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16.09.2025 10:30

Einsamkeit gefährdet Demokratie – Jahrestagung der Psychoanalytikerinnen und Psychoanalytiker

Dr. Felix Hoffmann Geschäftsstelle
Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie (DGPT) e.V.

    Wie hängen Einsamkeit und Demokratie zusammen? Was hat das existenziell belastende Gefühl mit Politik zu tun? Warum können autoritäre Ideologien für einsame Menschen attraktiv sein? Psychoanalytische Einblicke in das komplexe Thema „Einsamkeit“ bietet die 76. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie (DGPT) e.V., die am Donnerstag in Würzburg beginnt und noch bis Sonntag andauert.

    Menschen, die sich einsam fühlen, haben ein niedrigeres Vertrauen in politische Institutionen und sind eher unzufrieden mit dem demokratischen System. Das legt eine Befragung der Bertelsmann-Stiftung vom Mai 2025 nahe sowie auch das Einsamkeitsbarometer der Bundesregierung von 2024. Ein Zusammenhang, für den sich nicht nur Politik und Soziologie interessieren, sondern auch die Psychoanalyse. „Einsamkeit kann anfälliger machen für autoritäre Ideologien“, sagt Dr. phil. Hanspeter Mathys, Psychoanalytiker in Zürich. „Das bedeutet allerdings nicht, dass jeder, der alleine ist oder lebt, sich einsam fühlt und sich radikalisiert.“ Auf der 76. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie (DGPT) e.V. erläutert der Psychoanalytiker, welche psychischen Mechanismen dazu führen können, dass Menschen sich von Verschwörungstheorien, Rechtsextremismus oder religiösem Fundamentalismus vereinnahmen lassen. Unter dem Thema „Einsamkeit“ steht die gesamte Jahrestagung der DGPT, die vom 18. bis zum 21. September 2025 in Würzburg stattfindet.

    Projizierte Bedrohungsgefühle
    Mathys stellt zunächst die Frage, was es aus psychoanalytischer Sicht braucht, um allein sein zu können, ohne sich einsam zu fühlen. „Wenn man als Kind in einer guten Umgebung mit wohlwollenden Bezugspersonen aufgewachsen ist und es gelungen ist, diese Umgebung zu verinnerlichen – dann kann man sich selbst besser beruhigen und Halt geben“, erklärt Mathys, der die Psychologische Beratungsstelle für Studierende an der Pädagogischen Hochschule Zürich leitet und ein Buch über die Anziehungskraft des christlichen Fundamentalismus veröffentlicht hat. „Wenn das verinnerlichte ‚gute Objekt‘ dagegen fehlt, begegnet man der Welt mit mehr Misstrauen, sie wird als tendenziell feindselig empfunden“, so der Psychoanalytiker.
    Aus diesem Grundgefühl heraus fühle man sich auch weniger verbunden mit seiner Umgebung und mit anderen Menschen. Die „böse“ Umwelt müsse vielmehr bekämpft werden – ein Angebot, das autoritäre Ideologien machen. Die Bedrohungsgefühle werden dabei zum Beispiel beim Rechtsextremismus auf Migrant*innen projiziert, bei Verschwörungstheorien auf Politiker*innen und Wissenschaftler*innen, beim religiösen Fundamentalismus auf die „Ungläubigen“. Diese Haltung fordert die demokratischen Systeme heraus, wo es nicht zuletzt darum geht, „Vielfalt, Unsicherheiten und Ambivalenzen auszuhalten und nicht in Gut und Böse zu spalten“, so Mathys. Bestrebungen, welche diese Fähigkeiten stärken, stärken letztlich auch die Demokratie.

    Einsamkeit bei jungen Menschen
    Millionen Bundesbürger fühlen sich einsam. Das betrifft nicht nur ältere und alte Menschen, sondern inzwischen auch immer mehr junge. So zeigte sich bei der Befragung der Bertelsmann-Stiftung von 2024, dass sich fast die Hälfte der jungen Erwachsenen in Deutschland einsam fühlt. Um die aktuelle Situation junger Menschen geht es in dem Vortrag von Dr. Holger Salge, ärztlicher Direktor der Sonnenberg Klinik Stuttgart. Die Psychoanalytikerin Doreen Röseler beleuchtet Einsamkeits- und Verlusterfahrungen junger Menschen in der Großstadt. Inwiefern die Digitalisierung und Soziale Medien zur Einsamkeit beitragen, dazu äußern sich die Psychoanalytiker*innen Dr. Ann-Madeleine Tietge und Sebastian Becker.

    Einsamkeit bei Minderheiten
    Einsamkeit betrifft verstärkt Minderheiten wie beispielsweise flucht- und migrationserfahrene Menschen sowie LSBTIQ*-Personen, wie die genannten Befragungen zeigen. Mit der „Ethical Loneliness“ also „Ethischen Einsamkeit“ von marginalisierten, oft mehrfach diskriminierten Menschen befasst sich Dr. Bernd Heimerl, Supervisor und Lehranalytiker an verschiedenen psychoanalytischen Instituten. Er beruft sich dabei auf die amerikanische Politikwissenschaftlerin Jill Stauffer. In einem weiteren Vortrag geht es um Gefühle von Entfremdung und Einsamkeit in der jüdischen Community.

    Hinweis zur Teilnahme:
    Journalistinnen und Journalisten können gerne nach vorheriger Anmeldung kostenlos teilnehmen.

    Anmeldung:
    Mandy Zenkner, Tel. 030 887163930, mandy.zenkner@dgpt.de

    Weitere Informationen:
    Dr. Felix Hoffmann, Tel. 030 887163930, psa@dgpt.de

    Während des Kongresses ist die DGPT erreichbar unter Tel. 030 887163934

    Buchhinweis:
    Beiträge der DGPT-Jahrestagung 2024 zum Thema „Schmerz“ sind im September im Psychosozial-Verlag erschienen:
    Birgit Jänchen-van der Hoofd, Christine Bauriedl-Schmidt, Rupert Martin (Hg.): „Schmerz – Perspektiven aus Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie.“ Psychosozial-Verlag 2025.


    Weitere Informationen:

    https://dgpt.de/dgpt-jahrestagung-2025


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Psychologie
    überregional
    Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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