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04.09.2025 12:14

1,5 Millionen Euro für die Erforschung von „Bakterienfressern“

Dr. Andreas Fischer Presse und Kommunikation
Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung

    ERC Starting Grant geht an Jens Hör vom Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung

    Im Kampf gegen multiresistente Keime rücken Bakteriophagen – die natürlichen Feinde der Bakterien – in den Fokus der Forschung. Um diese „Bakterienfresser“ jedoch gezielt therapeutisch einsetzen zu können, ist es notwendig, ihre molekularen Grundlagen genau zu entschlüsseln. Dieser Aufgabe widmet sich Jens Hör vom Würzburger Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI). Der Europäische Forschungsrat (ERC, engl. European Research Council) fördert sein Forschungsprojekt „RIBO-PHAGE” mit einem ERC Starting Grant ab 2026 über einen Zeitraum von fünf Jahren mit 1,5 Millionen Euro.

    Infektionen durch antibiotikaresistente Bakterien sind weltweit eine große Bedrohung für die Gesundheit. Deshalb besteht ein dringender Bedarf an neuen antibakteriellen Wirkstoffen. Bei deren Suche rücken zunehmend die natürlichen Feinde von Bakterien in den Fokus: Bakteriophagen, kurz Phagen. Das sind Viren, die Bakterien befallen. Sie heften sich an ein Bakterium an und schleusen ihre Erbinformation ein. So übernehmen sie die Kontrolle und verwandeln das Bakterium in eine regelrechte „Phagen-Fabrik“. Diese produziert dann neue Phagen, bis das befallene Bakterium platzt und sie freisetzt. Jeder so freigesetzte Phage kann wiederum weitere Bakterien infizieren, sodass eine Kettenreaktion entsteht, bis alle Bakterien zerstört sind.

    Diese „Bakterienfresser“ – das bedeutet der ursprünglich vom Griechischen abgeleitete Begriff „Bakteriophage“ – stehen im Fokus der Forschung von Jens Hör am Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) in Würzburg. Das Institut ist ein Standort des Braunschweiger Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Kooperation mit der Julius-Maximilians-Universität (JMU) in Würzburg. Für sein Forschungsvorhaben „RIBO-PHAGE” erhält Hör einen Starting Grant des Europäischen Forschungsrats (ERC) in Höhe von 1,5 Millionen Euro.

    „Die Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen zählt zu den drängendsten Herausforderungen unserer Zeit. Umso erfreulicher ist es, dass der ERC Juniorprofessor Jens Hör mit einem Starting Grant ausgezeichnet hat. Dank dieser renommierten Förderung kann er seine zukunftsweisende Forschung auf höchstem Niveau fortsetzen“, sagt Jörg Vogel, Geschäftsführender Direktor des HIRI.

    „Phagen sind weit mehr als faszinierende biologische Werkzeuge – sie haben das Potenzial, zu einem Game-Changer im klinischen Alltag zu werden, gerade im Kampf gegen multiresistente Bakterien. Damit wir dieses Potenzial ausschöpfen, braucht es Forschung wie die von Jens Hör an unserem HZI-Institut HIRI in Würzburg. ERC Grants zählen dabei zu den bedeutendsten Förderinstrumenten in der internationalen Wissenschaft und schaffen den Freiraum, solche innovativen Ansätze zu verfolgen und so die Basis für zukünftige Therapien zu legen“, sagt Josef Penninger, Wissenschaftlicher Geschäftsführer des HZI. „Ich gratuliere Jens Hör sehr herzlich zu diesem großartigen Erfolg.“

    RNA-Phagen im Fokus

    Der therapeutische Einsatz von Phagen hat seinen Ursprung zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Allerdings geriet er zunehmend in den Hintergrund, insbesondere aufgrund der Entwicklung und des großen Erfolgs von herkömmlichen Antibiotika. Jüngste Erkenntnisse haben Phagen wieder ins Rampenlicht gerückt und ihr Potenzial in der Grundlagen- und angewandten Forschung aufgezeigt: So konnte durch Phagenforschung beispielsweise nachgewiesen werden, dass bestimmte Aspekte des angeborenen Immunsystems des Menschen auf bakterielle Abwehrmechanismen zurückgehen. Zudem erzielten Forschende bedeutende Fortschritte bei der Entwicklung von Phagen als Therapeutikum, um Infektionen zu behandeln, die durch multiresistente Bakterien verursacht wurden.

    Diese Renaissance lässt jedoch eine historisch kaum erforschte Gruppe erneut außen vor: Phagen mit Ribonukleinsäure (RNA, engl. ribonucleic acid) als Erbgut. „Ihre Biologie ist grundlegend anders als die der DNA-Phagen, deren genetisches Material aus Desoxyribonukleinsäure (DNA) besteht. Das beginnt bereits bei ihrem Erscheinungsbild: Während DNA-Phagen über einen Kopf- und einen Schwanzteil verfügen, besteht ein RNA-Phage nur aus dem Kopfteil“, erklärt Hör, der die Forschungsgruppe „Molekulare Grundlagen von RNA-Phagen“ am HIRI leitet und gleichzeitig eine Juniorprofessur an der Universität Würzburg innehat. RNA-Phagen machen bislang nur einen Bruchteil der bekannten Phagenarten aus. Mit seinem ERC-Projekt will Hör nun dazu beitragen, diese besondere Phagengruppe besser zu verstehen.

    Damit sie sich effizient vermehren können, nutzen RNA-Phagen einzigartige Kontrollstrategien, die steuern, welche Proteine zu welchem Zeitpunkt produziert werden. Die Wirte – also Bakterien, die von Phagen befallen werden – verfügen wiederum über eigene Abwehrsysteme, um die Eindringlinge zu stoppen. Diese Prozesse sind genau aufeinander abgestimmt. Das Ziel der Phagen ist es, sich so schnell wie möglich zu vermehren. Die Wirtszelle hingegen hat zum Ziel, die Phagen abzuwehren – idealerweise, ohne sich dabei selbst zu schädigen.

    „Diese Wirkmechanismen zu verstehen, ist einerseits Voraussetzung für die Nutzung von RNA-Phagen als Therapeutika. Andererseits eröffnet sich dadurch die Möglichkeit, gänzlich neue biotechnologische Werkzeuge zu entdecken“, sagt Jens Hör. „In meinem RIBO-PHAGE-Projekt möchte ich daher die einzigartige Lebensweise von RNA-Phagen betrachten und somit ein detailliertes Bild der molekularen Prozesse liefern, die grundlegend für eine Infektion sind.“ Hör möchte insbesondere entschlüsseln, wie RNA-Phagen ihre Vervielfältigung effizient steuern und welche Wirtsfaktoren sie sich währenddessen zunutze machen. Darüber hinaus beabsichtigt er, näher zu beleuchten, wie sich Bakterien gegen Infektionen durch RNA-Phagen verteidigen. Er wird unter anderem RNA-Phagen der Familien Fiersviridae und Cystoviridae als Modelle verwenden, die beispielsweise Bakterien wie Escherichia und Pseudomonas befallen.

    Jens Hör ist bereits der fünfte Arbeitsgruppenleiter am HIRI, den der Europäische Forschungsrat mit einem ERC Grant fördert. „Die erfolgreiche Bewerbung für diese Förderung ist nicht nur ein eindrucksvoller Beleg für die herausragende Stellung des HIRI in der internationalen Forschungslandschaft. Sie zeigt auch, dass die Phagenforschung inzwischen eine kritische Masse erreicht hat und in der Medizin angekommen ist“, schließt Jörg Vogel.

    Über Jens Hör
    Jens Hör schloss 2013 sein Masterstudium in Lebens- und Gesundheitswissenschaften an der Universität Bonn ab und promovierte 2020 an der Universität Würzburg. Im Rahmen dieser Studien beschäftigte er sich mit der globalen Analyse bakterieller RNA-Protein-Komplexe. Anschließend ging er als Postdoktorand an das Weizmann Institute of Science in Rehovot, Israel, wo er die Mechanismen der bakteriellen Anti-Phagen-Abwehr erforschte. Seit 2024 ist er Forschungsgruppenleiter am HIRI und Juniorprofessor an der JMU.
    Mehr über Jens Hör, seine Forschung an RNA-Phagen und die noch fehlenden Schritte zu einem flächendeckenden Einsatz von Phagen-Therapien in Deutschland erfahren Sie in der heute erschienenen Folge von „InFact – Der HZI-Podcast. Wissenschaft, die ansteckt“: https://infacthzi.podigee.io/33-phagen-bakterienfresser-gegen-gefahrliche-infekt....

    Über das HIRI
    Das Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) ist die weltweit erste Einrichtung ihrer Art, die die Forschung an Ribonukleinsäuren (RNA) mit der Infektionsbiologie vereint. Auf Basis neuer Erkenntnisse aus seinem starken Grundlagenforschungsprogramm will das Institut innovative therapeutische Ansätze entwickeln, um menschliche Infektionen besser diagnostizieren und behandeln zu können. Das HIRI ist ein Standort des Braunschweiger Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Kooperation mit der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) und befindet sich auf dem Würzburger Medizin-Campus. Weitere Informationen unter http://www.helmholtz-hiri.de

    Die ERC Starting Grants
    ERC Starting Grants sind Förderinstrumente des Europäischen Forschungsrats (ERC, von engl. European Research Council), die junge Wissenschaftler:innen dabei unterstützen, den Karrieresprung zu unabhängigen und selbständigen Spitzenforscher:innen zu machen. Bei Antragsstellung dürfen höchstens sieben Jahre seit dem Erlangen des Doktorgrades vergangen sein, ausdrücklich einziges Bewertungskriterium ist die wissenschaftliche Exzellenz der Forschenden und des vorgeschlagenen Projektes. Die erfolgreichen Projekte werden bis zu fünf Jahre mit einer Gesamtsumme von bis zu 1,5 Millionen Euro gefördert.

    Der Europäische Forschungsrat
    Der Europäische Forschungsrat, der 2007 von der Europäischen Union eingerichtet wurde, ist die erste europäische Förderorganisation für exzellente Pionierforschung. Jedes Jahr wählt und fördert er die besten und kreativsten Forscher:innen jeder Nationalität und jeden Alters, um Projekte mit Sitz in Europa durchzuführen. Der ERC bietet vier Kernförderprogramme an: Starting, Consolidator, Advanced und Synergy Grants. Mit seinem zusätzlichen Proof-of-Concept-Grant-Programm hilft der ERC den Grant-Stipendiat:innen, die Lücke zwischen ihrer Pionierforschung und den frühen Phasen ihrer Vermarktung zu schließen. https://erc.europa.eu/homepage

    Diese Pressemitteilung, weitere Informationen und Bildmaterial finden Sie auch auf unserer Homepage: https://www.helmholtz-hzi.de/media-center/newsroom/news-detailseite/15-millionen....

    Das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung:
    Wissenschaftler:innen am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) untersuchen in Braunschweig und an anderen Standorten in Deutschland bakterielle und virale Infektionen sowie die Abwehrmechanismen des Körpers. Sie verfügen über fundiertes Fachwissen in der Naturstoffforschung und deren Nutzung als wertvolle Quelle für neuartige Antiinfektiva. Als Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft und des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) betreibt das HZI translationale Forschung, um die Grundlagen für die Entwicklung neuartiger Therapien und Impfstoffe gegen Infektionskrankheiten zu schaffen. http://www.helmholtz-hzi.de

    Medienkontakt:
    Luisa Härtig
    Manager Communications
    Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI)
    luisa.haertig@helmholtz-hiri.de
    +49 (0)931 31 86688


    Weitere Informationen:

    https://www.helmholtz-hiri.de/de/newsroom/news/detail/news/dem-virus-ein-schnipp... Meldung "Dem Virus ein Schnippchen schlagen"


    Bilder

    Jens Hör vom Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) erhält einen ERC Starting Grant.
    Jens Hör vom Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) erhält einen ERC Startin ...
    Quelle: Nik Schölzel
    Copyright: HIRI / Nik Schölzel


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
    Biologie, Chemie, Medizin
    überregional
    Forschungsprojekte, Wettbewerbe / Auszeichnungen
    Deutsch


     

    Jens Hör vom Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) erhält einen ERC Starting Grant.


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