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04.09.2025 16:13

Geschmolzene Planeten und frühe Atmosphären im Labor

Dr. Birgit Krummheuer Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung

    Gefördert durch ein ERC Starting Grant untersucht MPS-Forscher Christian Renggli eine entscheidende Phase der Planetenentwicklung.

    Auf den Punkt gebracht:

    * ERC Starting Grant: Der Europäische Forschungsrat fördert die Forschungsgruppe ELMO (Experimental Laboratory Magma Ocean) in den nächsten fünf Jahren mit 1,5 Millionen Euro.
    * Magmaozeane: Zu Beginn ihrer Entwicklung sind viele Planeten so heiß, dass ihr Gestein schmilzt. Zu diesem Zeitpunkt entstehen die ersten Atmosphären.
    * Im Labor: Magmaozeane und ihre Atmosphären lassen sich bisher nicht im All beobachten, sondern nur im Labor simulieren.
    * Neue Methode: Die Forschungsgruppe nutzt dafür einen Versuchsaufbau, der das Zusammenspiel aus Gesteinsschmelze und Gasen nicht verfälscht.

    Riesige Ozeane aus heißem, rotglühendem Magma bedeckten in den Kindertagen unseres Sonnensystems jeden der vier inneren Planeten Merkur, Venus, Erde und Mars. Die notwendige Hitze, um das Gestein zu schmelzen, stammte aus dem Zerfall radioaktiver Elemente oder von gewaltigen Einschlägen. Aus den Gesteinsschmelzen entwichen Gase und bildeten so die ersten Atmosphären. Auf jungen, noch heißen Exoplaneten außerhalb unseres Sonnensystems dürften solche Magmaozeane und ihre ursprünglichen Atmosphären auch heute existieren. Diese Phase der Planetenentwicklung besser zu verstehen, ist Ziel der neuen Forschungsgruppe von Christian Renggli am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS). Das Projekt hilft die Frage zu beantworten, warum auf der Erde nach ihrem Erkalten lebensfreundliche Bedingungen entstanden, auf anderen Planeten jedoch nicht.

    Die Suche nach Antworten auf diese Frage führt die Forschenden der Gruppe ELMO (Experimental Laboratory Magma Ocean) ins Labor. Denn einen direkten Zugang zu Magmaozeanen und ihren Atmosphären gibt es nicht. Im Fall unseres Sonnensystems trennen uns Milliarden von Jahren von diesem frühen Zustand. Zwar ist von manchen Himmelskörpern Gestein aus dieser Zeit erhalten. Doch die damals entstandenen Gashüllen haben sich seitdem zum Teil dramatisch weiterentwickelt oder sind gar verloren gegangen. Im Fall ferner, noch immer heißer Exoplaneten ist nicht Zeit, sondern Raum das Problem. Aus einem Abstand von tausenden von Lichtjahren können Teleskope im All oder auf der Erde zwar Hinweise auf die Zusammensetzung der Planetenatmosphären liefern. Die Zutatenliste der Magmaozeane bleibt jedoch verborgen.

    „Experimente im Labor sind das fehlende Bindeglied zwischen den Magmaozeanen junger Planeten und ihren Atmosphären. Zusammen lässt sich beides nur im Labor untersuchen", erklärt Christian Renggli, Leiter der Forschungsgruppe ELMO.

    Nur wenige Milligramm Gesteinsschmelze reichen, um einen planetaren Magmaozean im Labor „nachzubauen“. Das künstliche Magma besteht in erster Linie aus Silikatgesteinen, die bei den inneren Planeten unseres Sonnensystems den Hauptteil von Kruste und Mantel ausmachen. Zugesetzt werden im Experiment gezielt weitere Zutaten wie Wasser und Schwefel. In einer geschlossenen Kammer wird das künstliche Gestein dann auf bis zu 2000 Grad Celsius erhitzt. Gase verdampfen, werden zum Teil wieder gelöst, bis sich nach und nach ein Gleichgewicht zwischen Magma und Gasschicht einstellt – genau wie im frühen Sonnensystem. Anderes als bei herkömmlichen Experimenten entnehmen die Göttinger Forschenden mit ihrem Versuchsaufbau erstmals nur einen winzigen Gasstrom und analysieren seine genaue Zusammensetzung im Quadrupol-Massenspektrometer. Nur so wird der Gleichgewichtszustand nicht gestört und verfälscht.

    Beobachtungsdaten aktueller Weltraummissionen wie der ESA-Raumsonden BepiColombo und PLATO sowie des James-Webb-Weltraumteleskops sollen die Labordaten ergänzen und in den größeren Kontext der gesamten Planetenentstehung und-entwicklung einbetten.

    Über den Forscher und ERC Starting Grants

    Dr. Christian Renggli hat an der Universität Bern in der Schweiz und an der Ludwig-Maximilians-Universität München studiert und an der Research School for Earth Sciences an der Australischen Nationaluniversität promoviert. Nach fünf Jahren an der Universität Münster ist Christian Renggli seit zwei Jahren Wissenschaftler am MPS. Für seine Forschungsergebnisse zu Vulkanausbrüchen auf Erde, Merkur und Mond erhielt er 2023 die Pauli-Niggli-Medaille der Schweizerischen Geologischen Gesellschaft. Christian Renggli ist an der ESA-Mission BepiColombo zum Merkur beteiligt und gehört dem wissenschaftlichen Konsortium der ESA-Mission PLATO an, die ab Anfang 2027 Exoplaneten suchen und charakterisieren wird.

    Mit den begehrten ERC Starting Grants unterstützt der Europäische Forschungsrat (ERC, Englisch: European Research Council) Wissenschaftler*innen, die noch am Beginn ihrer Laufbahn stehen. Die Förderung ermöglicht es ihnen, mit ihrer Forschungsgruppe einem eigenen, ambitionierten Forschungsprojekt nachzugehen. Für die aktuelle Förderperiode hat der Europäische Forschungsrat mehr als 3900 Anträge erhalten. 478 davon wurden zur Förderung ausgewählt.

    Mit der Forschungsgruppe ELMO erhält das MPS seinen siebten ERC Starting Grant. Neben ELMO werden aktuell noch zwei weitere Projekte gefördert; die anderen Projekte sind bereits abgeschlossen.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Christian Renggli
    Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung
    E-Mail: Renggli@mps.mpg.de


    Bilder

    In der nur wenige Millimeter großen Knudsen Zelle (der kleine weiße Zylinder direkt neben der Pinzette) entsteht ein Gleichgewicht zwischen Gesteinsschmelze und verdampfendem Gas. Das Gas wird anschließend im Quadrupol-Massenspektrometer untersucht.
    In der nur wenige Millimeter großen Knudsen Zelle (der kleine weiße Zylinder direkt neben der Pinzet ...

    Copyright: MPS

    Im Ofen wird bei bis 1500 Grad Celsius das künstliche Magma (hier im Tiegel) aus Silikatgestein und weiteren Zusätzen erzeugt.
    Im Ofen wird bei bis 1500 Grad Celsius das künstliche Magma (hier im Tiegel) aus Silikatgestein und ...

    Copyright: MPS (C. Renggli)


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Geowissenschaften, Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    In der nur wenige Millimeter großen Knudsen Zelle (der kleine weiße Zylinder direkt neben der Pinzette) entsteht ein Gleichgewicht zwischen Gesteinsschmelze und verdampfendem Gas. Das Gas wird anschließend im Quadrupol-Massenspektrometer untersucht.


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    Im Ofen wird bei bis 1500 Grad Celsius das künstliche Magma (hier im Tiegel) aus Silikatgestein und weiteren Zusätzen erzeugt.


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