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04.09.2025 12:09

Wie ticken innere Uhren im offenen Meer?

Roland Koch Kommunikation und Medien
Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung

    Wie innere Uhren bei Zooplankton im offenen Meer auf mechanistischer und molekularer Ebene funktionieren, ist die Kernfrage der Nachwuchsgruppe BICLOPS. Der Europäische Forschungsrat ERC fördert die Gruppe des AWI-Biologen Sören Häfker in den kommenden fünf Jahren mit 1,5 Millionen Euro.

    Im offenen Meer (pelagische Zone) vollführen zahllose verschiedene Tierarten tägliche Vertikalwanderungen, bei denen sie nachts nahe der Oberfläche fressen und sich tagsüber in der dunklen Tiefe vor Räubern verstecken. Weil sie bestimmen, wo und wann verschiedene Arten im offenen Meer interagieren, spielen Vertikalwanderungen für die Strukturierung pelagischer Ökosysteme eine entscheidende Rolle. Aber, welche äußeren Signale und inneren Mechanismen das Verhalten der Tiere steuern, ist oft noch ein Rätsel. In nahezu allen Organismen gibt es innere Uhren, die beeinflussen können, wann sie schlafen, fressen oder sich fortpflanzen. Die Uhren selbst werden durch Zyklen der Umwelt „gestellt“, wie etwa durch den Tag/Nacht-Lichtzyklus. Wie jedoch Umweltsignale auf molekularer Ebene an innere Uhren weitergeleitet werden, und wie die Uhren dann z. B. Verhaltensrhythmen erzeugen, das ist speziell für pelagische Ökosysteme noch kaum untersucht. Im offenen Meer sorgen die Veränderungen von Licht, Temperatur und anderen Parametern mit zunehmender Tiefe zudem für ein kurioses Henne-und-Ei-Problem: Durch ihre Vertikalwanderungen bestimmen pelagische Arten selbst, welchen Umweltzyklen sie ausgesetzt sind – und somit auch, wie diese Uhren „gestellt“ werden.

    Der Ruderfußkrebs Calanus finmarchicus ist nur weniger Millimeter groß, aber kann täglich mehrere hundert Meter auf und ab wandern. Calanus hat eine Schlüsselposition im nordatlantischen Ökosystem, denn die enorm zahlreichen Krebse fressen Mikroalgen und sind selber Nahrung für viele größere Arten. Eine wichtige Rolle spielt dabei ihr jahreszeitlicher „Winterschlaf“ in großer Tiefe, für den sich die Krebse große Fettreserven anfressen. Dadurch wird Calanus eine besonders lohnenswerte Beute, unter anderem auch für Hering, Kabeljau und große Bartenwale. Von der Funktionalität des Ökosystems hängt ab, wie viel Biomasse beispielsweise für die Fischerei zur Verfügung steht und auch wie viel CO2 aus der Atmosphäre in die Tiefe der Ozeane transportiert wird. Jedoch ist die Steuerung dieser jahreszeitlichen Wanderung ebenfalls noch immer ein Rätsel. „Obwohl Vertikalwanderungen absolut zentral für pelagische Ökosysteme sind, wissen wir nach wie vor kaum etwas darüber, wie sie auf mechanistischer, molekularer Ebene reguliert werden“, berichtet der Biologe Dr. Sören Häfker. „Zudem ist bisher kaum untersucht, wie innere Uhren auf Umweltveränderungen durch den Klimawandel reagieren und welche Konsequenzen das für die Fitness von Organismen und für Ökosysteme hat. Wir müssen deshalb eine Basis schaffen, um solche Fragen zu beantworten und Vorhersagen für die Zukunft zu treffen.“

    Diese Wissenslücken will Sören Häfker mit seiner neuen Nachwuchsgruppe BICLOPS (Biological Clocks in Pelagic Systems) jetzt am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) schließen. Dafür erhält er in den kommenden fünf Jahren eine Förderung des Europäischen Forschungsrats (European Research Council: ERC) in Höhe von rund 1,5 Millionen Euro. Insgesamt hatten sich in dieser Ausschreibungsrunde 3.928 Nachwuchskräfte um einen solchen ERC-Starting Grant beworben, 478 davon waren erfolgreich, das ist eine Förderquote von zwölf Prozent. Der ERC würdigte den BICLOPS-Ansatz, molekulare Methoden und Verhaltensuntersuchungen zu kombinieren.

    Um herauszufinden, wie die Ruderfußkrebse „ticken“ kommt eine Vielzahl verschiedener Techniken zum Einsatz. Sören Häfker erklärt: „Wir nutzen molekulare Methoden, um zu bestimmen, wo im Körper des Ruderfußkrebses wir die zirkadiane Uhr finden, die den 24-Stunden Rhythmus erzeugt. Außerdem werden wir erforschen, wie die Gene und Proteine interagieren, auf denen der Uhrmechanismus basiert, um einen endogenen Rhythmus zu erzeugen, der auch unter den komplexen Bedingungen im offenen Meer stabil läuft. Dazu bilden wir die natürlichen Bedingungen im Labor nach und betrachten, wie sich Rhythmen von Genaktivität, Stoffwechsel und Wanderverhalten unter verschiedenen simulierten Umweltzyklen verändern. So können wir bestimmen, wie das Zusammenspiel äußerer Faktoren und innerer Mechanismen die Tiere und ihre Wanderungen beeinflusst.“


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Sören Häfker
    +49 (0)471 4831-2360
    soeren.haefker@awi.de


    Weitere Informationen:

    https://www.awi.de/ueber-uns/service/presse.html


    Bilder

    Ruderfußkrebs Calanus finmarchicus
    Ruderfußkrebs Calanus finmarchicus
    Quelle: David Pond / Scottish
    Copyright: Scottish Association for Marine Science (SAMS) / David Pond


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
    Biologie, Meer / Klima
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Ruderfußkrebs Calanus finmarchicus


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