Im Nationalpark Schwarzwald hat ein Forscher der Universität Stuttgart mit Kolleg*innen eine neue Bärtierchen-Art entdeckt. Sie trägt den Namen Ramazzottius kretschmanni – zu Ehren von Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der die Entdeckung nun vorgestellt bekam.
Winzig klein, mit bärenstarken Fähigkeiten und auch für die Forschung noch geheimnisvoll: Eine wissenschaftliche Entdeckung aus dem Schwarzwald ehrt den Ministerpräsidenten Baden-Württembergs und sein Engagement für Artenschutz und Biodiversität. Die neue Bärtierchen-Art Ramazzottius kretschmanni ist im Nationalparkzentrum am Ruhestein vorgestellt worden. Prof. Ralph Schill, Zoologe am Institut für Biomaterialien und biomolekulare Systeme an der Universität Stuttgart, hat sie mit Prof. Roberto Guidetti von der Universität Modena und dessen Team erstmals nachgewiesen und wissenschaftlich beschrieben.
„Ich freue mich sehr über diese Ehrung. Der Nationalpark liegt mir wie alle Schutzgebiete besonders am Herzen. Und der Erhalt der Artenvielfalt gehört zu den wichtigsten Aufgaben, die wir als Menschheit haben. So können wir die Zukunft unseres Planeten sichern“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann. „Für mich als Biologen ist es natürlich eine große Ehre, in der Nomenklatur biologischer Arten verewigt zu sein. Jedes Lebewesen ist wichtig für unseren Planeten – und sei es noch so klein. Das sieht man auch daran, dass es Bärtierchen schon viel länger gibt als uns Menschen und sie extremen Umweltbedingungen standhalten. Damit sind Bärtierchen echte Wunderwesen der Natur.“
Forschungsschwerpunkt Bärtierchen
Bärtierchen sind die bisher einzig bekannten mehrzelligen Organismen, die einen Weltraumflug ohne Schutzanzug überlebten – und sich anschließend auf der Erde sogar völlig normal vermehrten. „Das haben sie ihren faszinierenden Fähigkeiten zu verdanken, die einige Arten bei extremen Bedingungen zu einem Tönnchen zusammenschrumpfen lässt, so dass sie Temperaturen von über 100 Grad Celsius genauso wie bis zu –200 Grad überstehen“, erklärt Schill, einer der führenden internationalen Bärtierchen-Experten, der die winzigen Achtbeiner seit vielen Jahren erforscht.
Die Lebewesen, die ansonsten an weiche Gummibärchen erinnern, ähneln in diesem Zustand zerknautschten Staubsaugerbeuteln – und können so mehr als 20 Jahre überdauern. Bei besseren Bedingungen können sie dann wie aus dem Dornröschenschlaf innerhalb von 30 Minuten zu neuem Leben erwachen. Die Überlebenskünstler besiedeln extreme Lebensräume – von heißen Wüsten über tropische Regenwälder bis hin zu Gletschern und der Tiefsee.
Seit 2016 ist Schills Forschung zur Artengruppe Bärtierchen, wissenschaftlich Tardigraden genannt, ein wichtiger Bestandteil der Biodiversitätsuntersuchungen im Nationalpark Schwarzwald. „Bisher konnten wir dort 28 Arten identifizieren – darunter eine, die erstmals in Deutschland gefunden wurde, und nun sogar diese ganz neue Art für die Wissenschaft“, betont Schill. Warum sie nach Kretschmann benannt wurde? „Da waren das Nationalpark-Team und ich uns schnell einig. Mit der Einrichtung des Nationalparks Schwarzwald hat der Ministerpräsident einen entscheidenden Beitrag zum Schutz der biologischen Vielfalt geleistet – besonders in dem großen Bereich, den wir mit bloßem Auge nicht sehen können.“
Überlebenskünstler im Mikrokosmos
Ramazzottius kretschmanni wurde erstmals in der Nähe des Ruhesteins nachgewiesen – sowohl im Bereich der bis zu 20 Meter hohen Weißtannen am Nationalparkzentrum als auch im Bannwaldgebiet Wilder See. Die Tiere, die auf und in feuchten Moosen, Flechten und Totholz leben, sind nur rund 400 Mikrometer groß und besitzen eine auffällige rötlich-beige, fleckige Färbung – ungewöhnlich für Bärtierchen, die meist farblos oder unscheinbar sind. Auch Anzahl, Anordnung und Form ihrer kräftigen Klauen an den Beinen unterscheiden sich von denen anderer Bärtierchen-Arten.
Bemerkenswert ist ihr Vorkommen in den Baumkronen: Da die Tiere nicht aktiv an Stämmen hinaufklettern können, gelangen sie mithilfe spezieller Strategien in luftige Höhen – etwa indem sie im ausgetrockneten Zustand vom Wind verdriftet oder mit Moosstücken durch Vögel in die Baumkronen transportiert werden. Ihre Eier, die wie kleine Himbeeren aussehen, werden einzeln abgelegt. Sowohl Jungtiere als auch Erwachsene ernähren sich von Algen und Moosen – und überstehen, wie alle Tardigraden, extreme Trockenheit und Frost.
Dieser Dornröschenschlaf ist für Schill die größte Faszination und das größte Geheimnis an den winzigen Lebewesen. „Wir kennen viele Puzzleteile, doch das Gesamtbild fehlt. Es wird noch Jahrzehnte andauern – wenn wir es überhaupt schaffen –, bis wir erklären können, warum Bärtierchen ihr biologisches Altern anhalten und ihr Leben konservieren können“, sagt der Zoologe.
Mit der Entdeckung von Ramazzottius kretschmanni wächst die Zahl der bekannten Bärtierchenarten in Deutschland auf 99 – 91 an Land und 8 im Meer beheimatet. Davon leben 80 allein in Baden-Württemberg. Weltweit sind bislang knapp 1500 Arten beschrieben. Schill wird im Nationalpark Schwarzwald auch künftig Bärtierchen suchen – und noch mehr finden, da ist er sich sicher. „Ob bekannte oder neue Arten, das werden wir dann sehen.“
Prof. Dr. Ralph Schill , Universität Stuttgart, Institut für Biomaterialien und biomolekulare Systeme, Tel. +49 (0) 172 730 4726, E-Mail: ralph.schill@bio.uni-stuttgart.de
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Prof. Ralph Schill forscht seit 2016 im Nationalpark Schwarzwald. Bisher hat er mit Kolleg*innen und ...
Quelle: Ralph O. Schill
Copyright: Universität Stuttgart
Ein Bleistiftpunkt ist etwa 1 Millimeter klein. Mit nur 400 Mikrometern ist das Bärtierchen nicht ei ...
Quelle: Schill / Eye of Science
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
Biologie, Tier / Land / Forst
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsprojekte
Deutsch
Prof. Ralph Schill forscht seit 2016 im Nationalpark Schwarzwald. Bisher hat er mit Kolleg*innen und ...
Quelle: Ralph O. Schill
Copyright: Universität Stuttgart
Ein Bleistiftpunkt ist etwa 1 Millimeter klein. Mit nur 400 Mikrometern ist das Bärtierchen nicht ei ...
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