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03.09.2025 09:30

Europäische Klimaneutralität bis 2050 rechnet sich auch ökonomisch – EU-Investitionsfonds sorgt für Effizienz

Rainer Jung Abt. Öffentlichkeitsarbeit
Hans-Böckler-Stiftung

    Neue Studie des IMK

    Europäische Klimaneutralität bis 2050 rechnet sich auch ökonomisch – EU-Investitionsfonds sorgt für Effizienz

    Es rechnet sich ökonomisch, wenn die EU ihr Ziel der CO₂-Neutralität bis 2050 konsequent verfolgt und erreicht. Denn die dabei entstehenden Kosten sind niedriger als die wirtschaftlichen Schäden, die anderenfalls durch einen verschärften Klimawandel entstehen. Dabei sollte aber nicht nur die CO₂-Bepreisung als zentrales Instrument eingesetzt werden, sondern auch ein zusätzlicher Investitionsfonds auf EU-Ebene, weil er die notwendige Transformation gesamtwirtschaftlich effizienter macht – trotz zusätzlicher Kredite, die zur Finanzierung nötig wären.

    Das ergibt eine neue Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung, die die wirtschaftlichen Wirkungen einer Kombination aus konsequenter CO₂-Bepreisung und einer mit einem solchen Fonds finanzierten Investitionsoffensive auf EU-Ebene vergleicht mit dem aktuellen klimapolitischen Status Quo.*

    Die Studie arbeitet dabei mit verschiedenen Szenarien. In einem Positiv-Szenario, in dem weltweit eine ähnlich ambitionierte Klimapolitik verfolgt wird wie in der EU, würde laut Studie das Bruttoinlandsprodukt (BIP) des Euroraums bei konservativer Abschätzung vermiedener Schäden bereits im Zeitraum von 2036 bis 2040 um ein Prozent höher ausfallen, wenn komplementär zur CO₂-Bepreisung ein Investitionsfonds zwischen 2027 und 2034 EU-weit jährlich 170 Milliarden Euro vor allem in ein nicht-fossiles Energiesystem und eine klimafreundliche Produktion investiert. Dieser Gewinn an Wirtschaftskraft würde die Verluste ausgleichen, die im Zeitraum von 2025 bis 2035 durch die Aufwendungen für CO₂-Neutralität bis 2050 entstehen. Im Zeitraum von 2041 bis 2045 betrüge der Vorsprung beim BIP schon knapp drei Prozent, zwischen 2046 und 2051 knapp fünf Prozent.

    In einem zweiten Szenario, in dem andere Länder eine deutlich weniger ambitionierte Klimapolitik verfolgen als die EU, wäre die Entwicklung der Wirtschaftsleistung im Euroraum spürbar schwächer. Auch in diesem Szenario würde sich ein EU-Investitionsfonds aber positiv auswirken. Denn er würde wesentlich dazu beitragen, dass es sich auch in diesem Szenario über die kommenden 25 Jahre trotz höherer Einbußen in der ersten Zeit mit Blick auf die Wirtschaftskraft rechnet, wenn die EU bis 2050 die CO₂-Emissionen auf Null reduziert (siehe für beide Szenarien auch die Abbildung in der pdf-Version dieser PM; Link unten).

    „Unsere Ergebnisse zeigen, dass durch die CO₂-Besteuerung zunächst negative Auswirkungen auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sowie inflationäre Effekte entstehen. Berücksichtigt man jedoch den Klimawandel und die damit verbundenen langfristigen Schäden für das Wirtschaftswachstum, zeigt sich, dass Untätigkeit weitaus schwerwiegendere Folgen in der Zukunft haben wird“, schreiben die Studienautoren PD Dr. Sebastian Watzka, Dr. Christoph Paetz und Yannick Rinne. Ein EU-weiter Investitionsfonds würde die Dekarbonisierung der europäischen Volkswirtschaften beschleunigen und gleichzeitig die vorübergehend negativen wirtschaftlichen Auswirkungen abfedern.

    In ihren Berechnungen mit dem international anerkannten makroökonomischen Modell NiGEM gehen die Wissenschaftler davon aus, dass zusätzlich zur CO₂-Bepreisung zwischen 2027 und 2034 jährlich rund ein Prozent des EU-weiten BIP, was etwa 170 Milliarden Euro entspricht, in einen europäischen Investitionsfonds fließen. Je nachdem, wie konsequent die Dekarbonisierung vorangetrieben wird, entstehen durch den Klimawandel mehr oder weniger zusätzliche Kosten, etwa durch Verluste an fruchtbaren Böden, steigenden Meeresspiegel oder mehr Extremwetterereignisse. Um diese Schäden – und den wirtschaftlichen Wert ihrer Vermeidung – zu quantifizieren, stützen sich die Forscher unter anderem auf Daten des „Network for Greening the Financial System” (NGFS) und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, die entsprechende Berechnungen bereits durchgeführt haben.

    -An der globalen Zusammenarbeit hängt viel, aber Übergangskosten lassen sich auch auf europäischer Ebene erheblich beeinflussen-

    Die deutlichen Unterschiede, die sich in den beiden Szenarien zeigen, unterstreichen die Bedeutung der globalen Zusammenarbeit für eine wirksamere Eindämmung des Temperaturanstiegs, betonen die Forscher des IMK. Wichtig sei jedoch auch das Ergebnis, dass in beiden Szenarien die Übergangskosten durch die Einrichtung eines EU-Investitionsfonds erheblich gesenkt werden könnten. Das gesamtwirtschaftliche Verhältnis von Aufwand und Ertrag einer ambitionierten Klimapolitik in Europa lasse sich also zu einem wichtigen Teil auf europäischer Ebene beeinflussen.

    Über den EU-Investitionsfonds ließen sich öffentliche Investitionen effizienter finanzieren, als dies den einzelnen Mitgliedstaaten angesichts ihres begrenzten nationalen finanzpolitischen Spielraums möglich wäre. Als Vorbilder könnten bereits existierende EU-Programme wie die Aufbau- und Resilienzfazilität (RRF) dienen, die maßgeblich zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise beigetragen hat, sowie der europäische Aufbauplan NextGenerationEU.

    Laut den Wissenschaftlern ist die Ausweitung dieser Modelle auf die sozial-ökologische Transformation wirtschaftlich sinnvoll und notwendig, um weitaus kostspieligere Zukunftsszenarien zu vermeiden. Durch gezielte grüne Investitionen sinken die CO₂-Preise für Haushalte und Unternehmen. Der Fonds federt damit nicht nur kurzfristige BIP-Verluste ab, sondern steigert auch das langfristige Wachstumspotenzial Europas.

    Die häufig vorgetragene Kritik, kreditfinanzierte Investitionen seien nicht tragfähig, stützt sich nach Ansicht der IMK-Forscher auf Analysen, die klimabedingte Schäden und Übergangskosten ignorieren. Dadurch würden falsche Schlüsse gezogen und sowohl der verfügbare finanzpolitische Spielraum als auch die Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum falsch eingeschätzt. „Die Entscheidungsträger müssen erkennen, dass Nicht-Handeln im Klimabereich keine haushaltsneutrale Option ist – es führt zu höherer Verschuldung und geringerem Wachstum“, schreiben Paetz, Rinne und Watzka.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    PD Dr. Sebastian Watzka
    IMK-Experte für Europäische Makroökonomie
    Tel.: 0211-7778-113
    E-Mail: Sebastian-Watzka@boeckler.de

    Dr. Christoph Paetz
    IMK-Experte für Steuer- und Finanzpolitik
    Tel.: 0211-7778-121
    E-Mail: Christoph-Paetz@boeckler.de

    Rainer Jung
    Leiter Pressestelle
    Tel.: 0211-7778-150
    E-Mail: Rainer-Jung@boeckler.de


    Originalpublikation:

    *Christoph Paetz, Yannick Rinne, Sebastian Watzka: The macroeconomic effects of a green European public investment fund – taking climate change into account, IMK Policy Brief Nr. 197, September 2025. Download: https://www.boeckler.de/de/faust-detail.htm?produkt=HBS-009215

    Die PM mit Abbildung (pdf): https://www.boeckler.de/data/pm_imk_2025_09_03.pdf


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Gesellschaft, Politik, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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