idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
01.09.2025 10:40

Stablecoins: Europa braucht neue Strategie zum Umgang mit Kryptowährungen

Rainer Jung Abt. Öffentlichkeitsarbeit
Hans-Böckler-Stiftung

    Neue Studie von Prof. Peter Bofinger

    Stablecoins: Europa braucht neue Strategie zum Umgang mit Kryptowährungen

    Die EU sollte sich darauf einstellen, dass digitale Währungen künftig eine größere Rolle spielen könnten. Insbesondere amerikanische Stablecoins, die von der US-Regierung protegiert und nur schwach reguliert werden, stellen eine Herausforderung dar. Das zeigt ein neues Gutachten von Prof. Dr. Peter Bofinger für das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung.*

    „Mit ihrer aktuellen Regulierung der Stablecoins ist die EU auf dem Holzweg: Stablecoins, die durch Bankeinlagen gedeckt werden müssen, sind nicht ´stable´. Die EZB kann mit dem Digitalen Euro keine Alternative zu Stablecoins bieten. Der für den Einzelhandel im Euroraum konzipierte Digitale Euro ist als globales Zahlungsmittel für Unternehmen ungeeignet“, umreißt Bofinger den Reformbedarf.

    Kryptowährungen wie Bitcoin dürften vielen Menschen vor allem für ihre spektakulären Kursschwankungen bekannt sein. Als „stabile“ Alternative werden Stablecoins vermarktet: digitale Zahlungsmittel, deren Wert an eine nationale Währung wie den US-Dollar gebunden ist. Ende Juli unterzeichnete der amerikanische Präsident Donald Trump den so genannten Genius Act, ein Gesetz, das erstmals USA-weit die Herausgabe von Stablecoins reguliert. Die Trump-Regierung hat ein Interesse daran, solche Kryptowährungen attraktiv zu machen. Unter anderem, weil sie dazu beitragen können, die internationale Vormachtstellung des US-Dollars im digitalen Zeitalter zu sichern.

    Was davon aus geldpolitischer Sicht zu halten ist, hat Peter Bofinger untersucht, der an der Universität Würzburg lehrt und Senior Research Fellow des IMK ist. Seiner Analyse zufolge stellen Stablecoins zurzeit noch ein Nischenprodukt dar, könnten sich aber in manchen Bereichen durchaus als Erfolgsmodell entpuppen. Um sich für diese Entwicklung zu wappnen, sollte die EU ihre Regulierung anpassen und alternative Zahlungssysteme fördern.

    Laut IMK-Direktor Prof. Dr. Sebastian Dullien haben Stablecoins das Potenzial, die Kosten internationaler Transaktionen deutlich zu verringern. „Werden sie aber unzureichend oder falsch reguliert, so drohen neue Risiken auch für das traditionelle Finanzsystem. Der neue Genius Act der US-Regierung zur Regulierung von Stablecoins ist nicht geeignet, diese Risiken einzuhegen. Gleichzeitig fehlt der EU eine Strategie, auf die Entwicklungen in den USA in diesem Bereich zu reagieren. Der Genius Act sollte ein Wecksignal für die Europäer sein, sich eine eigene Strategie zu suchen, den Euro als internationale Währung zu stärken und internationale Transaktionskosten zu senken.“

    So wie andere Kryptowährungen hätten Stablecoins den Vorteil, dass sie direkte Zahlungen ohne den Umweg über Banken ermöglichen, schreibt Bofinger. Die Bindung an eine staatliche Währung werde auf zweierlei Art erreicht: Die Stablecoins seien entweder durch Bankguthaben oder durch Staatsanleihen weitgehend gedeckt, sodass sie sich jederzeit in die entsprechende Währung umtauschen lassen.

    Regelmäßig genutzt werden Stablecoins der Studie zufolge zum einen für den Handel auf Kryptobörsen – ähnlich wie Jetons, die man für ein Kasino braucht. Zum anderen seien sie für internationale Zahlungen gut geeignet, da die Abwicklung schneller und sicherer funktioniert als bei Überweisungen, an denen Banken in mehreren Staaten beteiligt sind. Wegen der Anonymität böten sich die digitalen Währungen zudem für illegale Geschäfte an sowie für die Wertaufbewahrung in Ländern mit instabilen Finanzsystemen und Kapitalverkehrskontrollen. Im Einzelhandel hingegen seien sie unbedeutend, weil es dort gut etablierte und effiziente Alternativen gibt.

    -80 Prozent Marktanteil für Tether und USD Coin-

    Wie oft bei digitalen Plattformen schränkten Netzwerkeffekte den Wettbewerb ein, so Bofinger. Infolgedessen gebe es zwei dominante Anbieter – Tether und USD Coin –, die in den vergangenen Jahren zusammen stets auf einen Marktanteil von über 80 Prozent gekommen sind. Beide Unternehmen bieten durch US-Staatsanleihen gedeckte Stablecoins an – was die Nachfrage nach amerikanischen Schuldverschreibungen vergrößert. Der Gesamtwert sämtlicher Stablecoins lag im Mai 2025 bei 246 Milliarden Dollar, was gut einem Prozent der US-Geldmenge entspricht.

    Angesichts dieser überschaubaren Bedeutung seien die Risiken für die Geldpolitik aktuell begrenzt, erklärt der Ökonom. Es sei aber nicht auszuschließen, dass sich das unter anderem durch den Genius Act ändert. Wie mit potenziellen Gefahren am besten umzugehen ist, hänge dabei auch von der Deckung der Stablecoins ab.

    Wenn Stablecoins, die durch Bankguthaben gedeckt sind, in Verkehr gebracht werden, ändere sich an der Geldmenge insgesamt nichts, heißt es in der Studie. Die Kontrolle der Zentralbank über die Geldschöpfung sei in diesem Fall also nicht gefährdet. Wenn es allerdings zu einer Flucht aus Stablecoins kommen sollte, also auf einen Schlag große Mengen von ihnen umgetauscht werden, könnten die Banken, bei denen die Guthaben zur Sicherung deponiert sind, in Schieflage geraten. Umgekehrt sei die Krise einer einzelnen Bank in der Lage, die Stabilität einer digitalen Währung in Mitleidenschaft zu ziehen. Das habe das Beispiel der Silicon Valley Bank gezeigt, deren Kollaps im März 2023 den Kurs von USD Coin kurzfristig von einem Dollar auf 0,88 Dollar einbrechen ließ.

    Die Deckung durch Staatsanleihen ist Bofinger zufolge in dieser Hinsicht weniger riskant: Wenn es zu massenhaften Verkäufen kommt, belaste das zwar den Markt für Staatsanleihen. Allerdings sei dieser Markt zum einen sehr liquide, zum anderen könne die Zentralbank hier besser eingreifen als bei einzelnen Banken, ohne den Wettbewerb zu verzerren. Unabhängig von der Art der Deckung könnten sich indes längere Phasen mit niedrigen oder negativen Zinsen verhängnisvoll auswirken. Denn das Geschäftsmodell rechne sich nur, wenn die Staatsanleihen oder Bankguthaben, die zur Sicherung der zinslosen Stablecoins dienen, ihrerseits Rendite abwerfen.

    Da der Ankauf von Staatsanleihen durch Stablecoin-Anbieter die Geldmenge erhöht, stelle sich zudem die Frage, wie Zentralbanken diesen Prozess steuern können, so der Wissenschaftler. Die Anbieter so wie Geschäftsbanken zu verpflichten, Mindestreserven in Form von Zentralbankgeld zu halten, wäre zwar denkbar, allerdings schwer durchzusetzen, wenn es sich um ausländische Unternehmen handelt. Als letztes Mittel könnten Zentralbanken selbst digitale Währungen anbieten, die Zinsen bringen, und so die Nachfrage nach Stablecoins senken.

    Sorgen hinsichtlich einer „Dollarisierung“ der Eurozone hält Bofinger zwar für stark übertrieben: Solange der Euro eine stabile Währung ist, sei es wenig wahrscheinlich, dass Bürgerinnen und Bürger massenhaft umsteigen. Aus Sicht der europäischen Politik stelle die absehbar wachsende Rolle ausländischer Stablecoin-Anbieter aber eine „zusätzliche Bedrohung für die digitale Souveränität“ dar.

    Damit hiesige Wettbewerber überhaupt eine Chance haben, müsse unter anderem die EU-Regulierung geändert werden. Diese schreibt bislang noch eine Deckung durch Bankguthaben vor – nach Bofingers Analyse können dadurch große Risiken für die Finanzstabilität entstehen. Der Digitale Euro sei keine überzeugende Antwort, da er ausdrücklich nur für den Einzelhandel innerhalb der Eurozone konzipiert ist. Stattdessen empfehle es sich, nationale Zahlungssysteme der Mitgliedsstaaten besser miteinander zu verknüpfen, sodass grenzüberschreitende Transaktionen einfacher und günstiger werden.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Sebastian Dullien
    Wissenschaftlicher Direktor IMK
    Tel.: 0211-7778-331
    E-Mail: Sebastian-Dullien@boeckler.de

    Rainer Jung
    Leiter Pressestelle
    Tel.: 0211-7778-150
    E-Mail: Rainer-Jung@boeckler.de


    Originalpublikation:

    *Peter Bofinger: Stablecoins and the Future of Money: Economic Principles and Policy Implications, IMK Study Nr. 100, August 2025. Download: https://www.imk-boeckler.de/de/faust-detail.htm?sync_id=HBS-009201

    Stabile Kryptowährungen? In der neuen Folge unseres Podcasts „Systemrelevant“ sprechen Peter Bofinger und Sebastian Dullien über Stablecoins. Anhören unter: https://www.boeckler.de/de/podcasts-22421-stablecoins-eine-gute-idee-71200.htm


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Gesellschaft, Politik, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).