Eine frühzeitige Lebensstiländerung oder der frühe Einsatz des Standard-Antidiabetikums Metformin kann die Erkrankung an Typ-2-Diabetes bei Menschen mit Prädiabetes um bis zu 3,5 Jahre verzögern. Besonders profitieren jüngere Menschen sowie Personen mit erhöhtem Diabetesrisiko von diesen Maßnahmen. Das zeigt eine neue Langzeitstudie aus The Lancet Diabetes & Endocrinology. Anlässlich dieser Ergebnisse betonen die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) u. die Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) die Notwendigkeit Prävention zur nationalen Gesundheitspriorität zu machen. Sie fordern politische Maßnahmen, um verhaltens- und verhältnispräventive Strategien strukturell zu verankern
Eine neue Langzeitstudie mit über 3.000 Erwachsenen mit Prädiabetes zeigt, dass sowohl eine intensive Lebensstiländerung als auch die Einnahme des Diabetes-Medikaments Metformin das Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken, deutlich senken können. Die Studienergebnisse unterstreichen, dass Prävention nicht nur wirksam, sondern auch differenziert wirksam ist – je nach Alter, Risikoprofil und Geschlecht. Besonders Frauen mit vorangegangenem Gestationsdiabetes profitieren nachweislich von strukturierten Lebensstilprogrammen. Neben der Verzögerung des Diabetesausbruchs zeigte sich auch eine anhaltend höhere gesundheitsbezogene Lebensqualität in der Lebensstilgruppe – insbesondere bei Frauen. In der Lebensstilgruppe entwickelten Frauen seltener mikrovaskuläre Komplikationen wie Retinopathie und Nephropathie – möglicherweise, weil sie stärker von der Intervention profitierten oder diese konsequenter umsetzten. „Wir brauchen Programme, die individuelle Lebensrealitäten und Belastungen mitdenken – etwa von Frauen in Familienverantwortung. Nur so gelingt Prävention dort, wo sie am meisten bewirken kann. Erste gesundheitsökonomische Analysen deuten zudem auf ein langfristig günstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis hin“, bilanziert Professor Dr. Julia Szendrödi, Präsidentin der DDG und Ärztliche Direktorin der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie, Stoffwechselkrankheiten und Klinische Chemie am Universitätsklinikum Heidelberg.
Längeres Leben ohne Diabetes durch frühe Interventionen
In der Diabetes Prevention Program (DPP) Study (2) konnte bei Probanden innerhalb von 3 Jahren durch Lebensstilintervention die Diabetesrate um 58 Prozent und durch Metformin um 31 Prozent im Vergleich zur Placebogruppe reduziert werden. Die kürzlich in The Lancet Diabetes & Endocrinology erschienene Nachbeobachtungsstudie DPP Outcomes Study (DPPOS)1 bestätigte jetzt diese positiven Effekte: Nach 21 Jahren war die Lebensstil-Gruppe um 24 Prozent seltener von Diabetes betroffen als die Placebogruppe. Mit der Lebensstilintervention konnte die Hälfte der Gruppe ihren Diabetes um 3,5 Jahre hinauszögern. Die Metformin-Gruppe erkrankte wiederum 17 Prozent weniger an Diabetes als die Placebogruppe und die Hälfte der Betroffenen hatte ein um 2,5 Jahre längeres Diabetes-freies Leben. Die Ergebnisse zeigen aber auch: Nicht jede Maßnahme wirkt bei jedem gleich. Während Lebensstilprogramme in allen Altersgruppen erfolgreich sind, profitiert von Metformin vor allem die Altersgruppe der 25- bis 44-Jährigen.
„Die Ergebnisse zeigen, dass frühe und risikoadaptierte Präventionsmaßnahmen das Fortschreiten zum Typ-2-Diabetes verzögern können – ein wichtiger Baustein im Umgang mit der zunehmenden Krankheitslast. Metformin ist zurzeit nicht zur Behandlung des Prädiabetes zugelassen – eine Neubewertung erscheint jedoch angesichts der Evidenz sinnvoll“, betont Szendrödi.
Multimorbides Zeitalter: Immer mehr Menschen leben mit mehreren Krankheiten
Der Bedarf an strukturierten Präventionsprogrammen wächst rasant. Denn: Immer mehr Menschen erkranken früher, leben mit mehreren chronischen Krankheiten gleichzeitig – ein Phänomen, das die Fachwelt als multimorbides Zeitalter beschreibt. Die Ursachen sind klar: ein steigendes Lebensalter, zunehmende soziale Ungleichheiten und ein immer früherer Krankheitsbeginn, wie eine aktuelle Nature-Analyse zeigt. (3) „Wir müssen diese Entwicklung ernst nehmen und handeln, bevor die Gesellschaft von der steigenden Krankheitslast überwältigt wird“, mahnt Szendrödi. „Steigt die Zahl chronischer Erkrankungen weiter, geraten Gesundheitssysteme zunehmend an ihre Grenzen“, mahnt Szendrödi. „Ohne strukturierte Prävention wird Typ-2-Diabetes voraussichtlich früher auftreten und vermehrt mit weiteren Erkrankungen einhergehen.“
Prävention braucht Struktur und politischen Willen
Daraus leitet sich laut DDG und DANK ein klarer Handlungsauftrag für die politischen Entscheider ab: Prävention muss früher ansetzen, es braucht klare politische Rahmenbedingungen, die ein gesundheitsförderndes Umfeld für alle Menschen in Deutschland schaffen. „Wir wissen, was wirkt – nun braucht es auch den politischen Willen, Prävention allen zugänglich zu machen“, fordert Barbara Bitzer, Geschäftsführerin der DDG und Sprecherin der DANK. „Gesundheitsförderung darf nicht vom Wohnort oder Einkommen abhängen. Prävention ist keine Privatsache – sie ist eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung.“
DANK hat einen 6-Punkte-Plan (4) vorgelegt, der Prävention wirksam und für alle zugänglich machen soll. Er umfasst unter anderem eine Abgabe auf stark zuckergesüßte Getränke, steuerliche Entlastung gesunder Lebensmittel, mehr Bewegung im Alltag von Kindern sowie verbindliche Standards für Kita- und Schulessen. Auch ein verpflichtender Nutri-Score und klare Regeln für ungesunde Lebensmittelwerbung, die Kinder adressiert, sind Teil des Konzepts. „Wir brauchen jetzt eine gesundheitsfördernde Infrastruktur“, betont Bitzer. „Gesund essen, sich ausreichend bewegen und Erkrankungen vorbeugen – das muss in Deutschland einfacher werden.“
1 William C Knowler et al., Long-term effects and effect heterogeneity of lifestyle and metformin interventions on type 2 diabetes incidence over 21 years in the US Diabetes Prevention Program randomized clinical trial, Lancet Diabetes Endocrinol 2025; 13: 469–81 Published Online April 28, 2025 https://doi.org/10.1016/S2213-8587(25)00022-1
2 Diabetes Prevention Program (DPP) Research Group , The Diabetes Prevention Program (DPP): description of lifestyle intervention, Diabetes Care 2002 Dec; 25(12):2165-71. doi: 10.2337/diacare.25.12.2165. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/12453955/
Informationen zum Diabetes Prevention Program (DPP):
https://www.niddk.nih.gov/about-niddk/research-areas/diabetes/diabetes-preventio...
3 Gregg, E.W., Holman, N., Sophiea, M. et al. Multiple long-term conditions as the next transition in the global diabetes epidemic. Commun Med 5, 42 (2025). https://doi.org/10.1038/s43856-025-00742-9
4 6-Punkte-Plan zur Bundestagswahl: https://www.dank-allianz.de/files/content/dokumente/DANK_6-Punkte-Plan%20zur%20B...
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