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10.09.2025 14:47

Additive Fertigung für komplexe Druckgusswerkzeuge

Petra Nolis M.A. Marketing & Kommunikation
Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT

    Das Fraunhofer ILT und MacLean-Fogg haben gemeinsam ein komplexes Druckguss-Werkzeuginlay mit Laser Powder Bed Fusion (PBF-LB/M) gefertigt. Der eigens entwickelte Werkzeugstahl L-40 erlaubt erstmals die additive Fertigung stark belasteter, großvolumiger Werkzeuge und so die Umsetzung konturnaher Kühlung. Erste Ergebnisse kleinerer Werkzeuge, die Toyota bereits in der Serie einsetzt, deuten auf eine deutlich verlängerte Standzeit der additiv gefertigten Werkzeuge hin. Im aktuellen Projekt entstand ein hybrides, großvolumiges Werkzeug für das Getriebegehäuse des Toyota Yaris Hybrid.

    Das kombinierte Verfahren mitkonventionellem Vorformling plus additiv gefertigter Strukturen verkürzt die Fertigungszeit, senkt die Kosten und erlaubt eine hohe Variantenvielfalt auf einer gemeinsamen Werkzeugplattform.

    Die Automobilindustrie ist mitten in einem tiefgreifenden Umbruch. Kostendruck und der Übergang zur Elektromobilität zwingen viele Hersteller dazu, ihre Fahrzeugarchitektur und Produktionsprozesse grundlegend zu überdenken. Viele Hersteller reduzieren derzeit die Zahl einzelner Pressteile und streben nach möglichst wenigen, aber hochkomplexen Strukturbauteilen. Gerade bei großen Aluminiumbauteilen, etwa Rahmen- oder Getriebekomponenten, steigen damit auch die Anforderungen an die Werkzeuge: Sie müssen thermisch hochbelastbar sein, Varianten erlauben und sich möglichst schnell an neue Geometrien anpassen lassen.

    Dieser Wandel bringt neue Herausforderungen mit sich: Die dafür benötigten Gussformen müssen nicht nur größer sein als bisher, sondern auch widerstandsfähiger bei gleichzeitig komplexer Geometrie und kürzeren Entwicklungszeiten. Genau hier setzt ein Projekt am Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT gemeinsam mit dem L-40 Pulverhersteller MacLean-Fogg und Toyota als Endanwender an.

    Durch den Einsatz einer am Fraunhofer ILT entwickelten gantry-basierten PBF-LB/M Maschine mit skalierbarem Bauvolumen und dem von MacLean-Fogg für die additive Fertigung entwickelten Werkzeugstahl konnten erstmals sehr große Druckgussformen mit konturnaher Kühlung additiv gefertigt werden – geeignet für großvolumige Hochdruckguss (HPDC) Komponenten.

    Massive Geometrien führten im PBF-LB/M bislang zu Eigenspannungen und kritischen Defekten

    Mit der zunehmenden Etablierung von Großguss-Verfahren steigen auch die Anforderungen an die Werkzeuge, die beim HPDC zum Einsatz kommen. Die Formen müssen eine präzise, reproduzierbare Bauteilqualität bei sehr hohen Stückzahlen ermöglichen und dabei extremen mechanischen und thermischen Belastungen standhalten. Um eine ausreichende Lebensdauer der Werkzeuginlays sicherzustellen, sind komplexe, innenliegende Kühlstrukturen unabdingbar, die mit konventionellen Fertigungsverfahren nicht umsetzbar sind.

    Zwei zentrale Probleme haben bisher die additive Fertigung solcher großformatigen Druckgussformen limitiert: Zum einen ist das verfügbare Bauvolumen klassischer PBF-LB/M Maschinen zu klein, um Formeinsätze im Bereich von 600 x 600 mm² oder mehr in einem Stück herzustellen. Zum anderen sind die bisher eingesetzten Werkzeugstähle – insbesondere H11 (1.2343), H13 (1.2344) oder M300 – in dieser Größenordnung (>20.000 cm³) nicht prozesssicher zu verarbeiten. Selbst bei optimalen Parametern drohen Rissbildung, thermischer Verzug und unzureichende mechanische Eigenschaften.

    Das gilt sowohl während des laserbasierten Aufbaus als auch in der nachgelagerten Wärmebehandlung. Das Risiko ist umso größer, je stärker die Temperaturgradienten innerhalb des Bauteils während des Fertigungsprozesses ausfallen – ein Effekt, der bei großvolumigen Werkstücken besonders ausgeprägt ist.

    »Um diese Limitation zu überwinden, braucht es eine neue Generation von Maschinen und Werkstoffen, die speziell auf die Anforderungen großformatiger HPDC-Werkzeuge zugeschnitten sind«, erklärt Niklas Prätzsch, Gruppenleiter LPBF-Prozesstechnik am Fraunhofer ILT. »Genau diese Kombination war Gegenstand der nun realisierten Entwicklungen.«

    Die neue Material- und Maschinentechnologie erlaubt es erstmals, auch großvolumige Werkzeuge mit freigeformter Kühlstruktur zu fertigen. Dadurch lassen sich nicht nur lokale Temperaturspitzen im Gussprozess gezielt absenken, auch die Variantenvielfalt bei gleichzeitig hoher Lebensdauer steigt. So lassen sich auf einer Werkzeugplattform unterschiedliche Bauteile fertigen, ohne jedes Mal neue Werkzeuge herstellen zu müssen.

    Skalierbare LPBF-Fertigung für rissfreie Großbauteile

    Hierzu wurde die am Fraunhofer ILT entwickelte Gantry-basierte 5-Laser PBF-LB/M Maschine mit einem derzeitigen Bauvolumen von 1.000 x 800 x 350 mm³ weiterentwickelt. Im Gegensatz zu herkömmlichen Systemen verfügt sie über einen verfahrbaren Bearbeitungskopf und lokaler Schutzgasführung, sodass das Bauvolumen bei gleichen Prozessrandbedingungen (Schutzgas-Strömungsgeschwindigkeit, Laserstrahl-Auslenkwinkel, etc.) entlang der Maschinenachsen linear skalierbar ist. Damit lassen sich perspektivisch auch noch größere Werkzeuge additiv herstellen als das in diesem Projekt betrachtete Werkzeuginlay mit einem Volumen von über 20.000 cm³ und einer Bounding Box von 515 x 485 x 206 mm³.

    Um die bei großvolumigen Werkzeugen kritischen Temperaturgradienten zu minimieren, wurde zusätzlich ein beheizbares Substratmodul entwickelt. Die Bauplattform erreicht nun eine Temperatur von 200 °C, wodurch jede neue Schicht nicht auf Raumtemperatur, sondern nur auf ein vordefiniertes thermisches Plateau abkühlt. Dieser Ansatz reduziert thermisch-induzierte Spannungen und die Gefahr von Rissbildung während des Bauprozesses. Die Kombination aus großem Bauraum, hoher Prozessstabilität und aktiver Vorheizung macht diese Anlage weltweit zu einem der ersten LPBF-Systeme, das für die wirtschaftliche Fertigung von einsatznahen Druckgussformen auch für Mega oder Giga Casting geeignet ist.

    »Der Schlüssel zum Erfolg liegt im L-40 Werkstoff von MacLean-Fogg, der auf die Anforderungen von PBF-LB/M zugeschnitten ist«, kommentiert Prätzsch. Dieser Stahl zeichnet sich durch eine im Vergleich zu konventionellen Werkzeugstählen deutlich reduzierte Rissneigung aus – sowohl während der Fertigung als auch in der Wärmebehandlung. L-40 erreicht bereits im as-built-Zustand eine hohe Maßhaltigkeit, herausragende Eigenschaften bei Härte (48 HRC), Zugfestigkeit (1420 MPa) und Kerbschlagzähigkeit (>60 J). In umfassenden Untersuchungen wurden sowohl der Parametertransfer auf das neue Maschinenkonzept als auch die Performance in komplexen Geometrien erfolgreich validiert – etwa bei runden oder überhängenden Kühlkanälen.

    In Summe ermöglicht die Kombination aus skalierbarer PBF-LB/M Maschine und eigens entwickeltem Werkstoff erstmals die wirtschaftliche, reproduzierbare Fertigung großformatiger Druckgussformen mit konturnaher Kühlung. Erste Anwendungen zeigen, dass sich die Lebensdauer derart gefertigter Werkzeuge im Vergleich zu konventionellen Formen deutlich verlängern lässt.

    Hybride Fertigung für Serienwerkzeug

    Im Rahmen des Projekts haben die Partner einen additiv hergestellten Werkzeugeinsatz für ein Getriebegehäuse gefertigt, das bereits heute bei Toyota im Einsatz ist. Die Druckgussformeinsatz beinhaltet ein komplexes Netzwerk konturnaher Kühlkanäle, allein dies ist bereits ein klarer Vorteil additiver Fertigung, der mit konventioneller Zerspanung nicht realisierbar wäre. Für den additiven Werkzeugaufbau entschied sich das Projektteam für einen hybriden Prozess auf einer eigens gefertigten Preform, die schon über vertikale Kühlkanäle verfügte. Die genaue Positionierung und prozesssichere Verbindung beider Komponenten stellte hohe Anforderungen an die Maschinenkalibrierung, -präzision und Prozessführung. Derartige Hybridstrukturen bieten das Potenzial, Bauzeit und Kosten weiter zu reduzieren, da das kostenintensivere PBF-LB/M Verfahren nur in diesen Bauteilbereichen genutzt wird, die konventionell nicht realisierbar sind.

    Die komplexe Kühlstruktur haben die Forschenden so ausgelegt, dass kritische Zonen der Form im Einsatz während des Druckguss effektiv temperiert werden. Dadurch sinkt die thermische Belastung, was zu einer deutlich längeren Standzeit des Werkzeugs führt. Bei vorherigen Projekten konnte mit einem vergleichbaren additiven Werkzeug bereits eine bis zu viermal längere Lebensdauer gegenüber einem konventionellen H13-Werkzeug erzielt werden.
    Nach dem Aufbau der HPDC-Form folgten eine industrietypische Wärmebehandlung mit Spannungsarmglühen und Härten sowie eine konventionelle Fräsbearbeitung der funktionalen Flächen. Die hohe Maßhaltigkeit des additiven Grundkörpers erforderte lediglich eine präzise Endbearbeitung ohne zusätzlichen Materialaufwand.

    Wegbereiter für effiziente und langlebige Gussformen in der Automobilindustrie

    Die Fertigung großformatiger Gussformen per additiver Verfahren adressiert gleich mehrere zentrale Herausforderungen der heutigen Automobilproduktion insbesondere im Kontext Transformation hin zur Elektromobilität. Ein entscheidender Vorteil liegt in der konturnahen Kühlung, die sich durch den 3D-Druck erstmals frei gestalten lässt. Die Kühlkanäle lassen sich optimal an die thermisch hochbelasteten Zonen des Werkzeugs anpassen. Das senkt lokal die Temperaturspitzen, reduziert thermomechanischen Verschleiß und verlängert die Lebensdauer der Form signifikant.

    Gleichzeitig bietet die additive Fertigung die Möglichkeit, Durchlaufzeiten drastisch zu verkürzen. Statt aufwendiger Bearbeitung mehrerer Werkzeugkomponenten und deren Montage genügt ein konsolidierter, durchgängig additiver Aufbau. Die Druckgussform für Toyota wurde in weniger als zehn Tagen gefertigt, inklusive aller vorbereitenden Schritte. Für OEMs bedeutet das kürzere Entwicklungszyklen und schnellere Markteinführung neuer Fahrzeugplattformen.

    Die Möglichkeit, großvolumige Werkzeuge hybrid aufzubauen, schafft zusätzliche Flexibilität. Bauteile mit definierten Schnittstellen können effizient additiv ergänzt und funktional optimiert werden, ohne das gesamte Bauteil neu fertigen zu müssen. Dadurch sinken sowohl Materialeinsatz als auch die Kosten pro Werkzeug.

    »Mit L-40 haben wir uns vorgenommen, die Grenzen der additiven Fertigung für Warm- und Kaltumformwerkzeuge im Allgemeinen und für Druckgusswerkzeuge im Besonderen zu überwinden. Dieses Projekt beweist, dass es möglich ist, große, komplexe und zugleich hochbelastbare Einsätze herzustellen, und liefert klare Meilensteine, um auch wirtschaftlich attraktiv zu sein. Additive Fertigung ist bereit, echte Herausforderungen im industriellen Maßstab anzunehmen. Für OEMs ist das ein entscheidender Vorteil: kürzere Entwicklungszeiten, längere Standzeiten der Werkzeuge und mehr Flexibilität im Werkzeugdesign«, sagt Harald Lemke, Director of Product Management, MacLean-Fogg Component Solutions.

    Für Fahrzeughersteller wie Toyota, die auf weniger Einzelteile und komplexere Strukturen setzen, bieten diese Entwicklungen neue Möglichkeiten in der Werkzeugstrategie: Weniger Aufwand bei der Werkzeugfertigung, längere Laufzeiten und die Möglichkeit, mehrere Varianten mit nur einem Werkzeug zu realisieren.

    Das gefertigte Bauteil belegt eindrucksvoll, dass die entwickelte Prozesskette – bestehend aus großformatiger LPBF-Anlage, innovativem Werkstoff und hybrider Fertigung – den Anforderungen realer Industrieanwendungen selbst im Umfeld von Giga Casting gerecht wird.

    Das Potenzial reichen weit über den Einzelfall hinaus: Die entwickelte Prozesskette eignet sich nicht nur für große Aluminium-HPDC-Werkzeugeinsätze, sondern auch für die meisten anderen Warm- und Kaltumformwerkzeuge und Einsätze wie Stanz-, Gewinde- oder Spritzgießeinsätze. Überall dort, wo hoch belastete Werkzeuge mit komplexer Kühlung und begrenzten Losgrößen benötigt werden, kann die additive Fertigung deutliche Vorteile bieten.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Niklas Prätzsch M. Sc.
    Gruppe LPBF Prozesstechnik
    Telefon +49 241 8906-8174
    niklas.praetzsch@ilt.fraunhofer.de

    Dr. Tim Lantzsch
    Abteilungsleiter Laser Powder Bed Fusion
    Telefon +49 241 8906-193
    tim.lantzsch@ilt.fraunhofer.de

    Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT
    Steinbachstraße 15
    52074 Aachen
    www.ilt.fraunhofer.de


    Weitere Informationen:

    https://www.ilt.fraunhofer.de/


    Bilder

    Erfolgreiches Gemeinschaftsprojekt von Fraunhofer ILT, MacLean-Fogg und Toyota: Ein Laser Powder Bed Fusion gefertigtes Werkzeug-Inlay für das Getriebegehäuse des Toyota Yaris Hybrid.
    Erfolgreiches Gemeinschaftsprojekt von Fraunhofer ILT, MacLean-Fogg und Toyota: Ein Laser Powder Bed ...

    Copyright: ©Toyota Europe.

    Das additiv gefertigte Aluminium-Druckguss-Werkzeug ist ein Teil des Werkzeugs für das Getriebegehäuse des Toyota Yaris Hybridfahrzeugs. Es wurde aufgrund der Größe und der Herausforderungen mit dem Löten und der hohen Wartungszeit ausgewählt.
    Das additiv gefertigte Aluminium-Druckguss-Werkzeug ist ein Teil des Werkzeugs für das Getriebegehäu ...

    Copyright: ©Toyota Europe.


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
    Maschinenbau, Werkstoffwissenschaften
    überregional
    Kooperationen
    Deutsch


     

    Erfolgreiches Gemeinschaftsprojekt von Fraunhofer ILT, MacLean-Fogg und Toyota: Ein Laser Powder Bed Fusion gefertigtes Werkzeug-Inlay für das Getriebegehäuse des Toyota Yaris Hybrid.


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    Das additiv gefertigte Aluminium-Druckguss-Werkzeug ist ein Teil des Werkzeugs für das Getriebegehäuse des Toyota Yaris Hybridfahrzeugs. Es wurde aufgrund der Größe und der Herausforderungen mit dem Löten und der hohen Wartungszeit ausgewählt.


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