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04.09.2025 13:54

Der Bautrupp im Körper: Forschungsteam entdeckt neue Rolle eines Zellproteins

Thorsten Mohr Pressestelle der Universität des Saarlandes
Universität des Saarlandes

    Wie auf Autobahnen läuft der Verkehr auch im Körper nicht mehr flüssig, wenn die „Straßen“ kaputt sind, beispielsweise die Mikrotubuli. Die kleinen Röhrchen spielen eine große Rolle im Zellskelett, dem sie sie Stabilität verleihen und als Transportweg innerhalb der Zelle dienen. Ein Team der Saarbrücker Biophysik konnte nun die Rolle eines Proteins der Mikrotubuli neu definieren, das tatsächlich nicht nur stabilisiert, sondern auch die Instandsetzung beschädigter Stellen unterstützt. Ihre Beobachtungen haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nun in der Fachzeitschrift „Nature Physics“ veröffentlicht.

    Es ist eine vielgehörte Klage derzeit: Deutschland droht, international abgehängt zu werden. Kaputte Schienen, marode Straßen, überall Baustellen, Züge und Lastwagen voller Waren kommen nur langsam und über Umwege ans Ziel. Wie schön wäre es doch, wenn über Nacht ein Trupp (oder eine Legion) Heinzelmännchen käme, der die Straßen und Schienen repariert und Lastwagen und Züge schnell ans Ziel kämen.

    Was im Großen derzeit hakt, funktioniert im Kleinen erstaunlich gut. In den menschlichen Zellen bilden röhrenförmige Strukturen im Inneren der Zellen ein wichtiges Element des Zellskeletts. Sie verleihen Stabilität und übernehmen die Rolle der Straßen für den Transport von Zellbestandteilen, je nachdem, wo sie gebraucht werden. Die Rolle der Lastwagen und Züge auf diesen nur 25 Nanometer dünnen Röhrchen, Mikrotubuli genannt, spielen so genannte Motorproteine, die die zu transportierende Fracht über die Mikrotubuli hin- und herschleppen. Und wenn die Mikrotubuli beschädigt sind, holpern die Motorproteine, ähnlich wie unsere Lastwagen, nur langsam dahin. Nun sind kleinste Defekte in unserem Körper nichts Ungewöhnliches, ständig werden kaputte Zellen, Wucherungen und unerwünschte Mutationen im Zaum gehalten und repariert. Gelingt dies nicht und der Körper kann an einer Stelle die Schäden nicht mehr ausreichend reparieren, können Krankheiten die Folge sein.

    Auch die Mikrotubuli sind hier keine Ausnahme. Ihre Funktion ist essenziell einerseits für die Stabilität der Zelle, andererseits auch als „Autobahn“ für Zellbestandteile. Ein Team um die Professorin für Molekulare Zellbiophysik an der Universität des Saarlandes, Laura Aradilla, konnte nun die Rolle eines Proteins namens „Tau“ neu definieren, das insbesondere in Nervenzellen an Mikrotubuli bindet. Denn: „Es hilft dabei, dass defekte Abschnitte durch den Einbau neuer Bausteine ersetzt werden können“, erklärt die Wissenschaftlerin die Vorgänge, die ihr Doktorand Subham Biswas und sie gemeinsam mit weiteren Kolleginnen und Kollegen in der Computersimulation der Saarbrücker Biophysik sowie den Teams um Prof. Stefan Diez aus Dresden und Dr. Karin John aus Grenoble beobachten konnten. „Bislang“, so Subham Biswas, „galt Tau in der Fachwelt als Protein, das die Mikrotubuli lediglich stabilisiert. Wir konnten nun aber beobachten, dass es so etwas wie der ‚Hausmeister‘ der Mikrotubuli ist“, erklärt der Biophysiker weiter.

    Indem Tau dazu beiträgt, dass neues Tubulin als Baustein der Mikrotubuli an defekten Stellen eingebaut wird, könnte das Protein eine zentrale Rolle für die Funktionsfähigkeit von zellulären Abläufen übernehmen. „Insbesondere in den Nervenzellen, deren Mikrotubuli sehr lange Ausläufer bilden, könnte dies von großer Bedeutung sein“, schlussfolgert Laura Aradilla.

    Die nun von ihrem Doktoranden Subham Biswas und ihren Kooperationspartnern entdeckte Rolle von Tau könnte ein Ausgangspunkt für weitere Forschungen sein, um zum Beispiel neuartige Ansätze für die Bekämpfung von Krankheiten zu finden. Denn wenn es gelänge, mehr „Hausmeister“, also Tau, an die richtigen Stellen in diejenigen Zellen zu bringen, über deren Mikrotubuli die Proteine nur noch holprig dahinschleichen, könnten sich die fleißigen Helfer ans Werk machen und die Schäden zügig reparieren.

    Das klingt allerdings einfacher als es in Wirklichkeit natürlich ist. Das gilt sowohl für die winzigen Autobahnen im Körper als auch für die über 50.000 km deutscher Autobahnen und Schienen.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Laura Aradilla
    Tel.: (0681) 30268552
    E-Mail: laura.aradillazapata@uni-saarland.de


    Originalpublikation:

    Biswas, S., Grover, R., Reuther, C. et al. Tau accelerates tubulin exchange in the microtubule lattice. Nat. Phys. (2025). https://doi.org/10.1038/s41567-025-03003-7


    Bilder

    Doktorand Subham Biswas mit einem 3-D-Modell eines Mikrotubulus. Auf der Oberfläche des Röhrchens bewegen sich Motorproteine innerhalb von Zellen hin und her. Ein Protein namens Tau hilft dabei, die Oberfläche der Mikrotubuli instand zu halten.
    Doktorand Subham Biswas mit einem 3-D-Modell eines Mikrotubulus. Auf der Oberfläche des Röhrchens be ...
    Quelle: Thorsten Mohr
    Copyright: Universität des Saarlandes/Thorsten Mohr

    Prof. Dr. Laura Aradilla
    Prof. Dr. Laura Aradilla


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Medizin, Physik / Astronomie
    regional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Doktorand Subham Biswas mit einem 3-D-Modell eines Mikrotubulus. Auf der Oberfläche des Röhrchens bewegen sich Motorproteine innerhalb von Zellen hin und her. Ein Protein namens Tau hilft dabei, die Oberfläche der Mikrotubuli instand zu halten.


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