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04.09.2025 09:40

Effizienz im Holzbau: Die Statik zählt

Anna Ettlin Kommunikation
Empa - Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt

    Holzbau ist eine nachhaltige Alternative zu Beton. Bei der statischen Berechnung von Bauten in Holzrahmenbauweise gibt es jedoch eine Lücke: Wände mit Fensteröffnungen werden für die horizontale Aussteifung nicht berücksichtigt, weil Daten zu ihrem Tragverhalten fehlen. Ein Projekt der Empa, der Berner Fachhochschule und der ETH Zürich, in Zusammenarbeit mit dem BAFU und der Industrie, will das ändern – mit mathematischen Modellen und gross angelegten Versuchen.

    Das Holz knarrt und ächzt, während die Zahl auf dem Bildschirm immer weiter ansteigt. Bei über 100 Kilonewton Horizontallast ertönt ein lauter Knall: Einer der Balken in der zweigeschossigen Hauswand ist unter dem enormen Druck gespalten. Empa-Forscherin Nadja Manser ist zufrieden: Der Versuch war erfolgreich. Über die nächsten Tage wird die hölzerne Hauswand in der Bauhalle der Empa abgebaut und mit einer neuen Wand ersetzt, die ihrerseits bis zum Versagen belastet wird, überwacht von zahlreichen Kameras und Sensoren.
    Die spektakulären Versuche bilden die Abschlussphase eines vierjährigen Forschungsprojekts der Empa, der Berner Fachhochschule und der ETH Zürich, unterstützt vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) im Rahmen des «Aktionsplans Holz» sowie von mehreren Industriepartnern und Verbänden. Das Ziel: mehr Effizienz im Holzrahmenbau dank verbesserten statischen Berechnungen. «Wir untersuchen die horizontale Aussteifung von Gebäuden mit Holzrahmenbauwänden, die Fensteröffnungen enthalten», präzisiert Manser.

    Aussteifend und tragsicher gegen Wind und Erdbeben

    Gebäude müssen nämlich nicht nur den vertikal wirkenden Lasten standhalten, wie Schnee und Eigengewicht, sondern auch solchen, die von der Seite auf sie einwirken, etwa durch den Wind an der Fassade oder durch Erdbeben. Diese horizontalen Lasten müssen Bauingenieure im Planungsprozess berechnen, um ausreichend steife und tragsichere Bauten zu entwerfen. Beim Holzrahmenbau gibt es hier allerdings eine entscheidende Wissenslücke: «Weder in der Schweiz noch in anderen europäischen Ländern gibt es heute eine Regelung dazu, wieviel Horizontallast eine Holzrahmenwand trägt, wenn sie eine Fensteröffnung enthält», so Nadja Manser. «Sobald ein Fenster in der Fassade eingeplant ist, muss das ganze Wandsegment vom planenden Ingenieur so behandelt werden, als sei dort nur Luft. Das ist nicht effizient.»
    Also haben sich Manser, ihr Team und ihre Projektpartner 2021 zum Ziel gesetzt, die Wissenslücke zu schliessen und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, auch Wände mit Fensteröffnungen bei der Gebäudeaussteifung zu berücksichtigen. Die Versuche begannen im kleinen Rahmen an der Berner Fachhochschule in Biel, zunächst mit einzelnen Beplankungsplatten, wie sie im Holzrahmenbau verwendet werden, danach mit kleinen Wandelementen und schliesslich mit eingeschossigen Wänden mit verschieden grossen Fensteröffnungen.

    Zeit und Material sparen

    Die abschliessenden Grossversuche führten die Forschenden in der Bauhalle der Empa durch: zuerst mit zweigeschossigen Holzwänden, danach mit langen eingeschossigen Wänden, mit jeweils zwei Fensteröffnungen nebeneinander. Die Erkenntnisse daraus fliessen in ein neues Computermodell, mit dem die horizontale Aussteifung der Wände mit Fensteröffnungen berechnet werden kann. Die Arbeiten am Modell sind noch nicht abgeschlossen, die ersten Ergebnisse sind jedoch vielversprechend: Der Beitrag der Wände mit Fensteröffnungen an die Gebäudeaussteifung ist gross genug, dass in Zukunft weniger teure und arbeitsintensive Stahlverankerungen benötigt werden. «Bei gewissen Gebäuden kann womöglich auf einen Betonkern verzichtet werden, der heute bei vielen Holzbauten notwendig ist, um die gewünschten Steifigkeitswerte zu erreichen», sagt Nadja Manser. Dies spart Zeit und Material und ermöglicht wirtschaftlichere und nachhaltigere Holzbauten.
    Bevor das neue Berechnungsmodell in der Industrie zum Einsatz kommen kann, wird es noch vereinfacht. «Momentan haben wir ein komplexes Forschungsmodell mit vielen Parametern. Das Ziel ist, daraus ein vereinfachtes Praxismodell abzuleiten, das weniger rechenintensiv ist, aber trotzdem ausreichend genaue Werte liefert», erklärt Manser. Dafür arbeiten die Forschenden eng mit ihren Industriepartnern zusammen – wie schon während des gesamten Projekts. «Es war nicht immer einfach, die unterschiedlichen Ansprüche seitens der Industrie und der Forschung unter einen Hut zu bringen. Aber dafür können die Resultate unserer Arbeit rasch zur Anwendung kommen», so die Forscherin und Bauingenieurin.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Nadja Manser
    Empa, Structural Engineering
    Tel. +41 58 765 47 59
    nadja.manser@empa.ch
    Dr. René Steiger
    Empa, Structural Engineering
    Tel. +41 58 765 42 15
    rene.steiger@empa.ch


    Weitere Informationen:

    https://www.empa.ch/web/s604/holzbau-waende-mit-fensteroeffnungen


    Bilder

    Mehr als Luft: Nadja Manser untersucht die horizontale Traglast von Wänden in Holzrahmenbauweise, die Fensteröffnungen enthalten.
    Mehr als Luft: Nadja Manser untersucht die horizontale Traglast von Wänden in Holzrahmenbauweise, di ...

    Copyright: Empa

    Eine zweigeschossige Hauswand mit Fensteröffnungen wird kontrolliert unter Druck gesetzt. Die Forschenden führten eine Reihe solcher Versuche an der Empa durch. Bild: Empa
    Eine zweigeschossige Hauswand mit Fensteröffnungen wird kontrolliert unter Druck gesetzt. Die Forsch ...

    Copyright: Empa


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Bauwesen / Architektur, Umwelt / Ökologie, Werkstoffwissenschaften
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Mehr als Luft: Nadja Manser untersucht die horizontale Traglast von Wänden in Holzrahmenbauweise, die Fensteröffnungen enthalten.


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    Eine zweigeschossige Hauswand mit Fensteröffnungen wird kontrolliert unter Druck gesetzt. Die Forschenden führten eine Reihe solcher Versuche an der Empa durch. Bild: Empa


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