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06.08.2025 11:58

Arbeitgeberpflichten bei Hitze gelten auch fürs Home-Office

Claudia Staat Kommunikation
Frankfurt University of Applied Sciences

    Prof. Dr. Peter Wedde verweist auf geltendes Recht bei hohen Sommertemperaturen am Arbeitsplatz

    Den bisherigen Hitzerekord des Jahres 2025 hält Andernach in Rheinland-Pfalz, wo am 2. Juli 39,3 Grad Celsius gemessen wurden. Wer an solch heißen Tagen arbeiten muss, kann froh sein, wenn sein Arbeitsplatz klimatisiert ist oder es dort wenigstens einen leistungsfähigen Ventilator gibt. An vielen Arbeitsplätzen fehlen Möglichkeiten zur Minderung der Wärmebelastung aber ganz oder kommen aufgrund der Art der Tätigkeit nicht in Betracht.

    Dies gilt insbesondere für Arbeiten im Freien – aber auch für viele Home-Office-Arbeitsplätze.
    Hitze am Arbeitsplatz hat negative Auswirkungen auf die Gesundheit von Beschäftigten und reduziert zugleich die Effektivität der Arbeitsleistung. Was Arbeitgeber tun müssen, um ihre Beschäftigten zu schützen, erläutert Prof. Dr. Peter Wedde, emeritierter Professor für Arbeitsrecht und Recht der Informationsgesellschaft an der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS).

    Kein Rechtsanspruch auf „Hitzefrei“
    „Einen Anspruch auf ,Hitzefrei‘ für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sehen die gesetzlichen Regeln zum Arbeits- und Gesundheitsschutz in Deutschland nicht vor. Nach der einschlägigen Regelung in § 618 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) müssen Arbeitgeber lediglich Arbeitsräume zur Verfügung stellen, in denen ihre Beschäftigten vor Gefahren für Leben und Gesundheit geschützt sind. Den Umfang dieser Verpflichtung konkretisiert die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV). Sie zielt darauf, Gefährdungen der Sicherheit und der Gesundheit von Beschäftigten am Arbeitsplatz zu vermeiden oder so gering wie möglich zu halten.“

    Die von Arbeitgebern nach der ArbStättV zu treffenden Schutzmaßnahmen hängen von der Art der Tätigkeit ab. Im Straßenbau müssen zum Hitzeschutz naturgemäß andere Vorkehrungen getroffen werden als in Supermärkten oder in Fabrikhallen. Arbeitgeber erfüllen ihre Verpflichtung zum Schutz ihrer Beschäftigten, wenn sie die Vorgaben der vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales veröffentlichten Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR) einhalten. Hierzu führt Wedde aus: „Die ASR A3.5 koppelt Schutzmaßnahmen an festgelegte Temperaturgrenzen. Zeigt das Raumthermometer mehr als 26 Grad an, müssen Arbeitgeber spezifische Maßnahmen zum Schutz von Beschäftigten ergreifen, die schwere körperliche Arbeit leisten oder schwere Arbeits- oder Schutzbekleidung tragen müssen. Gleiches gilt für gesundheitlich vorbelastete Beschäftigte. In Betracht kommen beispielsweise ein Schutz vor Sonnenlicht, der Einsatz von Lüftungssystemen, die Bereitstellung von Getränken oder die Verkürzung der Arbeitszeit. Bei Erreichen der Schwelle von 30 Grad gelten die Schutzmaßnahmen für alle Beschäftigten.“

    Kaltes Fußbad und Eis in der Pause
    Wie diese Schutzmaßnahmen auszugestalten sind, hängt nach den Worten von Wedde von der individuellen Arbeitssituation ab: „Wer bei 30 Grad in einem Büro ohne Klimaanlage am Schreibtisch sitzt, der kommt mit weniger Schutzmaßnahmen aus als jemand, der bei mehr als 26 Grad körperlich schwer arbeiten muss. Unabhängig von der individuellen Tätigkeit sollten Arbeitgeber bei Raumtemperaturen von mehr als 26 Grad aber immer allen Beschäftigten kostenlose Getränke zur Verfügung stellen. Und auch das Verteilen von Ventilatoren in Büros, die Lockerung von Bekleidungsvorgaben oder eine umfassende Lüftung der Räume am frühen Morgen macht die Arbeit an heißen Sommertagen ab 26 Grad für alle Beschäftigten erträglicher. Stehen dazu noch Schüsseln mit Eiswasser für ein erfrischendes Fußbad zwischendurch zur Verfügung oder gibt die Chefetage in der Pause Speiseeis aus, macht die so erzeugte gute Stimmung die hohe Raumtemperatur zumindest gefühlt erträglicher.“

    35 Grad ist die Grenze
    Übersteigt die Raumtemperatur die 35 Grad-Marke, darf nur weitergearbeitet werden, wenn in den betroffenen Räumen spezifische Vorkehrungen wie etwa Luftduschen oder Wasserschleier zur Verfügung stehen. Gleiches gilt für hitzebelastete Arbeitsplätze im Freien, etwa im Straßen- oder Landschaftsbau. Gibt es derartige Schutzmaßnahmen nicht, darf bei Erreichen dieser Temperaturschwelle in den betroffenen Räumen nicht mehr gearbeitet werden. Wo es möglich ist, können Beschäftigten Arbeitsplätze in kühleren Räumen oder Bereichen zugewiesen werden. Wo das nicht geht, bleibt Arbeitgebern nur die Freistellung von der Arbeit bei Fortzahlung von Lohn oder Gehalt – oder anders gesagt „bezahltes Hitzefrei“.

    Erstattung von Stromkosten für private Klimaanlage
    Diese Vorgaben gelten auch fürs Home-Office. Die häuslichen Arbeitsplätze sind aus dem Blickwinkel des Arbeits- und Gesundheitsschutzes sozusagen Teil des Betriebs. Hierzu merkt Wedde an: „Ermöglichen Arbeitgeber ihren Beschäftigten, einen Teil der Arbeit von zuhause aus zu leisten, sind sie auch dort für die Durchführung des gesetzlichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes weiterhin primär verantwortlich. Sie können den im Home-Office tätigen Beschäftigten beispielsweise Ventilatoren anbieten oder die temporäre Verlagerung der gesamten Arbeitszeit in betriebliche Räume anordnen, etwa wenn Beschäftigte in einer schlecht isolierten Dachwohnung leben.
    Nutzen Beschäftigte an heißen Tagen eine private Klimaanlage, müssen Arbeitgeber die anfallenden Stromkosten übernehmen, wenn nur so eine Höchsttemperatur gesichert werden kann, die den gesetzlichen Vorgaben entspricht.“

    Wärmeschutz für langfristig zufriedene Belegschaft
    Mit spontanen Maßnahmen als Reaktion auf immer öfter durch das Land rollende Hitzewellen ist es nach Feststellung von Wedde nicht getan. Angesichts der fortschreitenden Klimaveränderungen fordert er: „Arbeitgeber müssen sich Gedanken darüber machen, wie betriebliche Arbeitsplätze grundsätzlich und dauerhaft so ausgestaltet werden, dass sie hohen Außentemperaturen dauerhaft standhalten. Hierfür ist beispielsweise eine wirksame Gebäudeisolierung ebenso notwendig wie der Einbau von effizienten und sparsamen Lüftungs- oder Kühlungssystemen.“
    Aktionismus an den ersten heißen Sommertagen wie Hamsterkäufe von Ventilatoren hilft nach seiner Einschätzung nicht weiter. „Arbeitgeber müssen sich klarmachen, dass ein wirksamer Hitzeschutz für den Betrieb unabhängig von der Jahreszeit unverzüglich geplant und umgesetzt werden muss. Wer jetzt die entsprechenden baulichen Maßnahmen in Auftrag gibt, stellt sicher, dass Beschäftigte auch im nächsten heißen Sommer hier noch gern arbeiten. Die Investition in Wärmeschutz sichert damit sowohl die Gesundheit der Mitarbeitenden als auch ihre Bindung an den Betrieb.“

    Zur Person:
    Prof. Dr. Peter Wedde war bis zum Sommersemester 2021 Professor für Arbeitsrecht und Recht der Informationsgesellschaft an der Frankfurt UAS. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören das individuelle und kollektive Arbeitsrecht sowie Daten- und Beschäftigtendatenschutz. Er ist Herausgeber von juristischen Fachkommentaren zum gesamten Individualarbeitsrecht, zum Betriebsverfassungs- und zum Datenschutzrecht sowie Autor zahlreicher Buch- und Zeitschriftenbeiträge und Onlinepublikationen. Als Referent vertritt er seine Schwerpunktthemen regelmäßig auf Fachkonferenzen und in Praxisforen.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Frankfurt University of Applied Sciences, Fachbereich 2: Informatik und Ingenieurwissenschaften, Prof. Dr. Peter Wedde, Telefon: +49 171 3802499, E-Mail: wedde@fra-uas.de


    Bilder

    Prof. Dr. Peter Wedde, emeritierter Arbeitsrechtexperte der Frankfurt University of Applied Sciences.
    Prof. Dr. Peter Wedde, emeritierter Arbeitsrechtexperte der Frankfurt University of Applied Sciences ...
    Quelle: Foto: privat


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    Recht
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft
    Deutsch


     

    Prof. Dr. Peter Wedde, emeritierter Arbeitsrechtexperte der Frankfurt University of Applied Sciences.


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