Wie lassen sich Schulen so unterstützen, dass Kinder aus benachteiligten Familien bessere Bildungschancen haben? Im Mittelpunkt aktueller bildungspolitischer Debatten steht der Ansatz, mehr Mittel gezielt jenen Schulen bereitzustellen, die sie am dringendsten benötigen, statt alle Schulen pauschal gleich zu behandeln. Aber gelingt mit dieser Art der Ressourcensteuerung wirklich mehr Bildungsgerechtigkeit? Ein aktuelles Beiheft der Zeitschrift „Die Deutsche Schule“ beleuchtet verschiedene Fördermodelle, analysiert bisherige Erfahrungen und formuliert Empfehlungen.
Lehrkräftemangel, fehlende Sprachkenntnisse oder Lernrückstände bei Schülerinnen und Schülern – die Herausforderungen an deutschen Schulen sind vielfältig, aber unterschiedlich ausgeprägt. Dass soziale Herkunft und Bildungserfolg immer noch eng zusammenhängen, zählt zu den drängendsten Problemen und steht im Zentrum zahlreicher Reformanstrengungen. Bei einer bedarfsorientierten Ressourcensteuerung sollen z. B. Schulen mit einem hohen Anteil von Kindern und Jugendlichen aus benachteiligten Familien zusätzliche Mittel oder Unterstützung für eine bessere Förderung ihrer Schülerinnen und Schüler erhalten: in Form von Schulbudgets, mehr Personal oder auch Fortbildungen.
Zusammenarbeit als Gelingensbedingung
Bisherige Erkenntnisse zur bedarfsorientierten Ressourcensteuerung sind jetzt in einem Beiheft der Zeitschrift „Die Deutsche Schule“ zusammengefasst. „Die bedarfsorientierte Ressourcensteuerung ist ein komplexer Reformansatz – die erfolgreiche Umsetzung hängt davon ab, dass Schulen, Politik, Verwaltung, Zivilgesellschaft und Wissenschaft an einem Strang ziehen“, sagt Dr. Norbert Sendzik, Bildungsforscher am Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi) und Mit-Herausgeber. „Unser Beiheft bringt unterschiedliche Perspektiven zusammen und zeigt anhand von Interviews, empirischen Befunden und Erfahrungen, wie eine solche Zusammenarbeit konkret aussehen kann.“ In 12 Beiträgen beleuchten Forschende, aber auch Vertreterinnen und Vertreter von Bildungsadministration und Bildungsstiftungen, die bedarfsorientierte Ressourcensteuerung aus verschiedenen Perspektiven. Im Mittelpunkt stehen unterschiedliche Modelle auf Landes- und Kommunalebene sowie grundlegende Fragen: Welche Förderung brauchen Schulen konkret? Wie lassen sich Schulen mit erhöhtem Unterstützungsbedarf identifizieren? Und: Wie kann eine wirksame und zielgerichtete Umsetzung gelingen?
Begründungen, Umsetzungen und Wirkungserwartungen
In Interviews mit Expertinnen und Experten wird den Fragen nachgegangen, ob es rechtlich problematisch ist, Schulen unterschiedlich stark zu fördern, welche Herausforderungen die bedarfsorientierte Ressourcensteuerung für die kommunale Bildungsplanung bringt und welche Rolle Stiftungen als zivilgesellschaftliche Akteure im Bildungssystem spielen. Weitere Beiträge stellen wissenschaftliche Erkenntnisse zu bisherigen Ansätzen einer bedarfsorientierten Mittelzuweisung wie dem Berliner Bonus-Programm oder dem Sozialindex NRW vor oder widmen sich anhand von Beispielen den Möglichkeiten des kleinräumigen kommunalen Bildungsmonitorings. Diskutiert wird außerdem, welche Arten von Ressourcen aus Sicht der Schulen benötigt werden und welche Rolle insbesondere Schulsozialarbeit spielt. Ein abschließendes Essay wirft einen kritischen Blick darauf, welche Bedingungen es braucht, damit Bildungsungleichheiten durch eine veränderte Ressourcensteuerung wirklich abgebaut werden können.
Forschungsprojekt „ABBAUBAR“ zeigt Handlungsbedarf bei unzureichender Datenlage auf
Im Beiheft enthalten sind auch Erkenntnisse des Projekts ABBAUBAR (Abbau von Bildungsbarrieren durch bedarfsorientierte Ressourcensteuerung). In diesem Verbundprojekt haben Forschende des LIfBi und der Ruhr-Universität Bochum untersucht, welche Modelle der bedarfsorientierten Ressourcensteuerung es in Deutschland bereits gibt, wie diese umgesetzt werden und welche Wirkungen zu erwarten sind. Das Projekt zeigte die großen Herausforderungen, vor denen die Forschenden bei einer Wirkungsanalyse stehen: Insbesondere in Ländern und Kommunen mit einer längeren Tradition der bedarfsorientierten Ressourcensteuerung sei kaum nachvollziehbar, welche Schulen welche zusätzlichen Mittel aus welchen – teils parallel eingeführten – Programmen erhalten haben. Das mache im Rückblick die Analyse einzelner Maßnahmen nahezu unmöglich. Auch die weitere Datenlage auf Ebene der Einzelschulen sei generell unzureichend und erschwere die Wirkungsmessung.
Eine bessere vorausschauende Datengrundlage zur Bewertung einer bedarfsorientierten Ressourcensteuerung erwarten sich die Forschenden von der wissenschaftlichen Evaluation des Startchancen-Programms, das im Beiheft ebenfalls beleuchtet wird. Dabei handelt es sich um ein gemeinsames Vorhaben des Bundes und der Länder: Ab dem Schuljahr 2024/2025 werden erstmals deutschlandweit 4.000 Schulen mit einem hohen Anteil sozial benachteiligter Schülerinnen und Schüler über 10 Jahre mit zusätzlichen 20 Milliarden Euro gefördert. An der langfristig angelegten Evaluation des Startchancen-Programms ist das LIfBi als Projektpartner beteiligt.
https://www.lifbi.de/de-de/Start/Institut/Personen/Person/account/1776?name=Send... Dr. Norbert Sendzik
https://www.lifbi.de/de-de/Start/Institut/Personen/Person/account/201?name=Helbi... Prof. Dr. Marcel Helbig
Sendzik, N., Helbig, M., Demski, D., Bellenberg, G., Eiden, S., Edelstein, B., & Hugo, J. (Hrsg.). (2025). Ungleich fördern – gerecht steuern. Begründungen, Umsetzungen und Wirkungserwartungen einer bedarfsorientierten Ressourcensteuerung im Bildungssystem (DDS – Die Deutsche Schule, 20. Beiheft). Münster: Waxmann https://doi.org/10.31244/9783830999812
https://www.lifbi.de/ABBAUBAR Projekt ABBAUBAR am LIfBi
https://www.lifbi.de/startchancen-evaluation Evaluation Startchancen-Programm
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Lehrer/Schüler, Wissenschaftler
Gesellschaft, Pädagogik / Bildung, Politik, Wirtschaft
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).