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26.08.2025 15:39

„Too young to lead“? - Aktuelle Studie geht Vorurteilen gegenüber jungen Führungskräften auf den Grund

Eva Sittig Presse, Kommunikation und Marketing
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

    Fachliche Kompetenz oder Erfahrung - was genau qualifiziert Führungskräfte? Und welchen Vorurteilen begegnen gerade junge Menschen mit Führungsverantwortung?

    Was qualifiziert Führungskräfte – fachliche Kompetenz oder Erfahrung? In der Realität erleben vor allem junge Menschen mit Führungsverantwortung, dass sie stark über ihr Alter und weniger über ihre Leistungen und Entscheidungen auf ebenjener Position definiert werden. Diese erfahrungsbasierte Evidenz haben Dr. Christoph Daldrop, Postdoktorand am Institut für Betriebswirtschaftslehre der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), Prof. Dr. Astrid C. Homan von der Faculty of Social and Behavioural Sciences der Universität Amsterdam und Prof. Dr. Claudia Buengeler vom Institut für Betriebswirtschaftslehre der CAU, in einer kürzlich veröffentlichten Studie eine wissenschaftliche Basis gegeben. „Wir wollten vor allem den zugrunde liegenden Mechanismus erklären: Warum passiert das, wie passiert das. Der zweite Punkt ist, dass wir zeigen wollten, dass es nicht für alle gleich ist. Also wer wen abwertet“, umreißt Dr. Daldrop, der selbst erst 2024 von der Akademie der Wissenschaften in Hamburg in das Young Academy Fellows-Programm für herausragende junge Forschende aus Norddeutschland aufgenommen wurde, das Ziel der Studie.

    Die Hypothesen

    Am Anfang der Studie stehen zwei Hypothesen:
    Hypothese 1: Junge Führungskräfte werden systematisch abgewertet, weil sie nicht dem etablierten Bild einer Führungskraft entsprechen, insbesondere bezüglich der Wahrnehmung von Kompetenz, Empathie und Integrität.

    Hypothese 2: Altersstereotype gegenüber jungen Führungskräften sind insbesondere bei älteren Beobachter*innen stärker ausgeprägt als bei jüngeren.

    Um zu klären, ob diese Hypothesen durch empirische Daten gestützt werden, haben die Autor*innen zwei Experimente durchgeführt. In einem ersten Schritt wurden Proband*innen gebeten, anhand einer Liste von etwa 50 Eigenschaften wie Intelligenz, Dominanz, Warmherzigkeit oder Kreativität, das Bild einer „typischen“ und einer „idealen“ Führungskraft zu umschreiben. In einem zweiten Schritt sollte dann eine andere Gruppe von Proband*innen unterschiedliche Altersgruppen anhand der gleichen 50 Eigenschaften bewerten.

    Die Untersuchungen wurden mit insgesamt 912 Proband*innen in den USA durchgeführt – auch deshalb, weil sich die Vorstellungen von typischen und idealen Führungskräften in westlichen Ländern wie den USA und Deutschland als relativ ähnlich erweisen. Vorhandene kulturelle Unterschiede seien nicht so stark, dass sie die Ergebnisse wesentlich verändern würden, so Dr. Daldrop.

    Junge Erwachsene werden als weniger kompetent wahrgenommen

    Das Ergebnis zeigt eindeutig: Junge Erwachsene werden als kreativ, innovationsfähig und anpassungsfähig gesehen. Aber gleichzeitig als impulsiv, weniger kompetent und weniger zuverlässig. Älteren Personen hingegen wird automatisch mehr Kompetenz, Verlässlichkeit und Empathie zugeschrieben.

    Hinweise, dass jüngere Führungskräfte tatsächlich weniger kompetent oder effektiv sind, gibt es laut Studie hingegen nicht. Jedoch beeinflusse die Abweichung vom Bild der „typischen“ Führungskraft die Bewertung. Und auch der Einfluss des Alters der bewertenden Person auf die Bewertung konnte nachgewiesen werden: „Der Unterschied zwischen den Vorurteilen, die Jüngere gegenüber Jüngeren haben und den Vorurteilen, die Ältere gegen Jüngere haben, der war schon sehr groß“, fasst Dr. Daldrop zusammen. Je älter der Proband oder die Probandin, desto eher spricht sie jüngeren Menschen Führungsqualitäten ab. Andersherum konnte der gleiche Effekt nicht beobachtet werden.

    In der Praxis ist es selten nur das Alter, das das Bild einer Person prägt. Doch andere Untersuchungen zeigen, dass das Alter in Punkto Wahrnehmung der Kompetenz zur Führungskraft einen ähnlich großen Einfluss hat wie beispielsweise das Geschlecht.

    Eine moderne Gesellschaft kann sich Altersdiskriminierung nicht leisten

    „Wir sollten junges Alter mit in die Diskussion um Diskriminierungsformen aufnehmen“, fordert Prof. Dr. Buengeler als logische Konsequenz der Ergebnisse der Studie. Altersdiskriminierung gegenüber jüngeren Menschen sei deutlich akzeptierter als andere Diskriminierungsformen, weil es ein vorübergehender Zustand ist, jeder älter werde. „Da altersbezogene Abwertung potenziell jede Person im Laufe ihres Lebens betrifft, erscheint Altersdiskriminierung gesellschaftlich oft weniger problematisch als etwa geschlechtsbezogene Diskriminierung“, beschreibt Prof. Dr. Buengeler einen der Gründe, warum Altersdiskriminierung an vielen Stellen noch nicht viel Beachtung findet. Die Lösung könne trotzdem nicht sein, jüngeren Menschen zu raten, abzuwarten, bis sie ein bestimmtes Alter erreichen.

    Denn die Studie zeigt: Es geht nicht um tatsächliche Eigenschaften, sondern um die Wahrnehmung – mit weitreichenden Auswirkungen für junge Führungsanwärter*innen, Organisationen und auch die Gesellschaft. Strukturelle Veränderungen wie altersgemischte Teams, Sensibilisierungsprogramme gegen unbewusste Vorurteile oder zeitlich befristete Führungspositionen könnten helfen. Doch für eine weitreichende Veränderung braucht es ein Umdenken. Ein schnelles Umdenken. Denn „eine moderne, innovative Gesellschaft kann es sich nicht leisten, junge Menschen systematisch auszubremsen“, schlussfolgern die Autor*innen.

    Fotos zum Download:

    http://www.uni-kiel.de/de/pressemitteilungen/universitaetspreise/daldrop.jpg
    Was qualifiziert Führungskräfte? Dieser Frage ist Dr. Christoph Daldrop in seiner Untersuchung nachgegegangen.
    © Thomas Faust

    http://www.uni-kiel.de/de/pressemitteilungen/2025/Buengeler_small.jpg
    Prof. Dr. Buengeler fordert als logische Konsequenz der Ergebnisse der Studie, junges Alter als Diskriminierungsgrund zu diskutieren.
    © Thomas Faust

    Presse, Kommunikation und Marketing, Eva Sittig, Text/Redaktion: Lisa Pandelaki/Sabrina Santoro
    Postanschrift: D-24098 Kiel, Telefon: (0431) 880-2104
    presse@uv.uni-kiel.de | http://www.uni-kiel.de
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    Link zur Meldung: http://www.uni-kiel.de/de/detailansicht/news/144-too-young-to-lead


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Christoph Daldrop
    Post-Doc, Institut für Betriebswirtschaftslehre
    Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
    0431 / 880-6404
    daldrop@bwl.uni-kiel.de

    Prof. Dr. Claudia Buengeler
    Institut für Betriebswirtschaftslehre
    Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
    0431 / 880-6400
    buengeler@bwl.uni-kiel.de


    Originalpublikation:

    Daldrop, C., Homan, A. C., & Buengeler, C. (2025). Too young to lead? Role incongruity explains age bias against young leaders. The Leadership Quarterly. doi:10.1016/j.leaqua.2025.101878


    Weitere Informationen:

    https://- Daldrop, C., Buengeler, C., & Homan, A. C. (2023). An intersectional lens on young leaders: Bias towards young women and young men in leadership positions. Frontiers in Psychology, 14, #1204547. doi:10.3389/fpsyg.2023.1204547
    https://- Daldrop, C. (2023). Junge Führungskräfte: Abwertung aufgrund von Alter und Geschlecht am Arbeitsplatz. Personal Quarterly.


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Gesellschaft, Psychologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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