Von App bis Polter-Tarnung: Innovative Lösungsansätze für den Waldschutz liegen vor
Nach dem Förderaufruf „Waldschutz zur Unterstützung der nachhaltigen Forstwirtschaft“ gingen zwischen 2018 und 2020 zehn Forschungsvorhaben an den Start, die das Bundesministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat (BMLEH) über jeweils zwei bis vier Jahre mit Fördermitteln unterstützte. Inzwischen liegen die Ergebnisse der insgesamt 26 Teilvorhaben vor. Neben dem Monitoring von Forstschädlingen lag der Fokus z. B. auf der Entwicklung von Entscheidungshilfen für oder gegen den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln (PSM), der insektizidfreien Schädlingsabwehr oder auf akzeptanzfördernder Kommunikation zum Thema PSM.
PROTECTFOREST: Elektronische Nase warnt vor Massenbefall durch Borkenkäfer
Im Projekt PROTECTFOREST entwickelten Forstwissenschaftler zusammen mit Drohnenspezialisten eine eindrucksvolle technische Lösung zur Früherkennung von Borkenkäferbefall in Fichtenbeständen. Die im Projekt konzipierte Drohne spürt beim Überfliegen von Waldbeständen mit einem Gas-Sensor Monoterpene auf – flüchtige organische Verbindungen aus dem Harz käferbefallener Fichten. Von den Verdachtsbeständen nimmt sie mit Spezialkameras Bilder aus verschiedenen Farbbereichen auf – auch jenseits des sichtbaren Lichts. Zeigen sich bei der Auswertung der Bilder mit eigens entwickelten Berechnungsverfahren erste, für das menschliche Auge noch unsichtbare Veränderungen als Beleg für einen Käferbefall, kann direkt gegengesteuert werden, bevor eine Massenvermehrung einsetzt.
Die Drohne war in Versuchsflächen mit variierender Befallsintensität in der Lage, den sich entwickelnden Käferbefall mehrere Wochen bis Monate vor einer sichtbaren Verfärbung der Krone zuverlässig zu detektieren. Besonders in schwer zugänglichem Gelände oder großen Beständen kann der Drohneneinsatz die Arbeit des Forstpersonals zuverlässig unterstützen. Interessierte Waldbesitzer oder Forstbetriebe können sich an die Cadmic GmbH wenden, um Beratung oder eine maßgeschneiderte Drohne samt Sensortechnik und Support zu erhalten.
ReBek: Thymianöl als olfaktorische Tarnung für Rohholz
Wie naturnaher Waldschutz ohne Insektizide gelingen kann, untersuchte das Verbundprojekt zur Entwicklung leistungsfähiger und naturnaher Regulations- und Bekämpfungsverfahren (ReBek) mit zwei unterschiedlichen Verfahren. Zum einen wurden Lockstoff-Fallen entwickelt, die den Großen Braunen Rüsselkäfer gezielt anziehen und fangen – mit dem Ziel, dessen Populationsdichte in gefährdeten Regionen abzusenken. In den Fallen erwiesen sich neben Käferpheromonen die Duftstoffe aus Fichten und Kiefern als besonders wirksam.
Zum anderen stand der nützlingsschonende Schutz von unbefallenem Rohholz und Holzpoltern im Blickpunkt: Mit sogenannten Non-Habitat-Volatiles – Duftstoffen, die dem Borkenkäfer ein für ihn ungeeignetes Brutumfeld vorgaukeln – wurde das Holz olfaktorisch getarnt.
Am erfolgreichsten war der Einsatz von Thymianöl, das in Feldversuchen an Fichtenpoltern den Befall durch Borkenkäfer für bis zu zwölf Wochen um über 99 Prozent absenken konnte. Signifikant besiedlungssenkende Wirkung bei Borkenkäfern zeigten außerdem ätherische Auszüge aus Salbeiöl und Anisöl. Auch Essigsäure in Kombination mit Octenol – einer chemischen Verbindung aus dem Waldboden – sowie Auszüge aus Zitrone, Oregano, Koriander wirkten auf die Schädlinge abschreckend.
Die olfaktorische Tarnung mit Thymianöl ist praxisreif und kann zeitnah in das integrierte Waldschutzmanagement eingebunden werden, sofern das Mittel die pflanzenschutzrechtliche Zulassung erlangt. Die ReBek-Projektergebnisse werden u. a. hier vorgestellt.
AWANTI: Entscheidungshilfe für oder gegen PSM
Gehäuft auftretende Massenvermehrungen von Forstschädlingen stellen Waldbesitzende vor die Frage nach Nutzen, Risiken, Kosten und rechtlichem Rahmen der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (PSM). Kommen keine Schutzmaßnahmen zum Einsatz, drohen wirtschaftliche Einbußen bis zum Totalverlust. Werden die Insektenpopulationen überwacht und Schutzmaßnahmen eingesetzt, minimieren sich die Ertrags- und Lebensraumverluste. Allerdings schlagen Kosten für Bestandskontrolle und PSM-Einsatz zu Buche.
Eine Entscheidungshilfe zur optimalen Verfahrensweise gibt ein im Verbundvorhaben AWANTI entwickeltes Webtool. Waldbesitzer können mit dem Tool AWANTIweb bei Befall ihrer Bestände u.a. durch Kiefernspinner, Nonne, Kiefernbuschhornblattwespe und Eichenprozessionsspinner verschiedene Szenarien der Anwendung und Nicht-Anwendung von PSM simulieren und vergleichen. Das Tool berechnet sowohl den wirtschaftlichen Nutzen als auch das Umweltrisiko der Maßnahmen. Zusätzlich können Informationen zu ökologischen Auswirkungen auf die Wald-Ökosystemleistungen abgerufen werden – über eine Verlinkung zu einem weiteren Webtool aus dem Partnervorhaben ARTEMIS.
ARTEMIS: Flexible Schadschwellen für situationsgerechtes Risikomanagement
Im Verbundvorhaben ARTEMIS haben Forschende anhand der Auswirkungen von blatt- und nadelfressenden Insekten Werkzeuge für ein anpassungsfähiges Waldschutz-Risikomanagement mit flexiblen Schadschwellen erarbeitet. Das ARTEMIS-Webtool „Waldschutz – Adaptives Risikomanagement in Eichen- und Kiefernwäldern“ ist über die Projektseite öffentlich zugänglich und ermöglicht fundierte Auskünfte sowohl zu den Folgen von Fraßschäden durch Insekten als auch von Pflanzenschutzmittelanwendungen. Dabei werden die Ökosystemleistungen von Wäldern – etwa CO2-Senke, Holzproduktion, Biodiversität, Erholungswert – die bei Insektenbefall unterschiedlich beeinträchtigt sein können, möglichst umfassend berücksichtigt.
Der im Tool mit unterschiedlicher Sachtiefe abrufbare Wissensstand ermöglicht dem Nutzer eine komplexe Analyse der Konsequenzen und ein situationsgerechtes Risikomanagement. Kontextabhängig kann entschieden werden, wann Eingriffe notwendig und welche geeignet sind. Die Erkenntnisse sind auf alle Waldbesitzarten übertragbar. Sie befördern zudem einen sachlichen Diskurs zum Einsatz von Pflanzenschutzmitteln im Wald.
RiKA: Pflanzenschutz verständlich kommunizieren
Die akzeptanzfördernde Kommunikation von Pflanzenschutzmaßnahmen in Wäldern stand im Mittelpunkt des Projektes RiKA. Ziel war die Entwicklung entsprechender Medienkampagnen, um über den Hintergrund der Maßnahmen aufzuklären. In Kooperation mit einer Agentur realisierten die Projektbeteiligten die Kampagne „Zuhause im Wald – Waldschutzmaßnahmen für einen klimaresilienten Wald von morgen“ mit Angeboten für forstinterne wie für externe Zielgruppen.
Die interne Kampagne stellt fertige Angebote für die Forstakteure zur Information der Öffentlichkeit bereit, während die externe Kampagne sich direkt an urbane Interessenten sowie an Naturschutzorganisationen richtet und über Waldschutzmaßnahmen und PSM-Einsätze aufklärt, u. a. über soziale Medien oder Videos im Fahrgast-TV im ÖPNV. Die Kommunikationsformate stehen Forstakteuren und Multiplikatoren auf der Projektseite kostenfrei zur Verfügung.
Hintergrund:
Massenvermehrungen blatt- und nadelfressender Insekten können zusammen mit abiotischen Stressoren wie Trockenheit und Befall durch Sekundärschaderreger zum Absterben ganzer Waldbestände führen. In solchen Fällen kommen auf die jeweilige Situation zugeschnittene Strategien Einschlag und Entnahme befallener Bäume sowie die Anwendung von PSM in Frage.
Der PSM-Einsatz in der Forstwirtschaft unterliegt dem Pflanzenschutzgesetz. Um Nützlinge zu schonen, schreibt das Gesetz den integrierten Pflanzenschutz und damit eine Kombination aus
technischen, biologischen, physikalischen und chemischen Maßnahmen verbindlich vor. Bei Massenvermehrungen von Schadinsekten bleibt der Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel als Ultima Ratio möglich.
Projektinformationen: https://www.fnr.de/fileadmin/Projekte/2025/Waldschutz/Auflistung_weiterer_Vorhab...
Weitere Informationen:
https://veranstaltungen.fnr.de/wald-seminare/rueckblick/2025/waldschutz-insekten...
Über die FNR:
https://www.fnr.de/fnr-struktur-aufgaben-lage/fachagentur-nachwachsende-rohstoff...
Dr. Kristin Morgenstern
Tel.: +49 3843 6930-332
E-Mail: k.morgenstern@fnr.de
Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V.
Dr. Paula Halbig
Tel.: +49 3843 6930-367
E-Mail: p.halbig@fnr.de
https://wald.fnr.de/index.php?id=17913&fkz=22005617
http://www.cadmic.de/protectforest.html
https://www.fnr.de/fileadmin/projektdatenbank/22019917.pdf
https://veranstaltungen.fnr.de/wald-seminare/rueckblick/2025/waldschutz-insekten...
https://projekte.fnr.de/index.php?id=18415&fkz=2219NR396
https://artemis.ontodigital.de/startseite
https://www.artemis-waldschutz.de/
https://tu-dresden.de/bu/umwelt/forst/oekonomie/foe/forschungsprojekte/rika
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
fachunabhängig
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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