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04.09.2025 16:47

Neue Einblicke in die Immunabwehr der Gallenblase: DFG fördert Forschungsprojekt zur Rolle von Tuft-Zellen

Corina Härning Stabsstelle Kommunikation und Marketing
Universität Augsburg

    Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert ein neues Projekt unter der Leitung von Dr. Maryam Keshavarz am Lehrstuhl für Anatomie der Medizinischen Fakultät der Universität Augsburg. Ziel ist es, die Rolle sogenannter Tuft-Zellen – seltener, sensorisch aktiver Zellen in der Zellschicht auf der Innenseite der Gallenblase – systematisch zu untersuchen. In enger Zusammenarbeit mit dem Universitätsklinikum Augsburg sollen neue Erkenntnisse über entzündliche Erkrankungen wie Cholezystitis und Gallensteinleiden gewonnen werden. Das Projekt baut auf Erkenntnissen aus früheren tierexperimentellen Studien auf und kombiniert modernste molekulare Methoden mit klinischem Gewebematerial.

    Erkrankungen der Gallenblase wie Gallensteine oder Entzündungen (Cholezystitis) gehören weltweit zu den häufigsten Problemen des Verdauungssystems. Allein in Deutschland werden jährlich mehr als 175.000 Gallenblasen operativ entfernt – oft als Folge chronischer oder akuter Entzündungen. Trotz dieser Häufigkeit ist bislang wenig darüber bekannt, welche Zelltypen in der Schleimhaut der Gallenblase an entzündlichen Prozessen beteiligt sind.

    Genau hier setzt das Projekt an: Es untersucht eine Zellpopulation, die beim Menschen bislang kaum erforscht ist – sogenannte Tuft-Zellen. Diese Zellen wurden in den vergangenen Jahren bereits im Tiermodell identifiziert und scheinen dort eine wichtige Rolle bei der Immunüberwachung und der Erkennung von Gefahrensignalen zu spielen.

    „Es gibt erste Hinweise, dass Tuft-Zellen als sensorische Einheiten fungieren, die immunologische Reaktionen in Gang setzen können – möglicherweise auch bei Entzündungen der Gallenblase“, sagt Dr. Maryam Keshavarz. „Bisher wissen wir aber nicht, ob diese Zellen beim Menschen überhaupt vorkommen und wie sie strukturiert sind.“

    Translationale Forschung: Von der Maus zum Menschen

    Aufbauend auf tierexperimentellen Studien mit genetisch veränderten Mausmodellen, bei denen Tuft-Zellen gezielt ausgeschaltet wurden, geht das Projekt nun einen entscheidenden Schritt weiter: Es kombiniert funktionelle In-vivo-Experimente an Tieren mit der Untersuchung von Gewebeproben aus menschlichen Gallenblasen.

    Die Tiermodelle werden dabei genutzt, um gezielt Entzündungsprozesse auszulösen und zu analysieren. Parallel dazu werden Gallenblasenproben von Patienten untersucht, die im Rahmen klinischer Routineeingriffe am Universitätsklinikum Augsburg operiert wurden – etwa wegen akuter oder chronischer Cholezystitis oder Gallensteinen.

    „Dieser direkte Vergleich zwischen Tier und Mensch ist zentral für unser Projekt“, so Dr. Keshavarz. „Nur durch die Verbindung beider Welten können wir verstehen, ob die in der Maus gefundenen Mechanismen auch für den Menschen gelten – und welche Konsequenzen sich daraus für die Behandlung ergeben könnten.“

    Ein breites methodisches Spektrum – von Mikroskopie bis Einzelzellsequenzierung

    Um Tuft-Zellen im Gewebe sichtbar und funktionell greifbar zu machen, nutzt das Forschungsteam ein ganzes Spektrum an modernen Methoden:

    >> Elektronenmikroskopie und Immunoelektronenmikroskopie erlauben einen ultrastrukturellen Blick auf die Zellarchitektur der Gallenblasenwand. So lassen sich Tuft-Zellen anhand ihrer Form und Lage im Gewebe identifizieren.
    >> Einzelzell-RNA-Sequenzierung (scRNA-seq) ermöglicht die detaillierte Analyse der Genaktivität einzelner Zellen – auch solcher Zelltypen, die bislang unbekannt oder selten sind.
    >> Immunhistochemie und Fluoreszenzmikroskopie helfen dabei, spezifische Zellmarker zu lokalisieren und deren räumliche Verteilung zu erfassen.
    >> Flowzytometrie (FACS) kommt zum Einsatz, um bestimmte Zelltypen gezielt zu isolieren und weiter zu untersuchen.
    >> In funktionellen Assays wird getestet, wie Zellen auf Reize wie Gallensäuren oder Entzündungsstoffe reagieren.

    Klinische Perspektiven – langfristige Ziele des Projekts

    Das langfristige Ziel des Projekts ist es, neue zelluläre und molekulare Mechanismen zu verstehen, die an der Entstehung und Aufrechterhaltung entzündlicher Gallenwegserkrankungen beteiligt sind. Die Erkenntnisse könnten künftig als Grundlage für zielgerichtete Therapien oder neue diagnostische Marker dienen – etwa zur besseren Vorhersage, ob sich aus einer chronischen Reizung der Gallenblase eine ernsthafte Erkrankung entwickelt.

    „Mit unserem Projekt möchten wir das komplexe Zusammenspiel von sensorischen und immunologischen Zelltypen in der Gallenblase besser verstehen. Die Rolle der Tuft-Zellen dabei ist bisher ein großes Fragezeichen – das wollen wir aufklären.“


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Maryam Keshavarz
    Akademische Rätin, Anatomie und Zellbiologie
    Telefon: +49 (0) 821 598 - 71190
    maryam.keshavarz@med.uni-augsburg.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Medizin
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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