Neue rein datenbasierte Studie zur anthropogenen Erwärmung ergänzt und unterstützt die Prognosen der Klimamodelle – Physiker aus Gießen und Potsdam federführend
Das Pariser Klimaabkommen verpflichtet die Unterzeichnerstaaten, die globale menschengemachte (anthropogene) Erwärmung unter 2 Grad Celsius zu halten und dafür Sorge zu tragen, dass sie 1,5 Grad Celsius nicht überschreitet. Oberhalb von 2 Grad Celsius besteht die Gefahr, dass der mit der Erwärmung verbundene Klimawandel nicht mehr beherrschbar wird und nicht-umkehrbare Klimaänderungen auftreten, die sogenannten Kipppunkte: So könnten die antarktischen und grönländischen Eisschilde unaufhaltsam abschmelzen und zu einer Erhöhung des Meeresspiegels führen, oder der Golfstrom könnte sich abschwächen und damit große Teile Europas kälter werden lassen. Einer internationalen Forschungsgruppe um die Physiker Prof. Dr. Armin Bunde von der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) und Dr. Josef Ludescher vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) ist es nun gelungen, allein aus dem bisherigen Verlauf der mittleren globalen Temperatur die Wahrscheinlichkeit abzuschätzen, wann die beiden Schwellen überschritten werden, wenn die anthropogene Erwärmung weiterhin linear ansteigt. Die Ergebnisse der statistischen Analyse sind in der Nature-Zeitschrift „Communications Earth & Environment“ veröffentlicht worden.
Die mittlere globale Temperatur ist seit der vorindustriellen Zeit stark angestiegen, in den vergangenen 55 Jahren nahezu linear. Diese Temperaturerhöhung enthält außer dem anthropogenen Anteil auch einen Beitrag, der von der natürlichen Erhaltungsneigung des Klimas herrührt. Die Erhaltungsneigung (Persistenz) bewirkt, dass auf zu warme bzw. zu kalte Perioden – das können Monate, Jahre, oder auch Dekaden sein – eher wieder zu warme bzw. zu kalte Perioden folgen. Mit Hilfe statistischer Methoden, die in Gießen mitentwickelt worden waren, gelang es den Physikern, den von dieser Erhaltungsneigung herrührenden Trend wahrscheinlichkeitstheoretisch abzuschätzen und so zu einer Einschätzung der gegenwärtigen anthropogenen Erwärmung zu gelangen.
Unter der Prämisse, dass die anthropogene Erwärmung weiterhin linear ansteigt („Weiter so“), gelangten sie zu Vorhersagen über die Zeitintervalle, in denen mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit die 1,5- und die 2-Grad-Schwelle überschritten werden. „Die Schwelle von 1,5 Grad Celsius könnte nach unserer Analyse bereits in diesem Jahr überschritten sein, und zwar mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 20 Prozent“, sagt Dr. Ludescher, Erstautor der Studie. „Mit einer Wahrscheinlichkeit von 80 Prozent wird sie spätestens 2040 überschritten. Die 2-Grad-Schwelle wird mit 20 Prozent Wahrscheinlichkeit schon 2047 überschritten sein, mit 80 Prozent Wahrscheinlichkeit spätestens im Jahr 2069.“
„Unsere Analysen stimmen bemerkenswert gut mit den Prognosen der hochkomplexen und numerisch außerordentlich aufwändigen Erdsystemmodelle überein“, sagt Prof. Bunde. „Da beide Verfahren methodisch völlig verschieden sind und sich ergänzen, unterstützen sich ihre Prognosen gegenseitig.“
Er hält es für unwahrscheinlich, dass durch geeignete weltweite Maßnahmen die anthropogene Erwärmung noch unter 1,5 Grad Celsius gehalten werden kann. „Ein Überschreiten der 2-Grad-Marke lässt sich vielleicht noch verhindern, wenn es weltweit gelingt, die Ursachen für die anthropogene Erwärmung, nämlich die Nutzung fossiler Brennstoffe und die zunehmende Landnutzung, deutlich zurückzufahren und zudem vorhandene Kohlendioxidspeicher wie Waldgebiete und Moore erheblich auszudehnen“, so Prof. Bunde.
Prof. Dr. Armin Bunde
Institut für Theoretische Physik der Justus-Liebig-Universität Gießen
Telefon: 0177 9226752
Ludescher, J., Yuan, N., Schellnhuber, H.J. et al. Natural variability-focused assessment of climate overshoot timing. Commun Earth Environ 6, 567 (2025). DOI: 10.1038/s43247-025-02525-5
https://www.nature.com/articles/s43247-025-02525-5
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Meer / Klima, Physik / Astronomie, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).