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17.09.2025 11:08

Projekt Klima-Milchfarm: Messbare Erfolge bei der CO₂e-Reduktion

Gerhard Schmücker Hochschulkommunikation
Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen

    Repräsentatives Pilotprojekt zeigt, wie Milchproduktion klimaverträglicher gestaltet werden kann; Kooperation von Hochschule Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU), Nestlé, Original Wagner Pizza GmbH und Hochwald Foods GmbH

    NÜRTINGEN (hfwu). In einer Abschlusspräsentation zur Klima-Milchfarm, einem gemeinschaftlichen Projekt der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU), Nestlé, Original Wagner Pizza GmbH und Hochwald Foods GmbH, dokumentieren die Projektpartner erstmals umfassend die Wirkung von Klima-schutzmaßnahmen auf einem repräsentativen Milchviehbetrieb, dem Frese-Hof im hessischen Mörshausen. Ziel des Pilotprojekts, das Ende 2021 gestartet ist, war es, Wege aufzuzeigen, wie Milchproduktion bis 2050 klimaverträglicher gestaltet werden kann – ohne die wirtschaftliche Tragfähigkeit der Betriebe zu gefährden. Die Ergebnisse sind nun in einem umfassenden Fortschrittsbericht veröffentlicht, ergänzt durch praxisnahe Steckbriefe, welche die Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit der einzelnen Maßnahmen bewerten.

    Messbare Erfolge bei der CO₂e-Reduktion
    Die Klima-Milchfarm ist fest in die Lieferkette eingebunden, sodass die CO₂e-Reduktion vom Hof bis zum Produkt – in diesem Fall Käse für die Pizzaherstellung – transparent nachvollzogen werden kann (CO₂e steht für Äquivalent verschiedener Treibhausgase). Seit Projektstart wurden zahlreiche betriebliche und technische Maßnahmen umgesetzt und wissenschaftlich begleitet. Herzstück des Projekts ist die Emissionsberechnung mithilfe des Cool Farm Tool (CFT)-Bilanzierungsprogramms. Zunächst wur-de ein Ausgangswert („Nullpunkt“) für den Betrieb Frese auf Basis des Wirtschaftsjahres 2020/21 ermittelt. Anschließend wurden jährlich Emissionsberechnungen erstellt, um die Wirkung der Minderungsmaßnahmen nachvollziehbar zu machen. Im Vergleich zum Ausgangswert (Wirtschaftsjahr 2020/2021) betrug die Reduktion an CO2e pro Kilogramm Milch im Wirtschaftsjahr 2024/2025 ca. 35 Prozent. Detlef Latka, Chief Executive Officer Hochwald Foods GmbH: „Die Erfahrungen auf der Klima Milchfarm machen deutlich: Klimaschutz in der Landwirtschaft ist unverzichtbar, aber er kostet Geld. Ökonomische Stabilität gerät dadurch unter Druck – um-so wichtiger sind praxisnahe, wissenschaftlich fundierte Ansätze, um diesen Zielkonflikt aufzulösen.“ Oliver Schoß von Original Wagner Pizza GmbH ergänzt: „Ein großer Teil unserer Treibhausgasemissionen entsteht ganz am An-fang unserer Lieferkette – bei unseren Rohstoffen. Unser Projekt Klima-Milchfarm konnte offenlegen, welche Maßnahmen beim Käse besonders vielversprechend sind. Diese wertvollen Erkenntnisse gilt es nun mit unseren Partnern entlang der Lieferkette zu teilen und umzusetzen.“

    Wirksamste Maßnahmen
    Die Maßnahmen werden nach Innenwirtschaft (Stall, Fütterung, Energie, Güllemanagement) und Außenwirtschaft (Futterbau, Düngung, Pflanzenbau) unterschieden. Die wirksamste Einzelmaßnahme in der Innenwirtschaft ist die Vergärung der Gülle bzw. des Festmistes in einer externen Biogasanlage. Auch der Zusatz eines Additives zur Gülle sowie der Einsatz eines Futterzusatzstoffes zur Minderung der Methanemissionen aus der Verdauung zeigen ein hohes Minderungspotential. Der Einsatz sol-cher Zusatzstoffe ist aber häufig kostenintensiv und ohne Förderung nicht durchzuführen. Das Futter- und Fütterungscontrolling, der Einsatz von Silierhilfsmitteln sowie die intensive Kälber- und Jungviehaufzucht steigern die Futtereffizienz und reduzieren ebenfalls die CO2e-Emissionen. Pflanzenbauliche Maßnahmen wie der Le-guminosen-/Gemengeanbau oder die Kohlenstoffse-questrierung erwiesen sich als wetterabhängig und konnten nicht immer vollständig angerechnet werden. Prof. Dr. Stephan Schneider, Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU): „Die wichtigste Erkenntnis ist: Schon die Umsetzung der guten fachlichen Praxis auf einem Milch-betrieb führt heute zu einem verbesserten CO₂e-Fußabdruck. Hierfür muss das Management des Betriebes konsequent optimiert und professionalisiert werden. Während einzelne Maßnahmen in der Innenwirtschaft sowohl ökologisch, ökonomisch und sozial vorteilhaft sind, haben andere Maßnahmen im Bereich der Ökonomie/des Sozialen einen Schwachpunkt, wodurch sie ohne Unterstützung von den Betrieben allein nicht umgesetzt werden können.“ Die ökonomische Komponente spielt bei vielen Maßnahmen eine maßgebliche Rolle. Für landwirtschaftliche Betriebe, die Klimaschutzmaßnah-men kurz- und langfristig umsetzen, ist es wichtig, dass sowohl die gesetzlichen und bürokratischen Rahmenbedingungen planbar und sicher sind als auch der ökonomische Aufwand nicht die Stabilität des Betriebs gefährdet.

    Erfahrungen und Herausforderungen
    Der Bericht hebt hervor, dass die Motivation und Eigenverantwortung des Betriebsleiters entscheidend für den Erfolg waren. Mario Frese setzte mit Unterstützung des Projektteams zahlreiche Maßnahmen um und bewältigte einen erheblichen Dokumentationsaufwand. Mario Frese: „Viele der Maßnahmen sind mit geringem Aufwand umzusetzen, nachdem sie im Betrieb etabliert wurden. Diese werde ich sicherlich auf unserem Hof beibehalten.“ Es gab jedoch auch Herausforderungen im Projektverlauf, beispielsweise bei der Bilanzierung: Nicht alle Einsparungen sind direkt messbar – viele wirken indirekt, etwa durch Effizienzsteigerungen in der Innenwirtschaft. Pflanzliche Maßnahmen sind wetterabhängig, was deren Anrechnung erschwert. Verzögerungen bei Förderverfahren führten zu provisorischen Zwischenlösungen im Stall- und Futtermanagement.

    Übertragbarkeit und Ausblick
    Das Projekt wird bis April 2026 fortgeführt, um weitere Daten zu erheben. Die Ergebnisse haben Modellcharakter. Auf dem Betrieb konnten einige Maßnahmen, die als sogenannte „low hanging fruits“ bezeichnet werden, kurzfristig und kosteneffizient umgesetzt werden. Low hanging fruits sind in Abhängigkeit der betriebsindividuellen Gegebenheiten auf jedem Betrieb in unterschiedlicher Art und Anzahl vorhanden. Die Erkenntnisse und Ergebnisse des Projektes fließen in das Nachhaltigkeitsprogramm Hochwald Milch Plus ein, unterstützen so alle Mitgliedsbetriebe bei der Umsetzung von CO₂e-Minderungsmaßnahmen und tragen damit zur Erreichung von Klimazielen in der gesamten Wertschöpfungskette bei.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Stephan Schneider
    stephan.schneider@hfwu.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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