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11.09.2025 11:08

Winzige Schalter, große Wirkung

Sarah Link PR und Marketing
Technische Universität Wien

    Kooperation zweier Wiener Universitäten entschlüsselt den Mechanismus von Photoschaltern – mit Potenzial für Medizin, Materialien und Elektronik.

    Ein interuniversitäres Team von TU Wien und Universität Wien erzielte einen wichtigen Fortschritt beim Verständnis sogenannter Photoschalter. Diese winzigen molekularen „Lichtschalter“ verändern ihre Struktur, wenn sie mit Licht bestrahlt werden – ähnlich wie ein Schalter, der zwischen „an“ und „aus“ wechselt. Übertragen auf die Chemie bedeutet dies, dass sich das Molekül von seiner gestreckten in seine gebeugte Form begibt und dabei seine chemischen Eigenschaften ändert. Die Möglichkeit, Moleküle gezielt umzuschalten, eröffnet Perspektiven für Anwendungen in Medizin, Materialwissenschaften und Datenspeicherung. Die Forschungsergebnisse wurden nun in der Fachzeitschrift Angewandte Chemie veröffentlicht.

    Molekulare Schalter verstehen und vorhersagen

    Lange war unklar, warum bestimmte Moleküle sich auf die eine oder andere Weise verhalten. Nun konnte das Team zeigen, dass schon kleinste chemische Veränderungen – sogenannte Substituenten – entscheidend dafür sind, ob ein Photoschalter nur für Sekunden aktiv oder über einen längeren Zeitraum hinweg stabil bleibt. Dabei fokussierte sich das Team auf die Stoffklasse der Arylazopyrazole, die bereits seit einiger Zeit als potenzielle Photoschalter untersucht wird.

    Marko Mihovilovic, Dekan der Fakultät für Technische Chemie an der TU Wien, vergleicht den zugrunde liegenden Prozess mit einer Achterbahnfahrt: „Man kann sich das wie eine Achterbahn mit zwei Weichen vorstellen: Wenn ich links abbiege, schaltet das Molekül schnell, wenn ich rechts abbiege, schaltet es langsam. Nur muss ich diesen Prozess verstehen, um gezielt umschalten zu können.“

    Wie genau dies funktioniert, gelang dem Team zu verstehen, indem es das theoretische Modell der Universität Wien und die experimentellen Daten der TU Wien miteinander verknüpfte. Erst das Zusammenspiel beider Ansätze machte es möglich, die Schaltzeiten präzise zu verstehen und vorherzusagen.

    Neue Perspektiven durch gezielte Steuerung

    Mit dem neuen Wissen ist es nun erstmals gelungen, die Lebensdauer solcher Photoschalter gezielt „maßzuschneidern“. Das ist ein entscheidender Schritt hin zu Anwendungen, bei denen Moleküle durch Licht kontrolliert aktiviert werden können. Besonders in der Photopharmakologie – also bei Medikamenten, die erst durch Licht am gewünschten Ort im Körper wirksam werden – könnte dies helfen, Nebenwirkungen zu verringern und Behandlungen präziser zu steuern. Aber auch in der Elektronik, wo extrem kurze Schaltzeiten gefragt sind, oder in der Materialforschung, wo sich Materialien auf Knopfdruck verändern sollen, eröffnen sich neue Möglichkeiten.

    „Wir sind Molekülingenieure – wir bauen Moleküle so zusammen, dass sie die gewünschten Eigenschaften haben“, sagt Mihovilovic. „Wenn wir verstehen, wie die molekularen Schaltprozesse ablaufen, können wir die Wirkung von mikroskopisch kleinen bis hin zu makroskopisch messbaren Effekten kontrollieren.“

    Theorie und Experiment ergänzen sich

    Auch die theoretische Seite spielte eine entscheidende Rolle. „Nur mit Berechnungen können wir verstehen, warum manche Moleküle schnell und andere langsam schalten – und wie sich diese Eigenschaften vorhersagen lassen“, erklärt Leticia González, Institut für Theoretische Chemie der Universität Wien. „Damit ist es möglich, gezielt neue Moleküle mit maßgeschneiderten Schalteigenschaften zu entwickeln, ohne auf reines Ausprobieren angewiesen zu sein.“

    Das Wissen ist außerdem nicht auf den Bereich der Photopharmakologie begrenzt, auch wenn dies der Schwerpunkt des Forschungsteams ist. Denn die Funktionsweise ist gleich, unabhängig davon, ob es um Moleküle in Materialien oder Pharmazeutika geht.
    Die Arbeit entstand in Kooperation zwischen dem Institut für Angewandte Synthesechemie der TU Wien und dem Institut für Theoretische Chemie der Universität Wien. Gefördert wurde das Projekt durch den Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF).


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Marko Mihovilovic
    Technische Universität Wien
    Fakultät für Technische Chemie
    +43 1 58801 163615
    marko.mihovilovic@tuwien.ac.at

    Prof. Leticia González
    Universität Wien
    Institut für Theoretische Chemie
    +43 1 4277 52750
    leticia.gonzalez@univie.ac.at


    Originalpublikation:

    Schlögl, K., Singer, N. K., Dreier, D., Kalaus, H., Conceição, R. C., Mihovilovic, M. D., & González, L. (2025). Mechanistic Insight into Para‐Substituent Control of Thermal Half‐Lives in Arylazopyrazole Photoswitches. Angewandte Chemie International Edition, e202514433, https://doi.org/10.1002/anie.202514433


    Bilder

    Man kann sich Photoschalter wie eine Achterbahn mit zwei Weichen vorstellen: links geht es schnell, rechts langsam.
    Man kann sich Photoschalter wie eine Achterbahn mit zwei Weichen vorstellen: links geht es schnell, ...

    Copyright: Maximilian Wutscher

    Teil des Autor_innen-Teams
    Teil des Autor_innen-Teams

    Copyright: ÖAW, Klaus Ranger, Studio Thomas Köhler, TU Wien


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    Chemie, Medizin
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Man kann sich Photoschalter wie eine Achterbahn mit zwei Weichen vorstellen: links geht es schnell, rechts langsam.


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