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04.09.2025 15:41

Hohe EU-Förderung zur Erforschung politischer Identität von LGBTQ*-Personen in Europa

Linda Schädler Abteilung Kommunikation
Universität Mannheim

    Der Politikwissenschaftler Dr. Constantin Wurthmann vom Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES) der Universität Mannheim erhält einen ERC Starting Grant in Höhe von 1,5 Millionen Euro. In seinem Projekt untersucht er, wie Identitäten sexueller und geschlechtlicher Minderheiten entstehen und wie sich diese auf politische Einstellungen und Parteipräferenzen auswirken.

    Der Politikwissenschaftler Dr. Constantin Wurthmann vom Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES) der Universität Mannheim erhält einen mit 1,5 Millionen Euro dotierten Starting Grant des Europäischen Forschungsrats (ERC). Der Titel seines Forschungsprojekts lautet „Queers sichtbar machen: Parteizugehörigkeit und Systemunterstützung unter sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten in West- und Osteuropa“. Mit 33 Jahren ist Wurthmann einer der wenigen, die die renommierte Förderung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach der Promotion erhalten haben.

    Bislang kaum belastbare Daten
    Trotz wachsender gesellschaftlicher Relevanz existieren bislang kaum systematische Daten zur politischen Orientierung von LGBTQ*-Personen (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Queer sowie weitere sexuelle Orientierungen und Geschlechtsidentitäten). Wurthmanns Projekt schließt diese Forschungslücke. „LGBTQ*-Personen machen rund zehn Prozent der Bevölkerung aus – und dennoch gibt es kaum belastbare Daten über ihre politischen Einstellungen. Genau das wollen wir ändern“, sagt der Politikwissenschaftler.

    Im Zentrum des Projekts stehen die Fragen, wie Identitäten sexueller und geschlechtlicher Minderheiten überhaupt entstehen, wie sich diese auf Parteipräferenzen auswirken und wie sexuelle Minderheiten in Europa zu ihren politischen Institutionen und dem politischen System in ihrem jeweiligen Land stehen. Anders als bei religiösen oder ethnischen Zugehörigkeiten, die oft familiär oder kulturell weitergegeben werden, müssen LGBTQ*-Personen ihre Identität meist selbst erschließen. Welche gesellschaftlichen oder politischen Bedingungen diesen Prozess beeinflussen, ist bisher kaum erforscht.
    Erste Studien zu politischen Einstellungen zeigen, dass LGBTQ*-Personen in Westeuropa häufiger linksliberale Parteien, in Deutschland etwa SPD, Grüne oder Die Linke unterstützen. In manchen osteuropäischen Ländern wie Polen hingegen fühlt sich diese Gruppe eher rechtsliberalen Parteien verbunden, weil die Linkskonservativen teilweise repressiv gegen sie vorgehen. Dieses Projekt untersucht in größerer Breite, wieweit Orientierungen von LGBTQ*-Personen ideologisch bedingt sind oder zum Beispiel eher pragmatische Gründe haben.

    Haben LGBTQ*-Personen geringeres Vertrauen in politische Institutionen?
    Nicht zuletzt geht es in Wurthmanns Vorhaben auch um das Verhältnis dieser Bevölkerungsgruppe zum politischen System insgesamt. Sexuelle Minderheiten haben möglicherweise geringeres Vertrauen in politische Institutionen, weil sie in vielen Ländern Diskriminierungserfahrungen gemacht haben. Auch in Deutschland wurden Homosexuelle bis in die 90er Jahre gesetzlich stigmatisiert und strafrechtlich verfolgt. Wie wirkt sich das auf ihre aktuellen Einstellungen gegenüber Regierungsinstitutionen oder Gerichten aus? Diesen Zusammenhang zu analysieren und zu verstehen versuchen, ist ein weiteres Ziel seines Projekts.

    Befragt werden rund 45.000 Personen in 13 Ländern
    Für das Projekt wird Wurthmann in acht westeuropäischen und fünf osteuropäischen Ländern – darunter Polen, Ungarn und Rumänien – qualitative Interviews und eine groß angelegte, repräsentative Online-Befragung mit rund 45.000 Personen durchführen. Der erwartete Anteil LGBTQ*-Teilnehmender liegt bei etwa zehn Prozent – genug, um fundierte Aussagen zur politischen Orientierung und zur Entwicklung von Gruppenidentitäten in den jeweiligen Ländern treffen zu können.
    „Wir reden oft über LGBTQ*-Personen – aber viel zu selten mit ihnen“, konstatiert der Politikwissenschaftler. „Ich will diesen Perspektivwechsel ermöglichen und ihre Stimmen wahrnehmbar machen.“

    Zur Person
    Constantin Wurthmann promovierte an der Universität Düsseldorf, war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei GESIS in Mannheim und Vertretungsprofessor an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Seit Oktober 2024 ist er Lorenz-von-Stein Research Fellow am MZES. Sein interdisziplinärer Ansatz verbindet Wahl- und Parteienforschung mit Perspektiven auf soziale Ungleichheit und marginalisierte Gruppen.
    Für das Projekt „Deutsche Studie zur sexuellen Identität und Wahlverhalten“ hat der Politikwissenschaftler in diesem Jahr auch eine Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) in Höhe von über 450.000 Euro erhalten.

    Über den European Research Council (ERC)
    ERC Starting Grants sollen die wissenschaftliche Unabhängigkeit der Geförderten durch den Aufbau oder die Konsolidierung eines Forschungsteams unterstützen. Sie richten sich an vielversprechende Wissenschaftler*innen, die ihre Promotion vor 2-7 Jahren abgeschlossen haben, und beinhalten ein Projektbudget von bis zu 1,5 Millionen Euro für eine Laufzeit von fünf Jahren. Grundlage für die Entscheidung des ERC bei der Vergabe der hoch dotierten Grants ist die wissenschaftliche Exzellenz der Beantragenden. In dieser Runde wurden insgesamt 761 Millionen Euro an 478 Top-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 25 Ländern ausgeschüttet. Die Bewilligungsrate lag bei nur rund 12 Prozent der Anträge.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Constantin Wurthmann
    Lorenz-von-Stein Research Fellow
    Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES)
    Universität Mannheim
    E-Mail: constantin.wurthmann@uni-mannheim.de

    Yvonne Kaul
    Forschungskommunikation
    Universität Mannheim
    Tel: +49 621 181-1266
    E-Mail: kaul@uni-mannheim.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Gesellschaft, Politik
    überregional
    Forschungsprojekte, Wettbewerbe / Auszeichnungen
    Deutsch


     

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