19.09.2025
Neue Werte des IMK Inflationsmonitors
Trotz leichten Anstiegs: Inflation für 7 von 9 Haushaltstypen unter Zielrate der EZB, Leitzinspause im September war Fehler
Die Inflationsrate in Deutschland ist im August leicht auf 2,2 Prozent gestiegen und liegt damit aktuell etwas über dem Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von 2,0 Prozent. Der Anstieg um 0,2 Prozentpunkte gegenüber Juli beruht vor allem auf höheren Preisen für Lebensmittel. Hinzu kommt, dass sinkende Energiepreise die Inflation nicht mehr so stark bremsen wie im Vormonat. Von neun verschiedenen Haushaltstypen, die sich nach Einkommen und Personenzahl unterscheiden, hatten trotz des Anstiegs sieben eine haushaltsspezifische Teuerung unterhalb des EZB-Zielwerts. Lediglich zwei einkommensstarke Haushaltstypen wiesen einen Wert beim oder geringfügig über dem Inflationsziel auf. Konkret reichte die Spannweite im August von 1,7 bis 2,1 Prozent, der Unterschied lag also bei geringen 0,4 Prozentpunkten, zeigt der neue Inflationsmonitor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung.* Zum Vergleich: Auf dem Höhepunkt der Inflationswelle im Herbst 2022 betrug die Spanne 3,1 Prozentpunkte. Während Haushalte mit niedrigen Einkommen, insbesondere Familien, während des akuten Teuerungsschubs der Jahre 2022 und 2023 eine deutlich höhere Inflation schultern mussten als Haushalte mit mehr Einkommen, war ihre Inflationsrate im August 2025 wie in den Vormonaten unterdurchschnittlich: Der Warenkorb von Paaren mit Kindern und niedrigem Einkommen sowie von Alleinlebenden mit niedrigem Einkommen verteuerte sich um jeweils 1,7 Prozent. Eine identische Inflationsrate hatten Alleinerziehende mit mittlerem Einkommen (siehe auch die Abbildung in der pdf-Version dieser PM; Link unten). Alleinlebende mit mittlerem Einkommen folgten mit 1,8 Prozent.
Als einzige Haushaltstypen hatten im August Alleinlebende mit sehr hohen Einkommen (2,1 Prozent) sowie Familien mit hohen Einkommen (2,0 Prozent) eine Inflation geringfügig oberhalb bzw. beim EZB-Ziel. Ein wichtiger Faktor für das etwas höhere Niveau ist, dass bei diesen konsumstarken Haushaltstypen die niedrigeren Energiepreise weniger stark ins Gewicht fallen als bei Haushalten mit weniger Einkommen, deren Warenkörbe stärker durch Güter des täglichen Bedarfs geprägt sind. Zudem fragen Haushalte mit höheren Einkommen stärker Dienstleistungen nach, die sich derzeit noch merklich verteuern, wie Versicherungsdienstleistungen und soziale Dienstleistungen.
Die drei anderen untersuchten Haushaltstypen, Paarfamilien und Paare ohne Kinder mit jeweils mittleren Einkommen sowie Alleinlebende mit höheren Einkommen, verzeichneten im August eine Inflationsrate von je 1,9 Prozent.
Inflationslage im gesamten Euroraum entspannt
Die Inflation in Deutschland und im Euroraum werde im weiteren Jahresverlauf um das EZB-Inflationsziel von 2,0 Prozent schwanken und 2026 sogar darunter liegen, erwartet Dr. Silke Tober, IMK-Expertin für Geldpolitik und Autorin des Inflationsmonitors. Gleichzeitig belasteten US-Zölle, hohe Energiepreise und die starke Aufwertung des Euro gegenüber dem Dollar um 14 Prozent seit Jahresbeginn die Wirtschaft. Dadurch steige auch das Risiko einer mittelfristig sogar zu niedrigen Inflation. „Es war daher ein Fehler, dass die EZB den Leitzins auf ihrer September-Sitzung nicht gesenkt hat“, schreibt Tober. „Gerade in der aktuell kritischen Phase, bevor die staatlichen Investitionen in Deutschland an Breite gewinnen, hätte die EZB, die die Investitionsschwäche durch ihre übermäßig restriktive Geldpolitik bewusst mit herbeigeführt hat, einen Beitrag zur Stärkung der Investitionstätigkeit leisten müssen“, erklärt die Forscherin. Die Zentralbank sollte jetzt „zügig eine weitere Zinssenkung in Aussicht stellen“ – auch, um den Aufwärtstrend des Euro zu bremsen.
Lebensmittel 39 Prozent teurer als im August 2019
Das IMK berechnet seit Anfang 2022 monatlich spezifische Teuerungsraten für neun repräsentative Haushaltstypen, die sich nach Zahl und Alter der Mitglieder sowie nach dem Einkommen unterscheiden (mehr zu den Typen und zur Methode unten). In einer Datenbank liefert der IMK Inflationsmonitor zudem ein erweitertes Datenangebot: Online lassen sich Trends der Inflation für alle sowie für ausgewählte einzelne Haushalte im Zeitverlauf in interaktiven Grafiken abrufen (Link unten).
Die längerfristige Betrachtung illustriert auch, dass Haushalte mit niedrigem bis mittlerem Einkommen von der starken Teuerung nach dem russischen Überfall auf die Ukraine besonders stark betroffen waren, weil Güter des Grundbedarfs wie Nahrungsmittel und Energie in ihrem Budget eine größere Rolle spielen als bei Haushalten mit hohen Einkommen. Diese wirkten lange als die stärksten Preistreiber, zeigt der längerfristige Vergleich, den Tober in ihrem neuen Bericht ebenfalls anstellt: Die Preise für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke lagen im August 2025 um 39,0 Prozent höher als im August 2019, also vor Pandemie und Ukrainekrieg. Damit war die Teuerung für diese unverzichtbaren Basisprodukte mehr als dreimal so stark wie mit der EZB-Zielinflation von kumuliert 12,6 Prozent in diesem Zeitraum vereinbar. Energie war trotz der Preisrückgänge in letzter Zeit um 35,9 Prozent teurer als sechs Jahre zuvor, darunter Haushaltsenergie um 46,2 Prozent und Kraftstoffe um 22,2 Prozent.
Informationen zum Inflationsmonitor
Für den IMK Inflationsmonitor werden auf Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamts die für unterschiedliche Haushalte typischen Konsummuster ermittelt. So lässt sich gewichten, wer für zahlreiche verschiedene Güter und Dienstleistungen – von Lebensmitteln über Mieten, Energie und Kleidung bis hin zu Kulturveranstaltungen und Pauschalreisen – wie viel ausgibt und daraus die haushaltsspezifische Preisentwicklung errechnen. Die Daten zu den Haushaltseinkommen stammen ebenfalls aus der EVS. Im Inflationsmonitor werden neun repräsentative Haushaltstypen betrachtet: Paarhaushalte mit zwei Kindern und niedrigem (2000-2600 Euro), mittlerem (3600-5000 Euro), höherem (mehr als 5000 Euro) monatlichem Haushaltsnettoeinkommen; Haushalte von Alleinerziehenden mit einem Kind und mittlerem (2000-2600 Euro) Nettoeinkommen; Singlehaushalte mit niedrigem (unter 900 Euro), mittlerem (1500-2000 Euro), höherem (2000-2600 Euro) und hohem (mehr als 5000 Euro) Haushaltsnettoeinkommen sowie Paarhaushalte ohne Kinder mit mittlerem Haushaltsnettoeinkommen zwischen 3600 und 5000 Euro monatlich. Der IMK Inflationsmonitor wird monatlich aktualisiert.
Kontakt in der Hans-Böckler-Stiftung
Dr. Silke Tober
IMK-Expertin für Geldpolitik
Tel.: 0211-7778-336
E-Mail: Silke-Tober@boeckler.de
Rainer Jung
Leiter Pressestelle
Tel.: 0211-7778-150
E-Mail: Rainer-Jung@boeckler.de
https://www.imk-boeckler.de/de/faust-detail.htm?produkt=HBS-009233 - *Silke Tober: IMK Inflationsmonitor: Inflation steigt im August 2025 auf 2,2 %, Energiepreise dämpfen deutlich weniger. IMK Policy Brief Nr. 198, September 2025.
https://www.boeckler.de/data/pm_imk_2025_09_19.pdf - Die PM mit Abbildung (pdf)
https://www.imk-boeckler.de/de/imk-inflationsmonitor-51365.htm - Ergebnisse des Inflationsmonitors in interaktiven Grafiken
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Gesellschaft, Politik, Wirtschaft
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Forschungs- / Wissenstransfer
Deutsch
Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).