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23.07.2025 11:45

Koffein kann die Wirksamkeit bestimmter Antibiotika schwächen

Christfried Dornis Hochschulkommunikation
Eberhard Karls Universität Tübingen

    Studie der Universität Tübingen zeigt: Substanzen, die Bakterien in ihrer natürlichen Umgebung finden, lösen ihre Alarmsysteme aus – Auswirkungen auf künftige Therapieansätze möglich

    Bestandteile unserer täglichen Ernährung – darunter auch Koffein – können die Resistenz von Bakterien gegen Antibiotika beeinflussen. Das hat eine neue Studie eines Forscherteams der Universitäten Tübingen und Würzburg unter der Leitung von Professorin Ana Rita Brochado gezeigt. Das Team entdeckte, dass Bakterien wie Escherichia coli (E. coli) komplexe Regelungskaskaden orchestrieren, um auf chemische Reize aus ihrer unmittelbaren Umgebung zu reagieren, was die Wirksamkeit von Antibiotika beeinflussen kann.

    In einem systematischen Screening untersuchte das Team um Brochado, wie 94 verschiedene Substanzen – darunter Antibiotika, verschreibungspflichtige Medikamente und Nahrungsmittelbestandteile – die Expression wichtiger Genregulatoren und Transportproteine des potenziell pathogenen Bakteriums E. coli beeinflussen. Transportproteine fungieren als Poren und Pumpen in der Bakterienhülle und steuern, welche Substanzen in die Zelle gelangen oder sie verlassen. Ein fein abgestimmtes Gleichgewicht dieser Mechanismen ist für das Überleben der Bakterien entscheidend.

    Forscher beschreiben Phänomen als „antagonistische Interaktion“

    „Unsere Daten zeigen, dass mehrere Substanzen die Genregulation in Bakterien subtil, aber systematisch beeinflussen können”, sagt Doktorand Christoph Binsfeld, Erstautor der Studie. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass selbst alltägliche Substanzen ohne direkte antimikrobielle Wirkung – beispielsweise koffeinhaltige Getränke – bestimmte Genregulatoren beeinflussen können, die Transportproteine steuern, und so verändern, was in die Bakterien eindringt und sie verlässt. „Koffein löst eine Kaskade von Ereignissen aus, die mit dem Genregulator Rob beginnt und in der Veränderung mehrerer Transportproteine in E. coli gipfelt – was wiederum zu einer verminderten Aufnahme von Antibiotika wie Ciprofloxacin führt“, erklärt Ana Rita Brochado. Das Ergebnis: Koffein schwächt die Wirkung dieses Antibiotikums – ein Phänomen, das die Forscher als „antagonistische Interaktion“ bezeichnen.

    Diese abschwächende Wirkung bestimmter Antibiotika war bei Salmonella enterica, einem eng mit E. coli verwandten Erreger, nicht nachweisbar. Dies zeigt, dass selbst bei ähnlichen Bakterienarten gleiche Umweltreize zu unterschiedlichen Reaktionen führen können – möglicherweise aufgrund von Unterschieden in den Transportwegen oder deren Beitrag zur Antibiotikaaufnahme. Die Rektorin der Universität Tübingen, Prof. Dr. Dr. h.c. (Dōshisha) Karla Pollmann, betont: „Solche Grundlagenforschung zu den Auswirkungen von täglich konsumierten Substanzen unterstreicht die entscheidende Rolle der Wissenschaft für das Verständnis und die Lösung realer Probleme.“

    Die in der Fachzeitschrift PLOS Biology veröffentlichte Studie leistet einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der sogenannten „Low-Level“-Antibiotikaresistenz, die nicht auf klassische Resistenzgene zurückzuführen ist, sondern auf Regulation und Umweltanpassung. Dies könnte Auswirkungen auf zukünftige Therapieansätze haben: Was während der Behandlung eingenommen wird und in welcher Menge – ob ein anderes Medikament oder ein Nahrungsmittelbestandteil – sollte stärker berücksichtigt werden.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Ana Rita Brochado
    Universität Tübingen
    Interfakultäres Institut für Mikrobiologie und Infektionsmedizin (IMIT)
    Exzellenzcluster „Mikroben kontrollieren, Infektionen bekämpfen“ (CMFI)
    ana.brochado@uni-tuebingen.de
    Website

    Christoph Binsfeld
    Universität Würzburg
    Abteilung Mikrobiologie, Biocenter


    Originalpublikation:

    Binsfeld C, Olayo-Alarcon R, Perez Jimenez L, Wartel M, Stadler M, Mateus A, Müller C, Brochado AR. (2025) Systematic screen uncovers regulator contributions to chemical cues in Escherichia coli. PLOS Biology 23(7). https://doi.org/10.1371/journal.pbio.3003260


    Bilder

    Die Wissenschaftlerin Ana Rita Brochado (rechts) und ihre Labormitarbeiterin Laura Sniegula blicken auf die Daten des Pipettierroboters. Mit diesem Laborgerät untersuchte das Team die Wirkung von 94 verschiedenen Substanzen.
    Die Wissenschaftlerin Ana Rita Brochado (rechts) und ihre Labormitarbeiterin Laura Sniegula blicken ...
    Quelle: Leon Kokkoliadis
    Copyright: Universität Tübingen

    Kaffeebohnen vor dem Pipettierroboter, mit dem das Team ein umfangreiches Screening von 94 verschiedenen Substanzen, darunter Antibiotika und andere, auf ihre Auswirkungen auf das Bakterium E. coli, einen potenziellen Krankheitserreger, durchgeführt hat.
    Kaffeebohnen vor dem Pipettierroboter, mit dem das Team ein umfangreiches Screening von 94 verschied ...
    Quelle: Leon Kokkoliadis
    Copyright: Universität Tübingen


    Anhang
    attachment icon Koffein kann die Wirksamkeit bestimmter Antibiotika schwächen

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Biologie, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Die Wissenschaftlerin Ana Rita Brochado (rechts) und ihre Labormitarbeiterin Laura Sniegula blicken auf die Daten des Pipettierroboters. Mit diesem Laborgerät untersuchte das Team die Wirkung von 94 verschiedenen Substanzen.


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    Kaffeebohnen vor dem Pipettierroboter, mit dem das Team ein umfangreiches Screening von 94 verschiedenen Substanzen, darunter Antibiotika und andere, auf ihre Auswirkungen auf das Bakterium E. coli, einen potenziellen Krankheitserreger, durchgeführt hat.


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