, Fachbereich Physik und Astronomie, Indiana, USA), L. Francis (Leiden), Edwin Bergin (Michigan), W.R. M. Rocha (Leiden), J. A. Sturm (Leiden), D. Harsono (Institut für Astronomie, Fachbereich Physik, Nationale Tsing Hua Universität, Taiwan), E. F. van Dishoeck (Leiden), J. H. Black (Technische Hochschule Chalmers, Abteilung für Weltraum, Erde und Umwelt, Onsala Space Observatory, Schweden), J. A. Noble (Physik von den Wechselwirkungen zwischen Ionen und Molekülen, CNRS, Aix Marseille Université, Frankreich), D. Qasim (Southwest Research Institute, Texas, USA), E. Dartois (Institut für Molekularwissenschaften Orsay, CNRS, Universität Paris-Saclay, Frankreich).

    Das Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) ist eine internationale astronomische Einrichtung, die gemeinsam von der ESO, der US-amerikanischen National Science Foundation (NSF) der USA und den japanischen National Institutes of Natural Sciences (NINS) in Kooperation mit der Republik Chile betrieben wird. Getragen wird ALMA von der ESO im Namen ihrer Mitgliedsländer, von der NSF in Zusammenarbeit mit dem kanadischen National Research Council (NRC), dem National Science and Technology Council (NSTC) in Taiwan und NINS in Kooperation mit der Academia Sinica (AS) in Taiwan sowie dem Korea Astronomy and Space Science Institute (KASI). Bei Entwicklung, Aufbau und Betrieb ist die ESO federführend für den europäischen Beitrag, das National Radio Astronomy Observatory (NRAO), das seinerseits von Associated Universities, Inc. (AUI) betrieben wird, für den nordamerikanischen Beitrag und das National Astronomical Observatory of Japan (NAOJ) für den ostasiatischen Beitrag. Dem Joint ALMA Observatory (JAO) obliegt die übergreifende Projektleitung für den Aufbau, die Inbetriebnahme und den Beobachtungsbetrieb von ALMA.

    Die Europäische Südsternwarte (ESO) befähigt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weltweit, die Geheimnisse des Universums zum Nutzen aller zu entdecken. Wir entwerfen, bauen und betreiben Observatorien von Weltrang, die Astronominnen und Astronomen nutzen, um spannende Fragen zu beantworten und die Faszination der Astronomie zu wecken, und wir fördern die internationale Zusammenarbeit in der Astronomie. Die ESO wurde 1962 als zwischenstaatliche Organisation gegründet und wird heute von 16 Mitgliedstaaten (Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Finnland, Irland, Italien, den Niederlanden, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, der Schweiz, Spanien, der Tschechischen Republik und dem Vereinigten Königreich) sowie dem Gastland Chile und Australien als strategischem Partner unterstützt. Der Hauptsitz der ESO und ihr Besucherzentrum und Planetarium, die ESO Supernova, befinden sich in der Nähe von München in Deutschland, während die chilenische Atacama-Wüste, ein wunderbarer Ort mit einzigartigen Bedingungen für die Himmelsbeobachtung, unsere Teleskope beherbergt. Die ESO betreibt drei Beobachtungsstandorte: La Silla, Paranal und Chajnantor. Am Standort Paranal betreibt die ESO das Very Large Telescope und das dazugehörige Very Large Telescope Interferometer sowie Durchmusterungsteleskope wie z. B. VISTA. Ebenfalls am Paranal wird die ESO das Cherenkov Telescope Array South betreiben, das größte und empfindlichste Gammastrahlen-Observatorium der Welt. Zusammen mit internationalen Partnern betreibt die ESO auf Chajnantor APEX und ALMA, zwei Einrichtungen zur Beobachtung des Himmels im Millimeter- und Submillimeterbereich. Auf dem Cerro Armazones in der Nähe von Paranal bauen wir „das größte Auge der Welt am Himmel“ – das Extremely Large Telescope der ESO. Von unseren Büros in Santiago, Chile, aus unterstützen wir unsere Aktivitäten im Land und arbeiten mit chilenischen Partnern und der Gesellschaft zusammen.

    Die Übersetzungen von englischsprachigen ESO-Pressemitteilungen sind ein Service des ESO Science Outreach Network (ESON), eines internationalen Netzwerks für astronomische Öffentlichkeitsarbeit, in dem Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikatoren aus allen ESO-Mitgliedsländern (und einigen weiteren Staaten) vertreten sind. Deutscher Knoten des Netzwerks ist das Haus der Astronomie in Heidelberg.

    Medienkontakt

    Markus Nielbock (Pressekontakt Deutschland)
    ESO Science Outreach Network und Haus der Astronomie
    Heidelberg, Deutschland
    Tel: +49 6221 528-134
    E-Mail: eson-germany@eso.org


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Melissa McClure
    Sternwarte Leiden, Universität Leiden
    Leiden, Niederlande
    E-Mail: mcclure@strw.leidenuniv.nl

    Merel van ‘t Hoff
    Department of Physics and Astronomy, Purdue University
    West Lafayette, Indiana, USA
    Tel: +1-734-882-0270
    E-Mail: mervth@umich.edu

    Logan Francis
    Sternwarte Leiden, Universität Leiden
    Leiden, Niederlande
    Tel.: +31 71 527 2727
    E-Mail: francis@strw.leidenuniv.nl

    Edwin Bergin
    Department of Astronomy, University of Michigan
    Ann Arbor, Michigan, USA
    Tel: +1 734 764 3441
    E-Mail: ebergin@umich.edu

    Elizabeth Humphreys
    Europäische Südsternwarte
    Garching bei München, Deutschland
    Tel: +49 89 3200 6541
    E-Mail: ehumphre@eso.org


    Originalpublikation:

    M. K. McClure et al., “Refractory solid condensation detected in an embedded protoplanetary disk”, Nature (2025) (doi:10.1038/s41586-025-09163-z)


    Weitere Informationen:

    https://www.eso.org/public/news/eso2512/ – Originalpressemitteilung der ESO mit weiteren Bildern und Videos


    Bilder

    ESO Logo
    ESO Logo

    Copyright: Bild: ESO

    ALMA-Aufnahme von HOPS-315, einem aktuell entstehenden Planetensystem
    ALMA-Aufnahme von HOPS-315, einem aktuell entstehenden Planetensystem

    Copyright: Herkunftsnachweis: ALMA(ESO/NAOJ/NRAO)/M. McClure et al.


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    ESO Logo


    Zum Download

    x

    ALMA-Aufnahme von HOPS-315, einem aktuell entstehenden Planetensystem


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).