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11.09.2025 09:18

Zwischen Kooperation und Verschmelzung: Mensch und KI im evolutionären Wandel

Michael Hesse Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie

    Forschende untersuchen, ob die wachsende Mensch–KI-Abhängigkeit den nächsten großen Schritt in der Evolution markieren könnte.

    Auf den Punkt:
    • Wäre es möglich, dass sich Menschen und KI zu einem einzigen „evolutionären Individuum“ verschmelzen – vergleichbar mit früheren Meilensteinen wie der Entstehung komplexer Zellen?
    • Erste Anzeichen sind bereits heute sichtbar – sozialer Einfluss, Rückkopplungsschleifen und die zunehmende Abhängigkeit des Menschen von KI-Systemen.
    • Die Zukunft hängt von der Regulierung ab – ob Gesellschaften die Integration von KI in Richtung Kooperation lenken oder ob unvorhersehbare, unkontrollierbare Entwicklungen drohen.

    Künstliche Intelligenz ist bereits fest in unseren Alltag integriert: Sie empfiehlt uns Musik und Filme, unterstützt Ärztinnen und Ärzte bei Diagnosen und beeinflusst sogar, welche Nachrichten wir lesen. Doch könnte die Beziehung zwischen Menschen und KI noch viel weiter reichen – möglicherweise bis hin zur Entstehung einer völlig neuen Form von „Leben“?
    Diese provokante Idee verfolgen die Evolutionsbiologen Paul B. Rainey vom Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie in Plön und Michael E. Hochberg von der Universität Montpellier. In ihrer aktuellen Veröffentlichung argumentieren sie, dass Menschen und KI eines Tages als ein einziges „evolutionäres Individuum“ funktionieren könnten – ähnlich wie einst die Verschmelzung zweier Mikroben zur Entstehung komplexer Zellen führte, auf denen alles vielzellige Leben basiert.

    Große Übergänge in der Evolution
    Die Forscher greifen auf das Konzept der „Großen Evolutionären Übergänge“ zurück – Schlüsselmomente in der Erdgeschichte, in denen zuvor unabhängige Einheiten wie Gene, Zellen oder Organismen zusammenfanden und neue, höherstufige Individuen bildeten. Beispiele sind der Sprung von einzelligen zu mehrzelligen Organismen oder die Entstehung von Insektengesellschaften.
    „Die große Frage ist, ob wir nun an der Schwelle zu einem ähnlichen Übergang stehen – diesmal zwischen Menschen und künstlicher Intelligenz“, sagt Paul Rainey.

    Chancen und Risiken
    Noch ist die Idee spekulativ, doch Rainey und Hochberg verweisen auf erste Mechanismen, die sich bereits abzeichnen:
    • Soziale Strukturen: KI-Systeme beeinflussen bereits Partnerwahl, Karrierechancen und den Zugang zu Bildung.
    • Rückkopplungsschleifen: Menschen trainieren KI, die wiederum menschliches Verhalten prägt – ein sich selbst verstärkender Kreislauf.
    • Abhängigkeit: Da Menschen KI für Gedächtnis, Entscheidungen und Koordination nutzen, könnte ein Leben ohne sie zunehmend schwierig werden.
    In einer möglichen Zukunft könnten Menschen Fortpflanzung und Energie bereitstellen, während KI als Informationszentrum dient – ein ko-evolvierendes, wechselseitig abhängiges System.
    Die Forschenden warnen jedoch auch vor einem anderen Szenario: Sollte KI beginnen, sich nach darwinistischen Prinzipien weiterzuentwickeln, könnten unvorhersehbare und möglicherweise unkontrollierbare Entwicklungen entstehen.

    Ausblick
    „Aus evolutionsbiologischer Sicht wäre eine solche Transformation weder ungewöhnlich noch zwangsläufig bedrohlich“, sagt Michael Hochberg. „Viele große Übergänge des Lebens waren mit einem Verlust von Autonomie verbunden – führten aber letztlich zu komplexeren und stabileren Organisationsformen.“
    Ob Menschen und KI tatsächlich zu einer neuen evolutionären Einheit verschmelzen, wird weniger von der Technologie selbst abhängen, sondern vielmehr davon, wie Gesellschaften, Regierungen und Institutionen diese Beziehung gestalten.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Paul B. Rainey
    Direltor
    Abteilung für Mikrobielle Populationsbiologie
    Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie


    Originalpublikation:

    P.B. Rainey, & M.E. Hochberg, Could humans and AI become a new evolutionary individual?, Proc. Natl. Acad. Sci. U.S.A. 122 (37) e2509122122, https://doi.org/10.1073/pnas.2509122122 (2025).


    Bilder

    Mit dem Wachsen der Wechselwirkungen zwischen Mensch und KI könnten beide nicht nur als interagierende Akteure fungieren, sondern als ein integriertes evolutionäres Individuum, das auf kollektiver Ebene der Selektion unterliegt.
    Mit dem Wachsen der Wechselwirkungen zwischen Mensch und KI könnten beide nicht nur als interagieren ...

    Copyright: Dave Cutler


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Biologie, Informationstechnik
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungs- / Wissenstransfer
    Deutsch


     

    Mit dem Wachsen der Wechselwirkungen zwischen Mensch und KI könnten beide nicht nur als interagierende Akteure fungieren, sondern als ein integriertes evolutionäres Individuum, das auf kollektiver Ebene der Selektion unterliegt.


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