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01.09.2025 08:35

Wie sich Maßnahmen für Umweltschutz und für weniger Arm-Reich-Gefälle gegenseitig beeinflussen

Ulrich von Lampe Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung

    Die Zerstörung der Umwelt und die wirtschaftliche Ungleichheit – das sind zwei Kernprobleme, die Regierungen rund um den Globus erklärtermaßen in den Fokus ihrer Politik stellen. Doch bislang gab es keine umfassende Analyse dazu, wie diese beiden Probleme zusammenhängen und wie sich Politik-Maßnahmen für Umweltschutz und für weniger Arm-Reich-Gefälle gegenseitig ergänzen oder behindern. Die Studie „The Economics of Inequality and the Environment“ betrachtet nun diese Wechselwirkung mit einer Literaturanalyse. Sie wurde mitverfasst vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und veröffentlicht in der renommierten Fachzeitschrift Journal of Economic Literature.

    Die Studie benennt die theoretischen Mechanismen, die dem Wechselspiel von Umwelt und Einkommensungleichheit zugrunde liegen, und bilanziert das empirische Wissen zur Stärke dieser Mechanismen in der Praxis. Konzeptioneller Ausgangspunkt ist die von der Politik nach Kräften maximierte „soziale Wohlfahrt“ als Summe des individuellen Nutzens. Dieser Nutzen speist sich aus Gütern und Dienstleistungen, aus Freizeit und aus der Qualität der Umwelt. Der Kerngedanke lautet nun: Umweltpolitik beeinflusst nicht nur diese dritte Komponente, sondern alle Aspekte von Wohlfahrt. Denn umweltpolitische Maßnahmen verändern ja über Preise und Einkommen auch die wirtschaftliche Lage der Menschen – und zwar meist unterschiedlich bei Arm und Reich.

    „Dieses Konzept hat sehr konkrete Implikationen, zum Beispiel für die Klimapolitik“, sagt die PIK-Forscherin Ulrike Kornek, Professorin für Umwelt- und Ressourcenökonomik an der Uni Kiel und Co-Autorin der Studie. „Ob ein Preisaufschlag auf fossile Brennstoffe durchsetzbar ist, hängt stark vom Effekt auf das Arm-Reich-Gefälle ab. Der Staat kann durch Rückverteilung der Einnahmen gegensteuern, sollte hier aber wiederum die Rückwirkung auf die Klima-Bilanz kennen. Das Ausmaß der Ungleichheit prägt auch die Bereitschaft einer Gesellschaft, für Klimaschutz zu zahlen. Und die Klimakrise wiederum kann Ungleichheit vergrößern.“

    Das „Equity-Pollution-Dilemma“

    Detailliert untersucht das Forschungsteam drei Arten von Querverbindungen. Erstens geht es um den individuellen Nutzen der Umweltpolitik: Wie verändert er sich mit dem Einkommen? Dabei kommt zum Beispiel heraus, dass Ärmere weniger in Klima-Anpassung investieren können und deshalb stärker von vermiedenen Klimaschäden profitieren. In der Forschung belegt ist auch, dass weniger Tage mit exzessiver Hitze tendenziell die Arbeitsproduktivität und damit letztlich die Löhne steigen lassen, dass sie die Zahl der Arbeitsunfälle verringern und dass zudem bessere Ernten und günstige Lebensmittelpreise denkbar sind. Insofern gibt es gute Argumente, gute Klimapolitik auch als Beitrag zu sozialem Ausgleich zu sehen.

    Zweitens untersucht das Forschungsteam Querverbindungen aufgrund der Kosten der Umweltpolitik: Wie verteilen sich diese auf Arm und Reich? Das berührt sowohl Kosten, die ganz oder zum Teil auf die privaten Haushalte überwälzt werden (etwa höhere Preise für Sprit und Heiz-Brennstoffe, die in Industriestaaten überdurchschnittlich stark die Ärmeren treffen) als auch Kosten, die zunächst mal von den Unternehmen getragen werden: Das Arm-Reich-Gefälle wird auch tangiert, wenn etwa Klimapolitik bestimmte Branchen trifft und dort die Löhne und Kapitalrenditen beeinflusst.

    Drittens schließlich geht es in der Studie um Querverbindungen aufgrund von sozialer Flankierung von Umweltpolitik: Wie ändert sich mit verringertem Arm-Reich-Gefälle die Wirkungsweise von Maßnahmen etwa in Bezug auf das Klima? Dabei kann sich die Politik auch selbst ins Gehege kommen: wegen des „Equity-Pollution-Dilemmas“, wonach mehr Geld für Ärmere auch mehr Ausgaben für klimaschädliche Produkte bedeutet.

    Themen lassen sich nur gesamthaft begreifen

    Nötig sind nach Einschätzung des Forschungsteams noch mehr empirische Studien, die systematisch bestimmte „Einkommenselastizitäten“ erfassen. Diese messen, wie sich mit steigendem Haushaltseinkommen ein bestimmtes ökonomisches Verhalten verändert, beispielsweise die persönliche Zahlungsbereitschaft für Umweltschutz oder die Nachfrage nach klimaschädlichen Gütern. Zudem müssten nicht nur ökonomische Kennziffern, sondern auch solche zur Qualität der Umwelt präziser und feinkörniger gemessen werden.

    „Sowohl in der Forschung als auch in der Ausgestaltung von Politik ist es wichtig, die Zusammenhänge zwischen Ungleichheit und Umwelt angemessen zu berücksichtigen“, betont PIK-Forscherin Kornek. „Beide Themen lassen sich nur in der gesamthaften Betrachtung wirklich begreifen.“


    Originalpublikation:

    Drupp, M., Kornek, U., Meya, J., Sager, L. (2024): The Economics of Inequality and the Environment. – Journal of Economic Literature 63 (3): 840–74. [DOI: 10.1257/jel.20241696]
    https://doi.org/10.1257/jel.20241696


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Energie, Meer / Klima, Politik, Umwelt / Ökologie, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse, wissenschaftliche Weiterbildung
    Deutsch


     

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