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04.09.2025 13:10

Mariner Stickstoffkreislauf: Europäischer Forschungsrat fördert Projekt zur Rolle von Tiefsee-Schwämmen

Ulrike Prange Pressestelle
MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen

    Dr. Tanja Stratmann wird mit dem Starting Grant des Europäischen Forschungsrats (European Research Council – ERC) ausgezeichnet. Ab 2026 wird sie am MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen fünf Jahre lang den Stickstoffkreislauf von lebenden und fossilen Schwämmen erforschen.

    Für ihr Projekt „Nitrogen cycling in modern sponges with clues about their role in past oceans“, kurz SPYCLING, rückt Tanja Stratmann marine Schwämme als Vertreter der ältesten noch existierenden Tiergruppen in den Fokus. Sie wird untersuchen, wie Schwämme seit Urzeiten den zentralen Nährstoff Stickstoff umgesetzt haben und dadurch ihre Ökosystemen prägten.

    Schwämme gehören zu den ältesten Vielzellern auf der Erde und kommen in allen Gewässern vor, von Kanälen über Seen und Flüsse bis in die Tiefsee. Wie Kohlenstoff verfügt auch Stickstoff über zwei stabile Isotope, anhand derer die Position eines Organismus im Nahrungsnetz untersucht werden kann. Bislang fehlte ein tiefgreifendes Verständnis der Stickstoffumsatzprozesse in den verschiedenen Schwammklassen. Die meisten Schwämme ernähren sich, indem sie das Wasser filtrieren. „Wir haben also eine Ahnung, wie ihr chemisches Profil aussehen müsste“, sagt Stratmann. „In der Realität war das Profil von Glasschwämmen aber noch extremer, als wir vorher vermutet hatten, und stimmte nicht unbedingt mit ihrer Ernährungsweise überein.“ Es gebe hunderte Arten von taxonomisch beschriebenen Glasschwämmen, deren Funktion in ihrem Ökosystem jedoch ungeklärt ist.

    Aufgrund der großen Biomasse, die Schwämme an einigen Standorten erreichen, und ihrer Filterkapazität können sie lokale biogeochemische Kreisläufe entscheidend beeinflussen. Im Laufe der Erdgeschichte bildeten Schwämme beispielsweise symbiotische Gemeinschaften mit Mikroorganismen, die mitunter zur Stickstoffversorgung beitragen und so die Bedingungen in ihrer unmittelbaren Umgebung verändern, schreibt Stratmann in ihrer Projektbeschreibung.

    Für ihr Projekt wird Tanja Stratmann Inkubationskammern in der Tiefsee nutzen, mit denen sie bereits vor Neuseeland und im Zentralpazifik gearbeitet hat. „Wenn Glasschwämme in einer Wassertiefe von etwa 4.000 Metern leben, können sie nicht an der Wasseroberfläche, sondern nur in ihrem Lebensraum untersucht werden“, erklärt die Wissenschaftlerin. Die Daten werden über drei bis vier Tage gesammelt, dann werden die Inkubationskammern wieder entfernt.

    Stratmann wird in den kommenden Jahren aber auch fossile Schwämme untersuchen. Dabei wendet sie eine neue Methode an: Stickstoffhaltige Verbindungen aus alten Schwämmen zu extrahieren und der Isotopenmuster zu bestimmen. „Es geht nicht um das Alter der Organismen, sondern um den Kreislauf des Stickstoffs“, betont sie. Dafür arbeitet sie europaweit mit Naturkundemuseen zusammen, die über umfangreiche Sammlungen verfügen, um die Funktion der Schwämme in ihrem Ökosystem der Vergangenheit zu entschlüsseln.

    Vergangene Umweltbedingungen ableiten
    „Durch die Untersuchung des Stickstoffkreislaufs in versteinerten Schwämmen sind Rückschlüsse darauf möglich, wie die Schwämme und deren Symbionten zu Lebzeiten Stickstoff umgesetzt haben. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse werde ich wertvolle Informationen zu den marinen Umweltbedingungen erhalten, die zur Zeit der Entstehung der Schwämme herrschten“, erklärt Stratmann.

    Für Stratmann ist es eine Rückkehr an die Universität Bremen, sie hat hier Teile ihres Biologie-Studiums absolviert. Nach einer Station in Dänemark promovierte sie am NIOZ – Koninklijk Nederlands Instituut voor Zeeonderzoek (Königlich-Niederländisches Institut für Meeresforschung, NIOZ) in den Niederlanden und der Universität Gent in Belgien. Am NIOZ erhielt sie 2021 das in den Niederlanden renommierte Veni-Stipendium, mit dem sie über drei Jahre die Stoffwechselaktivität einzelner benthischer Tiere in Tiefseelebensräumen untersucht hat. Ihre Wahl, mit ihrem Grant an die Universität Bremen zu kommen, begründet sie mit der exzellenten Ausstattung am MARUM: „Die große Auswahl an Geräten für biogeochemische Methoden gibt es nicht überall.“
    Ab etwa Februar 2026 wird sie dann am MARUM arbeiten.

    Der MARUM-Direktor Kai-Uwe Hinrichs freut sich über das prestigeträchtige Projekt: „Mit Tanja Stratmann gewinnen wir ein spannendes, innovatives Projekt von hoher Bedeutung für das Leben in der Tiefsee. Gleichzeitig stärkt Tanja Stratmann unsere Expertise in der Biogeochemie und Ökologie benthischer Organismen, also Bewohnern eines Lebensraums, der zunehmend von anthropogenen Einflüssen bedroht ist.“

    Über den ERC Starting Grant
    Der ERC Starting Grant wird in diesem Jahr europaweit an 478 junge Spitzenforscher:innen vergeben, für die hohe Auszeichnung sind 3.928 Bewerbungen eingegangen. Gezielt werden damit exzellente Forschende zwei bis sieben Jahre nach ihrer Promotion ausgezeichnet. Für einen Zeitraum von fünf Jahren wird dabei richtungsweisende Grundlagenforschung mit maximal 1,5 Millionen Euro gefördert. Mit dem Geld soll ihnen ermöglicht werden, ihre eigenen Forschungsideen mit ihren Teams unabhängig umsetzen zu können.

    Das MARUM gewinnt grundlegende wissenschaftliche Erkenntnisse über die Rolle des Ozeans und des Meeresbodens im gesamten Erdsystem. Die Dynamik des Ozeans und des Meeresbodens prägen durch Wechselwirkungen von geologischen, physikalischen, biologischen und chemischen Prozessen maßgeblich das gesamte Erdsystem. Dadurch werden das Klima sowie der globale Kohlenstoffkreislauf beeinflusst und es entstehen einzigartige biologische Systeme. Das MARUM steht für grundlagenorientierte und ergebnisoffene Forschung in Verantwortung vor der Gesellschaft, zum Wohl der Meeresumwelt und im Sinne der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. Es veröffentlicht seine qualitätsgeprüften, wissenschaftlichen Daten und macht diese frei zugänglich. Das MARUM informiert die Öffentlichkeit über neue Erkenntnisse der Meeresumwelt, und stellt im Dialog mit der Gesellschaft Handlungswissen bereit. Kooperationen des MARUM mit Unternehmen und Industriepartnern erfolgen unter Wahrung seines Ziels zum Schutz der Meeresumwelt.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Tanja Stratmann
    Royal Netherlands Institute for Sea Research (NIOZ), Department of Ocean Systems (OCS)
    Universität Utrecht, Department of Earth Sciences
    E-Mail: Tanja.Stratmann@nioz.nl, t.stratmann@uu.nl

    Prof. Kai-Uwe Hinrichs
    Direktor MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen
    Organische Geochemie
    E-Mail: khinrichs@marum.de


    Weitere Informationen:

    https://www.marum.de/ERC-SPYCLING.html


    Bilder

    Ein Schwamm im westlichen indischen Ozean, aufgenommen mit ROV MARUM-SQUID an Bord der Expedition SO 306.
    Ein Schwamm im westlichen indischen Ozean, aufgenommen mit ROV MARUM-SQUID an Bord der Expedition SO ...
    Quelle: MARUM-QUEST
    Copyright: Foto: MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    Biologie, Chemie, Geowissenschaften, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsprojekte, Personalia
    Deutsch


     

    Ein Schwamm im westlichen indischen Ozean, aufgenommen mit ROV MARUM-SQUID an Bord der Expedition SO 306.


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