Flach, leicht und kompakt sollen die Kühlaggregate sein, die Professor Paul Motzki von der Universität des Saarlandes mit der Förderung "ERC Starting Grant" des Europäischen Forschungsrates entwickeln wird. Der Forscher will die neue klimaschonende Kühl- und Heiztechnologie Elastokalorik, zu deren Pionieren er zählt, mit einer einzigartigen Technologiekombination vorantreiben. In nur zwei Jahren konnte Paul Motzki damit zum dritten Mal im EU-Förderprogramm "Horizont Europa" für Forschung und Innovation punkten: Die EU verlieh ihm bereits eine "EIC Pathfinder"-Forschungsförderung für visionäre Technologien und fördert seine Forschung außerdem in einem millionenschweren EU-Cluster-Projekt.
Auf zwei verschiedene smarte Materialtechnologien hat Paul Motzki sich spezialisiert. Da sind zum einen die sogenannten Formgedächtnismaterialien: dünne Drahtbündel oder Bleche aus der Legierung Nickel-Titan, die kurz und wieder lang werden können, je nachdem, ob Strom durch sie fließt. Sie machen neuartige flexible Antriebe möglich, mit denen Motzki und sein Team unter anderem biegsame und leichte Robotergreifer bauen. Da diese Formgedächtnismaterialien beim Kurz- oder Langwerden zugleich Wärme aufnehmen und wieder abgeben können, entwickeln die Saarbrücker Forscherinnen und Forscher mit ihnen auch eine neue klimaschonende und energieeffiziente Kühl- und Heiztechnologie: die Elastokalorik.
Dünne, leichte Silikonfolien sind die zweite Art smarter Materialien, an denen Paul Motzki mit seinem Team forscht: Indem sie die elektrische Spannung ändern, lassen die Wissenschaftler diese Folien nach Wunsch beliebige Bewegungen vollführen, etwa vibrieren, klopfen, drücken oder ziehen. Dies macht es möglich, aus den Polymerfolien neuartige, leichte und energiesparende Minimotoren zu bauen. Der Professor für smarte Materialsysteme und sein Team entwickeln mit diesen Folienantrieben neuartige Pumpen und Ventile. Sie bringen die Allrounder außerdem auf Textilien auf, die auf die Haut drücken, um virtuelle Berührungen zu übertragen. Sie beschichten damit aber auch Displays von Smartphones, um Knöpfe und Tasten entstehen und wieder verschwinden zu lassen, oder eine Eingabe mit gezieltem Gegendruck der Folie an den Finger zu bestätigen.
Jetzt kombiniert Paul Motzki erstmals weltweit diese beiden innovativen Technologien miteinander, die Formgedächtnistechnologie und die Folienmotoren, um die noch junge Klimatechnologie Elastokalorik, die er selbst entwickelt hat, einen entscheidenden Schritt voranzutreiben. Die größte Forschungsförderorganisation Europas, der Europäische Forschungsrat (ERC), fördert dieses Vorhaben im Rahmen eines prestigeträchtigen ERC Starting Grants über einen Zeitraum von fünf Jahren mit Fördermitteln in Höhe von rund 1,5 Millionen Euro.
Die Vorteile beider Technologien: Sie haben kaum Gewicht, sind energieeffizient und so sauber wie der Strom selbst es ist, mit dem sie betrieben werden. Weil sie es möglich machen, große Kräfte auf kleinstem Raum auszuüben, werden sie auch als „künstliche Muskeln“ bezeichnet. „Wir wollen mit der Kombination beider Technologien Kühlaggregate entwickeln, die extrem flach, kompakt und leicht sind und sich dadurch auch einfach in andere Systeme einbauen lassen“, erklärt Paul Motzki. Herauskommen sollen also Kühlaggregate, die mit künstlichen Muskeln und Minimotoren aus smarten Materialien betrieben werden.
Daran, die Elastokalorik schnell auf den Markt zu bringen, arbeitet Paul Motzki in einem weiteren EU-Projekt: 2024 gewann er mit einem europäischen Konsortium hierfür die prestigeträchtige „EIC Pathfinder Challenge“ des Europäischen Innovationsrates in Höhe von vier Millionen Euro. Mit dieser EU-Förderung entwickelt er derzeit mit seinen Partnern den Prototyp einer Wohnraum-Klimaanlage mit Elastokalorik-Technologie. Der EIC Pathfinder wird für „visionäre, radikal neue Technologien“ vergeben, „die Wandel ins Leben bringen können, globale Herausforderungen angehen und ganz neue Märkte schaffen“. „Beim EIC Pathfinder liegt der Fokus darauf, unsere Forschungsergebnisse schnell in die Praxis zu bringen, der ERC Starting Grant fördert dagegen jetzt eine Grundlagenforschung, mit dem Ziel, die wissenschaftliche Basis der Elastokalorik entscheidend zu erweitern“, sagt Paul Motzki, der an der Universität des Saarlandes und auch am Saarbrücker Zentrum für Mechatronik und Automatisierungstechnik Zema forscht, dessen Geschäftsführer er ist.
Dass die EU einem Forscher mit EIC Pathfinder und ERC Starting Grant gleich zwei hochdotierte Auszeichnungen verleiht, ist alles andere als alltäglich. Zudem fördert die EU im Health Cluster des Programms Horizont Europa auch Motzkis Forschung an smarten Implantaten für die Medizin: An dem 21-Millionen-Forschungsprojekt Smile (Smart implants for life enrichment) sind 25 renommierte Institutionen aus zwölf europäischen Ländern beteiligt.
Hintergrund
Die Elastokalorik
Die Elastokalorik ist eine neue klimaschonende und energieeffiziente Kühl- und Heiztechnologie ohne umweltschädliche Kältemittel und ohne fossile Brennstoffe. Seit Jahren entwickeln die Forschungsteams von Paul Motzki und seines Doktorvaters Stefan Seelecke die neue Technologie an der Universität des Saarlandes und am Saarbrücker Zentrum für Mechatronik und Automatisierungstechnik in mehreren millionenschweren Forschungsprojekten. Die EU-Kommission bezeichnete die Elastokalorik als zukunftsträchtigste Alternative zu bisherigen Verfahren und das Weltwirtschaftsforum listete sie 2024 in den „TOP Ten Emerging Technologies“. Einen ersten Mini-Kühlschrank-Prototyp hat das Saarbrücker Team bereits entwickelt. Prototypen auch für die Kühlung in Fahrzeugen sind inzwischen im Rahmen anderer Forschungsprojekte in der Entwicklung.
Die Elastokalorik kühlt und heizt, indem dünne Drähte oder Bleche aus der Legierung Nickel-Titan gezogen und wieder entlastet werden, wobei sie Wärme aufnehmen und andernorts wieder abgeben. Beim Kühlen wie beim Heizen erreicht das Forschungsteam bereits Temperaturdifferenzen von jeweils rund 20 Grad Celsius. „Dies gilt für einstufige Bauelemente“, präzisiert Paul Motzki, „bauen wir die Systeme mehrstufig aus, erzielen wir sehr viel größere Temperaturspannen.“
Die Basis aller Prototypen ist das sogenannte Formgedächtnis der Metalllegierung Nickel-Titan: Nickel-Titan besitzt zwei Kristallgitter, das eine davon ist kürzer als das andere. Diese sogenannten Phasen können sich ineinander umwandeln, sie „erinnern“ sich gewissermaßen aneinander – daher die Bezeichnung als „Formgedächtnis“. Solche Phasen kennt man von Wasser: fest, flüssig und gasförmig. Bei Nickel-Titan dagegen sind beide Phasen fest. Wandelt sich eine Phase in die andere um, nehmen die Drähte oder Bleche Wärme auf, wechselt die Phase erneut, geben sie Wärme ab. Auf diese Weise kann, wenn Luft oder Flüssigkeiten an ihnen vorbeiströmen, Räumen Wärme entzogen oder zugeführt werden. „Je nach Anwendung verwenden wir Drähte, dünne Bleche oder mittlerweile auch 3D-gedruckte komplexere Geometrien aus Nickel-Titan“, erläutert Paul Motzki.
Mit diesem Prinzip entwickeln die Saarbrücker Forscherinnen und Forscher praxistaugliche Kühl- und Heizverfahren, indem sie Prototypen mithilfe cleverer Mechanik so konstruieren, dass die Drähte in Kreislaufsystemen be- und entlastet werden. Hierfür haben sie bereits in zahlreichen Projekten die Grundlagen gelegt und unter anderem erforscht, wie Antriebe Bleche oder Drähte permanent in Gang halten.
Jetzt werden sie als Minimotoren in ihren neuen Prototypen die dünnen und energiesparenden Silikonfolien einbauen. „Mit diesen sogenannten dielektrischen Elastomeren entwickeln wir neuartige Antriebe, die keine zusätzlichen Sensoren benötigen“, erläutert Paul Motzki. „Auf beiden Seiten sind die Folien mit einer elektrisch leitfähigen, hochdehnbaren Elektrodenschicht beschichtet“, erklärt er. Legen die Forscherinnen und Forscher hier eine elektrische Spannung an, ziehen sich die beiden gegenüberliegenden Elektrodenschichten durch elektrostatische Kraft an. Dadurch drückt sich die Folie in ihrer Dicke zusammen und wird in ihrer Fläche größer. „Indem wir das elektrische Feld verändern, können wir die Bewegungen der Folie steuern, sie stufenlos Hub-Bewegungen verrichten oder auch mit beliebiger Frequenz und Schwingung vibrieren lassen. Sie wird auf diese Weise zu einem leichten, aber effizienten und energiesparenden Motor“, erklärt der Forscher.
Dielektrische Folien ebenso wie Formgedächtnisdrähte brauchen keine Sensoren. „Jede Verformung der Folie wie auch der Drähte lässt sich bestimmten Messwerten der elektrischen Kapazität beziehungsweise des elektrischen Widerstandes zuordnen. Wir können an diesen Messwerten ablesen, wie sie sich verformen. Die Funktion eines Positionssensors ist also integriert“, erläutert Paul Motzki. Anhand der Messwerte programmieren er und sein Team mit Künstlicher Intelligenz präzise Bewegungsabläufe.
Horizont Europa
Horizont Europa ist das neunte Forschungsrahmenprogramm der Europäischen Union und weltweit das größte Einzelförderprogramm für Forschung und Innovation. Es zielt darauf ab, eine wissens- und innovationsgestützte Gesellschaft und eine wettbewerbsfähige Wirtschaft aufzubauen sowie gleichzeitig zu einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen.
Mit den ERC Starting Grants fördert der Europäische Forschungsrat (European Research Council, ERC) junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die vielversprechende Forschungsansätze auf dem Gebiet der Grundlagenforschung verfolgen.
Prof. Dr.-Ing. Paul Motzki
Paul Motzki ist Professor für smarte Materialsysteme der Universität des Saarlandes und forscht als Direktor des Forschungsbereichs „Smarte Materialsysteme“ auch am Saarbrücker Zentrum für Mechatronik und Automatisierungstechnik Zema, dessen Geschäftsführer er ist.
Paul Motzki studierte Mechatronik an der Universität des Saarlandes, wo er 2018 im Bereich thermischer Formgedächtnislegierungen promoviert wurde. 2016 übernahm er die Leitung der Forschungsgruppe Sensorik und Aktorik am Landesinstitut Zema. Nach erfolgreicher Promotion 2018 konnte er in der Folge seine Forschungsgruppe am Zema weiter ausbauen, sodass für diese der Forschungsbereich Smarte Materialsysteme eingerichtet wurde. Zu dessen Leitung wurde Paul Motzki 2022 auf die gemeinsame Professur an der Universität (Fachbereich Systems Engineering) und am Zema „Smarte Materialsysteme für innovative Produktion“ (SMiP) berufen. Seit 2023 leitet Paul Motzki als Vorsitzender den VDI/VDE Fachausschuss GMA 2.16: Smart Materials and Systems, und ist zudem Vorstandsmitglied des smart3 Netzwerks, Direktor im ASM International SMST Vorstand, Mitglied des ASME SMASIS Senats sowie Mitbegründer der International Elastocalorics Society – IES.
Prof. Dr.-Ing. Paul Motzki, Professur Smarte Materialsysteme für innovative Produktion der Universität des Saarlandes und ZeMA
Tel.: +49 (681) 85787-13; E-Mail: paul.motzki@uni-saarland.de
Paul Motzki, Professor für smarte Materialsysteme für innovative Produktion der Universität des Saar ...
Quelle: Foto: Sophie Lessure
Copyright: Universität des Saarlandes
Professor Paul Motzki
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler, jedermann
Elektrotechnik, Maschinenbau, Umwelt / Ökologie, Werkstoffwissenschaften
überregional
Forschungsprojekte, Wettbewerbe / Auszeichnungen
Deutsch
Paul Motzki, Professor für smarte Materialsysteme für innovative Produktion der Universität des Saar ...
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