Wasser, das aus Gezeitenflüssen für die menschliche Nutzung gewonnen wird, ist weltweit von Versalzung bedroht. Das ist das Ergebnis der aktuellen Studie eines internationalen Forschungsteams unter Federführung der amerikanischen University of Maryland, die jetzt in der Fachzeitschrift Environmental Science & Technology Letters veröffentlicht wurde und an der auch das Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) beteiligt war. Ursachen sind vor allem Klimawandelfolgen wie anhaltende Dürreperioden und Meeresspiegelanstieg. Aber auch lokale menschliche Eingriffe direkt an den Tideflüssen begünstigen einen Anstieg des Salzgehalts in diesen lebenswichtigen Süßwasserressourcen.
Zwei Drittel der weltweiten Trinkwasserversorgung stammt aus Oberflächengewässern, nicht aus Grundwasser. Eine ganz wesentliche Rolle spielen dabei auch Flüsse, die ins Meer münden und in Küstennähe unter dem Einfluss von Gezeiten stehen. Ihr Wasser wird in der Landwirtschaft, für industrielle Produktion, als Kühlwasser in Industrieanlagen u. Ä. verwendet. Bislang stand die Gefährdung der Wasserversorgung für diese Zwecke durch die Versalzung solcher Tideflüsse wenig im Fokus des wissenschaftlichen und öffentlichen Interesses, obwohl erhöhte Salzgehalte im Trinkwasser und in der landwirtschaftlichen Bewässerung äußerst gesundheits- und umweltschädlich sind und durch Salz beschleunigte Korrosion in der Industrie ein großes Problem darstellt.
„Die Versalzung von Wasserressourcen in Gezeitenflüssen ist ein globales Problem, das bisher nur in standortspezifischen Studien untersucht wurde“, sagt Ming Li, Experte für die Modellierung von Küsten- und Ästuardynamik an der University of Maryland und Erstautor der jetzt publizierten Studie. Das Forschungsteam beschreibt daher nicht nur Einzelfälle, in denen Trinkwasserentnahmen aus großen Flüssen in den USA wie dem Mississippi, dem Chao Phraya in Thailand oder dem Rhein in Deutschland durch Versalzung bedroht sind. Es wurden auch erstmals Ergebnisse aus 170 Studien aus aller Welt zu verschiedensten Aspekten des Themas Salzkontamination von Tideflüssen zusammengetragen. Dabei nahmen die Forschenden ozeanographische und hydrologische Prozesse in den Blick, die das Eindringen von Salzwasser begünstigen, sowie Prozesse in Wassereinzugsgebieten, die zu verstärkter Erosion und Verwitterung und damit zu erhöhtem Salzeintrag in Flüsse führen.
Zentrale Ergebnisse der Studie sind:
• Der Klimawandel ist der Haupttreiber der Versalzung. Der beschleunigte Meeresspiegelanstieg, immer längere Trockenheitsphasen und dadurch bedingte sehr niedrige Abflussraten in Flussläufen, aber auch Extremwetterereignisse, die durch Starkregen zu punktuell sehr hohen Einträgen von Salzen aus den Wassereinzugsgebieten führen, sorgen für eine erhebliche Zunahme des Versalzungsproblems.
• Menschliche Aktivitäten und Eingriffe in die betroffenen Flüsse, wie die Vertiefung von Fahrrinnen in Flussmündungen, die übermäßige Verwendung von Streusalz und durch Menschen beschleunigte Verwitterungsprozesse an Land tragen ebenfalls zu erhöhten Salzgehalten bei und verschärfen die Probleme zusätzlich.
• Tideflüsse auf allen Kontinenten und in allen Klimazonen sind betroffen, von halbtrockenen bis zu niederschlagsreichen gemäßigten Zonen, sowohl, was die Trinkwasserproblematik als auch die Schäden für Umwelt und Infrastruktur angeht.
• Die Versalzung von Süßwasser kann außerdem zu schädlichen Sekundäreffekten führen, wie die Verschärfung von Sauerstoffdefiziten und die zusätzliche Schad- und Nährstoffmobilisierung in den betroffenen Flüssen, einschließlich Schwermetall- und radioaktiver Belastung.
Auch Hans Burchard, IOW-Experte für ozeanographische Prozesse in Ästuaren und Küstenmeeren, hat an der jetzt vorgelegten Studie mitgewirkt. Zusammen mit Ming Li leitet er eine internationale Arbeitsgruppe des Scientific Committee on Oceanic Research (SCOR, https://scor-int.org/group/oceanic-salt-intrusion-into-tidal-freshwater-rivers-s...) zum Thema Versalzung von durch Gezeiten beeinflussten Flüssen. „Auch in Deutschland, das nicht zu den typischen Trockengebieten der Erde zählt, sind in den letzten Jahren Dürreperioden aufgetreten, bei denen der Süßwasserabfluss in einigen Flüssen extrem niedrige Werte angenommen hat“, sagt der IOW-Forscher. So verzeichnete beispielsweise der Rhein im Sommer 2022 mit 673 m3/s den niedrigsten jemals gemessenen Abfluss. Dabei drang in den Niederlanden gezeitenbedingt das Salzwasser mehr als 10 km weiter in den Fluss ein als im langjährigen Mittel. Auch die Weser und die Elbe zeigen in den letzten Jahren die niedrigsten Abflüsse seit den 1950er Jahren mit ähnlichen Folgen.
„Immer waren langanhaltende Dürreperioden in den Fluss-Einzugsgebieten der Grund für diese aktuellen Salzintrusionen. Zusätzlich tragen aber auch die Vertiefung von Ästuaren in den letzten 100 Jahren für Schiffe mit immer mehr Tiefgang zum Langzeittrend zunehmender Flussversalzung bei“, so Burchard. Aufgrund des Klimawandels mit immer trockneren Sommern müsse man zukünftig auch in Deutschland mit einer Zunahme dieses Phänomens rechnen. „Damit werden Probleme bei der Wasserentnahme für Landwirtschaft und Trinkwasser zunehmen, sowie Einschränkungen der Biodiversität entlang der Ästuare, da viele Süßwasserarten häufiges Eindringen von Salzwasser- nicht tolerieren“, so Hans Burchard abschließend.
Zum Autorenteam der jetzt vorgelegten Studie gehören neben der University of Maryland und dem IOW außerdem noch Forschende der Pennsylvania State University, der Rutgers University, der Woods Hole Oceanographic Institution, der University of Pennsylvania und der Salisbury University. Alle sehen angesichts der sich verschärfenden weltweiten Versalzungskrise dringenden Handlungsbedarf, insbesondere die Notwendigkeit, Wissenschaft, Ingenieurswesen, Wasserressourcenmanagement und Gesetzgebung zusammenzubringen, um die gefährdeten Süßwasserressourcen und die lebenswichtige Infrastruktur, durch die das Wasser bereitgestellt wird, zu schützen.
Konkret fordern sie:
• Eine verbesserte Überwachung und Messung der Salz-Ionen-Zusammensetzung des Flusswassers, die sich oft stark von der des Meerwassers unterscheidet, ist von entscheidender Bedeutung für ein besseres Verständnis der Herkunft der Salze, ihres Transports und ihres Verbleibs in Wassereinzugsgebieten und Gezeitenflüssen, was dem Schutz der Infrastruktur zugutekommt.
• Die Entwicklung von hydrologisch-hydrodynamischen Modellen, die den Transport bestimmter Salz-Ionen simulieren können, ist für eine genaue Vorhersage und die Bewertung von Risiken für die Infrastruktur unerlässlich.
• Bei der Entwicklung von Entscheidungshilfen für die Vorhersage und Bewältigung von Salzkontaminationen sollten auch lokale Interessengruppen einbezogen werden, um möglichst effektiv zu vermitteln, dass der Schutz der Infrastruktur ein zentraler Aspekt bei der Bewältigung des Versalzungsproblems ist.
Prof. Dr. Hans Burchard | Tel.: +49 381 – 5197 140 | E-Mail: hans.burchard@io-warnemuende.de
Ming Li, Raymond G. Najjar, Sujay Kaushal, Alfonso Mejia, Robert J. Chant, David K. Ralston, Hans Burchard, Antonia Hadjimichael, Allison Lassiter, Xiaohong Wang: The Emerging Global Threat of Salt Contamination of Water Supplies in Tidal Rivers. Environ. Sci. Technol. Lett. 2025, https://pubs.acs.org/doi/10.1021/acs.estlett.5c00505
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Quelle: Sophie Burchard
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Geowissenschaften, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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